Können Physician Assistants (PA) dafür sorgen, dass Ärztinnen und Ärzte wieder mehr Zeit für ihre Patienten haben? Welche Voraussetzungen müssen dafür geschaffen werden? Bei der Veranstaltung „Zukunft gestalten: Physician Assistants in der ambulanten Praxis“ im Haus der Ärzteschaft im Oktober ging es um genau solche Fragen. Die Kassenärztliche Vereinigung Nordrhein (KVNO) hatte dazu Vertreter der AOK Rheinland Hamburg, der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), der EU | FH in Berlin sowie der Deutschen Gesellschaft für Physician Assistants (DGPA) e. V. nach Düsseldorf eingeladen. Es wurde nicht nur kontrovers diskutiert, sondern auch der Grundstein für den gemeinsamen Weg gelegt: Anfang 2025 startet das KVNO-Modellprojekt „Physician Assistant“.
von Jana Meyer
Der Balken zur Aussage „verbessert sich“ schnellt sofort in die Höhe und überragt die beiden anderen Abstimmmöglichkeiten mehr als deutlich. Ein klares Ergebnis: Mehr als 90 Prozent der Teilnehmenden beantworten die Frage „Wie verändert sich die Versorgung durch den Einsatz von PAs?“ positiv. Nina Hammes, Geschäftsführerin und Justiziarin der KVNO, startet mit einer Live-Umfrage in die hauseigene Veranstaltung – und liefert mit der Frage „PAs: lang ersehnte Hoffnung — oder eher Konkurrenz?“ den perfekten Einstieg in eine kontroverse Podiumsdiskussion.
Was sind Physician Assistants?
Physician Assistants (PA) sind speziell ausgebildete medizinische Fachkräfte, die eng mit Ärztinnen und Ärzten im Sinne der Delegation zusammenarbeiten. Die Ausbildung zum Physician Assistant erfolgt in Deutschland in der Regel über ein Bachelor-Studium, welches mindestens sechs Semester dauert und sich oft an Personen richtet, die bereits eine abgeschlossene Ausbildung in einemGesundheitsberuf haben. Die Ausbildung umfasst theoretische und praktische Inhalte aus der Medizin, etwa Anatomie, Physiologie, Krankheitslehre, Pharmakologie und Diagnostik. Praktische Phasen in medizinischen Einrichtungen sind ein wesentlicher Bestandteil der Ausbildung.
Nach dem Studium führen PAs nicht eigenständig Behandlungen durch, sondern arbeiten stets unter ärztlicher Supervision. In der ambulanten Praxis unterstützen sie Ärztinnen und Ärzte bei einer Vielzahl von Aufgaben. Ihre genauen Tätigkeiten hängen von der jeweiligen Praxis ab, können aber folgende Aufgaben umfassen: Durchführung vorbereitender Untersuchungen, Unterstützung bei der Behandlung monosymptomatischer Erkrankungen, Mitwirkung bei Beratung und Aufklärung von Patientinnen und Patienten. Physician Assistants können auch gut eingestellte chronisch Kranke im Rahmen der Disease-Management-Programme betreuen und bei Pflegeheimbesuchen unterstützen. Wichtig ist, dass der anstellende Arzt oder die anstellende Ärztin entscheidet, ob und an wen eine Leistung delegiert wird. PAs arbeiten immer unter ärztlicher Anleitung und Verantwortung.
Alle Informationen zum Thema gibt es unter www.kvno.de/pa
Anstoß für Innovationen
Warum eine Veranstaltung zu diesem Thema? Die KVNO wollte damit erstmals alle wesentlichen Akteure zum Thema PA zusammenbringen, um in einen konstruktiven Austausch zu gehen und sich gemeinsam auf den Weg zu machen. Denn für 2025 soll ein neues Modellvorhaben zum Thema Physician Assistant im Rheinland starten. „Wir sind als KV Nordrhein zu dem Schluss gekommen, dass es viele gute Gründe gibt, PAs in Praxen zu integrieren. Dazu stoßen wir gern innovative Projekte an“, sagte KVNO-Chef Dr. Frank Bergmann in seiner Begrüßungsrede. Konkret geht es bei dem Vorhaben darum, Erfahrungen zu sammeln und Erkenntnisse zu gewinnen: Was funktioniert? Was nicht? Dass das Interesse groß ist, belegt die Teilnehmerzahl während der Hybrid-Veranstaltung: Gut 70 Zuhörende waren nach Düsseldorf gekommen, etwa 200 schalteten sich online zu. Auch eine KVNO-Umfrage zum Thema PA belegt, dass die nordrheinische Ärzteschaft Potenzial in diesem neuen Berufsbild sieht.
