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Reform lässt auf sich warten

17.01.2024 Seite 12
RAE Ausgabe 2/2024

Rheinisches Ärzteblatt

Heft 2/2024

Seite 12

© The biseise/stock.adobe.com/ Eberhard Wolf
Der Gesetzgebungsprozess zur Krankenhausreform kommt nicht so recht voran. Der vom Bundesgesundheitsminister vorgelegte Arbeitsentwurf eines Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetzes (KHVVG) stieß auf Kritik aus den Ländern. Ein entsprechend überarbeiteter Arbeitsentwurf sollte den Ländern noch im Dezember 2023 zugehen, lag dort aber bis zum Redaktionsschluss Mitte Januar noch nicht vor. Mittlerweile scheint das Reformprojekt eine Black Box zu sein, bei der niemand so recht einzuschätzen vermag, wie das Ergebnis ausfallen wird. Die Krankenkassen sehen zusätzliche finanzielle Belastungen auf sich zukommen.

von Thomas Gerst 


Dass es Reformbedarf hinsichtlich der Erbringung von Krankenhausleistungen gibt, darin zumindest stimmen schon seit Längerem die meisten Gesundheitsexperten überein. Mit der Einführung eines neuen Abrechnungssystems auf Basis diagnoseorientierter Fallpauschalen (Diagnosis Related Groups, DRGs) im Jahr 2003 veränderte sich die Krankenhauslandschaft massiv – und das sicher nicht nur zum Vorteil von Patientinnen und Patienten. Ohne eine flächendeckende Qualitätssteuerung auf der Ebene der Bundesländer folgten die Krankenhäuser zunehmend den Gesetzen des Marktes; die Leistungs- und Mengenanreize im Fallpauschalen-System führten dazu, dass tendenziell weniger lukrativ erscheinende Leistungsbereiche zurückgefahren wurden; dort wo höhere Erlöse winkten, wurde das Angebot ausgeweitet. Aus gesundheitspolitischer Perspektive sorgte die nun unvermeidliche betriebswirtschaftliche Orientierung der Krankenhäuser für unbefriedigende Ergebnisse.

Ohne eine bundesgesetzliche Neuregelung der Finanzierung von Krankenhausleistungen in der gesetzlichen Krankenversicherung blieben die Steuerungsmöglichkeiten der Länder allerdings beschränkt. Gleichzeitig registrierten letztere argwöhnisch alle Bestrebungen auf Bundesebene, bundeseinheitliche Qualitätssicherungsmaßnahmen umzusetzen. Mehr und mehr wurde aber allen Beteiligten deutlich: Die grundsätzlich für notwendig erachtete Krankenhausreform erfordert das konstruktive Zusammenwirken von Bund und Ländern, wobei die Länder die Krankenhausplanung zu verantworten haben, die Zuständigkeit für die Finanzierung aber beim Bund liegt. 

Konsens besteht darüber, dass die bisher fast ausschließliche Vergütung über erbrachte Leistungen im DRG-System abgelöst wird durch die Einführung einer Vergütung, die die Vorhaltung von Strukturen in Krankenhäusern zu einem relevanten Anteil unabhängig von der Leistungserbringung sichert. So sieht der Arbeitsentwurf zum KHVVG vor, dass die Betriebskosten eines Krankenhauses künftig zu 40 Prozent über diese Vorhaltefinanzierung abgedeckt werden sollen; nur noch weitere 40 Prozent sollen über Fallpauschalen (DRG) erwirtschaftet werden, das Pflegebudget soll mit 20 Prozent unverändert bleiben. Diese Vorhaltefinanzierung kann allerdings nur dann funktionieren, wenn gleichzeitig bei der Krankenhausplanung auf Landesebene geregelt wird, welche Leistungen ein Krankenhaus erbringen darf und welche personellen und apparativen Anforderungen hierfür zwingend erforderlich sind. So wird auch verhindert, dass an Krankenhäusern Patienten behandelt und über das Fallpauschalensystem abgerechnet werden, ohne dass die für notwendig erachteten Qualitätsstandards erfüllt sind. 

Die Definition dieser neuen Leistungsgruppen ist ein Kernelement der Krankenhausreform. Dass die Länder nicht gewillt sind, hier einfach den Vorgaben aus Berlin – insbesondere zur Definition von Krankenhaus-Versorgungsstufen (Leveln) – zu folgen, machten sie bei den Vorarbeiten zum KHVVG bereits früh deutlich. Nicht zuletzt die Drohung mit dem Gang ans Bundesverfassungsgericht zeigte Wirkung, und so wird sich die neue Leistungsgruppensystematik im Reformgesetz zunächst an den bereits in Nordrhein-Westfalen (NRW) geleisteten Vorarbeiten zu einer Krankenhausplanung mit Zuweisung von Leistungsgruppen und Mindeststandards orientieren. So steht es zumindest im Eckpunktepapier zur Krankenhausreform vom Juli 2023.

