Der Beschluss des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 29. Mai 2024 (Az. I ZR 159/23) hat für Rechtsklarheit in Fällen der lange umstrittenen Werbung für ärztliche Leistungen mit Vorher-Nachher-Bildern gesorgt. Demnach fällt die Werbung für ästhetische Hautunterspritzungen unter das Werbeverbot nach § 11 Abs. 1 S. 3 Nr. 1 Heilmittelwerbegesetz (HWG).
von Katharina Eibl und Dirk Schulenburg
Schon lange ist das Werben mit Vorher-Nachher-Bildern für „operative plastisch-chirurgische Eingriffe zur Veränderung des menschlichen Körpers ohne medizinische Notwendigkeit“ (§ 1 Abs. 1 Nr. 2 c HWG), besser bekannt als Schönheitsoperationen, verboten (§ 11 Abs. 1 S. 3 Nr. 1). Darunter fallen unstreitig die klassischen Eingriffe wie zum Beispiel die Nasen-, oder Brust-OP. Nun entschied der BGH, dass auch Hautunterspritzungen unter das Werbeverbot fallen. Das Gericht bestätigte durch die Zurückweisung einer Nichtzulassungsbeschwerde die Auffassung des Oberlandesgerichts (OLG) Köln (Urteil vom 27. Oktober 2023, Az. 6 U 77/23).
Lockerung des Werbeverbots 2012
Durch eine Änderung des HWG im Jahr 2012 kam es zu einer Lockerung des bis dahin geltenden grundsätzlichen Verbots der Heilmittelwerbung mit Vorher-Nachher-Bildern. Nunmehr war nur noch eine „bildliche Darstellung, die Veränderungen des menschlichen Körpers aufgrund von Krankheiten oder Schädigungen oder die Wirkung eines Arzneimittels im menschlichen Körper oder in Körperteilen verwendet“, verboten, wenn sie „in missbräuchlicher, abstoßender oder irreführender Weise“ geschieht (§ 11 Abs. 1 Nr. 5 HWG). Ausgenommen von dieser Liberalisierung blieben allerdings operative plastisch-chirurgische Eingriffe ohne medizinische Notwendigkeit, für die die Werbung nach wie vor verboten blieb. Nach dem Willen des Gesetzgebers sollten keine Anreize für medizinisch nicht notwendige, gleichwohl aber mit Risiken behaftete Verfahren geschaffen werden. Fraglich blieb allerdings, ob auch Faltenbehandlungen unter dieses Verbot fallen.
Klage der Wettbewerbszentrale
Im vorliegenden Fall hatte der Verein zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs e.V. gegen eine Gemeinschaftspraxis geklagt, die auf ihrer Homepage mit Vorher-Nach-her-Bildern für Hautunterspritzungen mit Hyaluronsäure für ästhetische Zwecke warb. Die Werbung fiel nach Ansicht der Wettbewerbshüter unter das Verbot, operative plastisch-chirurgische Eingriffe mit Vorher-Nachher-Bildern zu bewerben. Die Ärzte argumentierten hingegen, das Verbot erfasse nur Eingriffe von erheblicher Invasivität, wie sie bei den klassischen schönheitschirurgischen Eingriffen vorlägen.
Der BGH bestätigte nun ein Urteil des OLG Köln, welches in der Werbung einen Verstoß gegen § 11 Abs. 1 S. 3 Nr. 1 HWG sah. Die Unterspritzung der Haut mit sogenannten „Fillern“, stelle einen operativen plastisch-chirurgischen Eingriff dar. Begründet wurde diese Entscheidung insbesondere mit dem Schutzzweck des Heilmittelwerbegesetzes. Zwar lasse der Begriff des operativen plastisch-chirurgischen Eingriffs offen, welche Eingriffe genau darunterfielen. Das Verbot sei aber zum Schutz der Verbraucher notwendig und angemessen, denn es solle kein Anreiz gesetzt werden, medizinisch nicht notwendige Eingriffe vorzunehmen, die mit erheblichen gesundheitlichen Risiken verbunden seien. Um diesen Schutz so umfassend wie möglich zu gestalten, solle auch der Anwendungsbereich möglichst weit sein.
Definition des „operativen Eingriffs“
Bei einem operativen Eingriff kommt es nach Ansicht der Richter gerade nicht darauf an, ob der Körper mithilfe eines chirurgischen Werkzeugs geöffnet werden muss. Ein operativer Eingriff sei schon dann gegeben, wenn ein instrumenteller Eingriff, wie zum Beispiel durch eine Kanüle am oder im Körper des Menschen erfolgt, der eine Form- oder Gestaltveränderung an den Organen oder der Körperoberfläche zur Folge hat.
Mit dieser Entscheidung folgt das Gericht der Auffassung des Oberverwaltungsgerichts (OVG) Münster (Beschluss vom 28. April 2006, Az. 13 A 2495/03; keine Faltenunterspritzung durch Kosmetikerinnen), wonach das Injizieren des Füllmaterials in die Haut neben dem allgemeinen medizinischen Wissen bei der Verabreichung von Injektionen zusätzlich Kenntnisse über den Aufbau der Hautschichten und den Verlauf von Blutgefäßen, Nervenbahnen und Muskelsträngen erfordert. Ferner setze eine adäquate Behandlung von Patienten die Fähigkeit voraus, Diagnosen zu stellen und korrekte Behandlungsmöglichkeiten zu erkennen. Dass es sich bei Hautunterspritzungen um minimalinvasive Eingriffe handele, die nur eine zeitlich begrenzte Wirkung erzielten, stehe einem operativen Eingriff nicht entgegen. Ausschlaggebend sei, so das Gericht, eben nicht das Ausmaß der Invasivität, sondern das mit dem Eingriff verbundene gesundheitliche Risiko. Auch bei minimalinvasiven Eingriffen könnten die gesundheitlichen Auswirkungen durch Verletzungen von Nerven oder Blutgefäßen schwerwiegend sein und langwierige Folgen nach sich ziehen.
Selbst die Abbildung von Kunstfiguren, sogenannten Avataren, ist unzulässig (OLG Koblenz, Urteil vom 23. April 2024, Az. 9 U 1097/23, nicht rechtskräftig). Der Umstand, dass für die sichtbare Veränderung durch die Behandlung nicht mit Lichtbildern, sondern mittels einer grafischen Darstellung geworben werde, rechtfertige keine andere Bewertung.
Fazit
Eine Beschränkung des Begriffs „operativ“ auf solche Eingriffe, die mit einer Öffnung der Körperoberfläche einhergehen, entspricht nicht dem Schutzzweck des Heilmittelwerbegesetzes und würde den Anwendungsbereich zulasten der Patienten einengen. Jeder form- oder gestaltverändernde instrumentelle Eingriff ist durch das Werbeverbot des HWG erfasst und darf dementsprechend nicht mit Vorher-Nachher-Bildern beworben werden.
Dr. iur. Dirk Schulenburg, MBA, MHMM, ist Justiziar der Ärztekammer Nordrhein und Katharina Eibl, Fachanwältin für Medizinrecht, ist Referentin der Rechtsabteilung.