„Es ist in anderen Ländern gelungen, PAs im ambulanten System erfolgreich zu integrieren. Warum sollte es in Deutschland nicht gelingen?“, lautete Matthias Mohrmanns eher rhetorische Frage. Der stellvertretende Vorstandsvorsitzende der AOK Rheinland/Hamburg hegte ebenso wenig Zweifel wie Dr. Carsten König. „PA werden ihren Platz in der Praxis finden“, war sich der KVNO-Vize sicher. Dem erfahrenen Düsseldorfer Hausarzt fielen sofort mehrere Einsatzmöglichkeiten ein. Allein das gesamte Impfmanagement während der Coronazeit hätte mithilfe von PAs viel besser gestemmt werden können.
Bestärkt wurden König und Mohrmann von Daria Hunfeld. Die Vorstandsvorsitzende des DGPA e. V. brachte ein konkretes Beispiel aus ihrem Arbeitsalltag in der Klinik ein: „PAs unterstützen bei der Einarbeitung von Weiterbildungsassistenten, sodass diese schneller im OP arbeiten können. Damit entlasten wir zum Beispiel die Oberärztinnen und -ärzte.“ Aber auch für die ambulante Praxis nannte Hunfeld Leistungen, die PAs übernehmen können: die Diagnostik monosymptomatischer Krankheitsbilder wie Halsschmerzen, die Versorgung akuter Wunden, die Vorsorgeuntersuchung ab 35 Jahre. Durch PAs gelinge es, mehr Patientenkontakte herzustellen, die Wartezeit zu minimieren und darüber hinaus die Patientenzufriedenheit zu erhöhen, ebenso wie die Zufriedenheit der Ärztinnen und Ärzte. „Wir sind keine Ärzte light. Wir arbeiten im Feedback-System mit ihnen. Es geht um Delegation und nicht um Substitution“, betonte sie. Professorin Dr. Katharina Larisch ist bestens mit den Inhalten des PA-Studiums vertraut: Sie leitet den entsprechenden Studiengang an der EU | FH in Berlin. Die Studierenden lernten dort, fokussiert zu untersuchen, eine Anamnese durchzuführen, zu erkennen, was die Norm und was eine Normvariante sei. Alles sehr praxisnah. „Der Fächerkanon ist ähnlich dem Medizinstudium – in der Breite, nicht in der Tiefe“, betonte sie.
Der zweifelnde Blick von Dr. Andreas Gassen während der Wortbeiträge von Hunfeld und Larisch war nicht zu übersehen. „Im richtigen Setting funktioniert der Einsatz von PA, insbesondere in Kliniken, in ambulanten Praxen, glaube ich, eher weniger. Physician Assistants werden nicht die Lösung all unserer Probleme sein“, gab der KBV-Vorstandsvorsitzende sich kritisch. Bergmann relativierte diese Aussage und konterte, es sei bereits ein Schritt in die richtige Richtung, wenn Ärztinnen und Ärzte mithilfe von PAs mehr Zeit für ihre Patientinnen und Patienten hätten. „Sie sind ein Mosaikstein, um Versorgung besser zu machen“, so der KVNO-Chef. Sieht Matthias Mohrmann mögliche Akzeptanzprobleme seitens der Versicherten? „Solange die Patientinnen und Patienten kompetente Hilfe bekommen, sind sie zufrieden. Und sie dürfen auch sehen, dass die Praxis als Team agiert, dessen Teil PAs sind“, erklärte Mohrmann.