Krankenhausplanung in NRW

Bereits 2020 hatte man sich in NRW mit der Novelle des Krankenhausgestaltungsgesetzes auf den Weg gemacht, die Krankenhausplanung besser am Versorgungsbedarf im Land auszurichten. Mittlerweile wurde dort in 16 Versorgungsgebieten die Verhandlungsphase zwischen den Krankenhäusern und den Krankenkassen zur Umsetzung des neuen Krankenhausplanes beendet. Die Verhandlungen orientierten sich an dem neu definierten Katalog von 65 Leistungsgruppen, weg von der bisherigen Planung nach Fachabteilungen. In den Verhandlungen sollte in jedem einzelnen Versorgungsgebiet eine Verständigung darüber erzielt werden, in welchem Umfang Krankenhäuser künftig Leistungen nach vorgegebenen Qualitätsstandards erbringen. Derzeit würden die Ergebnisse der landesweit verhandelten regionalen Planungskonzepte zwischen den Krankenhäusern und Krankenkassen von den örtlich zuständigen Bezirksregierungen gesichtet und intensiv geprüft, teilt das zuständige NRW-Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales (MAGS) mit. Nur so viel: Die Verhandlungen endeten in vielen Fällen im Dissens. Nach Abschluss der Prüfungen werde die Übermittlung sämtlicher Prüfergebnisse an das MAGS erfolgen. Das MAGS beabsichtige, bis zum Ende des Jahres 2024 die Planungsverfahren mit einer Entscheidung abzuschließen. Dies wäre wohl der perfekte Zeitplan, sollte bis dahin die von Bundesgesundheitsminister Professor Dr. Karl Lauterbach auf Bundesebene als Revolution angekündigte Krankenhausreform tatsächlich beschlossen sein. Allerdings ist aktuell nicht abzusehen, wie die dazu noch bestehenden Differenzen zwischen Bund und Ländern aus dem Weg geräumt werden können. Die Länder sehen dringenden Handlungsbedarf; wegen der sehr kritischen wirtschaftlichen Lage vieler Krankenhäuser müssten „Bund und Länder die Krankenhausreform schnellstmöglich gemeinsam weiter voranbringen“, heißt es in einem Schreiben des Vorsitzenden der Gesundheitsministerkonferenz an den Bundesgesundheitsminister vom 15. Dezember 2023. Die weitere gemeinsame Arbeit am Entwurf des KHVVG sei unabdingbar. Diese könne auch unabhängig vom Krankenhaustransparenzgesetz, das sich nach Ablehnung im Bundesrat derzeit im Vermittlungsausschuss befindet, fortgesetzt werden. Ein für Anfang Dezember zugesagter Arbeitsentwurf zum KHVVG, der die Hauptkritikpunkte der Länder berücksichtigt, war diesen bis Mitte Januar allerdings noch nicht zugegangen. 

Ein Hauptkritikpunkt der Länder ist, dass ihnen die im Arbeitsentwurf vorgesehenen Ausnahmeregelungen, Krankenhäusern einen Versorgungsauftrag zu erteilen, auch wenn diese die Anforderungen in der Leistungsgruppe nicht erfüllen, nicht ausreichten. Langfristige Ausnahmen müssten möglich sein, um gegebenenfalls die Versorgung vor Ort gewährleisten zu können. Auch die künftige Rolle des Medizinischen Dienstes bei der Prüfung, ob die Vorgaben zu den Leistungsgruppen an den Krankenhäusern eingehalten werden, ist strittig. Die Länder wollen eine Berichterstattung an die Krankenhausplanungsbehörden der Länder, da diese aufgrund ihrer Planungshoheit weder an ein positives Gutachten (die Zuweisung der Leistungsgruppe an ein Krankenhaus erfolgt nur bei Bedarfsnotwendigkeit) noch an ein negatives Gutachten (Möglichkeit der Erteilung einer Ausnahme zur Sicherstellung der Versorgung) gebunden seien. Zudem bemängeln die Länder die ihrer Ansicht nach im Arbeitsentwurf zum KHVVG nur unzureichend vorgesehenen Möglichkeiten für sektorenübergreifende Versorger zur Erbringung ambulanter Leistungen.

Dass sich die Bundesländer im Gesetzgebungsprozess mit vielen Ausnahmeregelungen durchsetzen und die Reform zulasten der Versorgungsqualität verwässern werden, ist dagegen die Befürchtung der Krankenkassen. Auch sind diese besorgt, dass sich das Reformprojekt immer mehr von der ursprünglich vorgesehenen kostenneutralen Umsetzung entfernt. 

Ärztliche Personalkosten abbilden

Von ärztlicher Seite gibt es insbesondere Bedenken hinsichtlich der Berücksichtigung der ärztlichen Personalkosten. Bei der Entscheidung, welche Leistungsgruppen einem Krankenhaus zugewiesen werden, sollten bedarfsgerechte Personalvorgaben herangezogen werden, fordert der Marburger Bund. Hierzu eigne sich das ärztliche Personalbemessungsinstrument der Bundesärztekammer, das als verbindlicher Qualitätsparameter in die Reform aufgenommen werden solle. Entsprechend positionierte sich auch die Kammerversammlung der Ärztekammer Nordrhein. Wie die Pflegekosten sollten auch die ärztlichen Personalkosten vollständig in die Vorhaltefinanzierung aufgenommen werden, wobei eine Vergütung nach den geltenden Tarifverträgen zugrunde zu legen sei, forderten die Delegierten.

Wie das zentrale Reformprojekt im Gesundheitswesen nun inhaltlich weiter ausgefüllt wird, ist derzeit noch ungewiss. Aus dem Bundesgesundheitsministerium heißt es, die weiteren Arbeitsschritte bis März 2023 seien abhängig von den Ergebnissen der weiteren Abstimmungen zwischen Bund, Ländern und Koalitionsfraktionen. Insbesondere hinsichtlich der Ausgestaltung der sektorenübergreifenden Versorgungseinrichtungen, der sogenannten Level Ii-Krankenhäuser, für die wohnortnahe medizinische Versorgung scheinen noch viele Fragen offen. Hier bleibt aus Sicht der Länder der KHVVG-Arbeitsentwurf weit hinter dem zurück, was sie sich als Instrumentarium für größtmögliche Handlungsspielräume auf Länderebene versprochen hätten.