Budgetierung muss fallen
Bei allem Für und Wider hat eine entscheidende Frage jede Menge Gewicht: Wie können PAs in den Praxen überhaupt finanziert werden? Für Andreas Gassen gab es darauf nur eine Antwort: durch Entbudgetierung. „Im budgetierten System ist es aus meiner Sicht Unfug, über zusätzliche personelle Aufrüstung und Höherqualifizierung zu reden“, machte der KBV-Chef deutlich. In dieser Sache war Frank Bergmann ganz an der Seite Gassens: Es brauche kein neues Vergütungssystem, um PAs in den Praxen einzustellen. „Ein paar Bollwerke müssen fallen, unter anderem die Budgetgrenze. Nur damit schaffen wir Anreize für Praxen, sich umzustrukturieren und im Sinne einer Teampraxis neu aufzustellen“, betonte der KVNO-Vorstandsvorsitzende. Aus Sicht des Kassenvertreters gab es dazu – wenig überraschend – ein klares Nein. Dass Praxen finanziellen Ansporn bräuchten, stimmt laut Mohrmann. „Ich würde das aber nicht mit einer Entbudgetierung koppeln“, sagte er. „Das riecht nach Sparmodell, Herr Mohrmann“, echauffierte sich Frank Bergmann. „Man muss die Budgetierung aus vielen Gründen aufheben – PAs sind einer davon.“
Eine Stellschraube, an der sich leichter drehen lässt, sind einheitliche Standards bezüglich des Berufsbildes PA. Die gibt es nämlich bisher nicht. Dass eine Regulation dringend nötig ist – in Form bundeseinheitlicher Curricula, Abschlussprüfungen und vorgeschriebener Fortbildungspunkte –, einte die Runde auf der Bühne. Aktuell arbeitet der DGPA gemeinsam mit Bundesärztekammer (BÄK) und KBV an einer Weiterentwicklung eines Positionspapiers, dessen ersten Entwurf BÄK und KBV 2017 veröffentlicht hatten. Frank Bergmann kommentierte das Vorhaben mit einem deutlichen „Ja, aber“ und stellte zur Debatte: „Müssen wir nicht erst Erfahrungen sammeln und auf Basis des Modellprojekts überlegen, welche Anforderungen sich für die Praxis ergeben?“ Ansonsten sei die Gefahr eines Schnellschusses mit festgelegter Regulatorik durch top-down groß. „Wir müssen das inhaltlich intensiver diskutieren“, mahnte der KVNO-Chef. Mohrmann pflichtete ihm bei, dass die reine Theorie wenig nütze. Katharina Larisch sah auch die Fachgesellschaften in der Verantwortung: „Sie sollten sich damit auseinandersetzen, welche Leistungen PAs erbringen können, um eine rechtssichere Delegation zu ermöglichen.“ Apropos Haftung – ein wichtiges Stichwort: Die Verantwortung liege am Ende weiterhin beim Arzt.
Modellprojekt PA der KV Nordrhein
Die KV Nordrhein setzt auf eine innovative Gesundheitsversorgung. Um diese voranzutreiben, initiiert sie immer wieder Modellvorhaben. 2025 startet das Projekt „Physician Assistants in der ambulanten Praxis“, anhand dessen die KVNO erproben will, ob PAs in den Praxen eine Lösung für die zunehmend sinkende Behandlungszeit sein können. Außerdem will sie Antworten auf strukturelle Fragen im Zusammenhang mit dem Einsatz von PAs im ambulanten System finden. Das Modellprojekt umfasst folgende
Bestandteile
- Erkenntnisgewinn: Durch Befragungen haus- und fachärztlicher Praxen mit PA-Erfahrung will die KV Nordrhein Einblicke in die Zusammenarbeit und die Herausforderungen bei der Integration von PAs gewinnen.
- Intervention: Im Rahmen des Projekts will die KVNO Haus- und Facharztpraxen mit PAs zusammenbringen. Ziel ist es, Einblicke in die Entwicklung einer Teampraxis zu gewinnen und Best-Practice-Ansätze herauszuarbeiten.
- Verstetigung: Um den PA-Nachwuchs für die ambulante Versorgung zu gewinnen, plant die KVNO, PAs in der Praxisphase ihres Studiums mit nordrheinischen Praxen zusammenzuführen. Sie will dadurch Transparenz und mehr Erfahrung in die ambulante Versorgung bringen, was langfristig zu einer besseren Integration von PAs führen soll.
Projektziele
- Nachhaltige Finanzierung und Entwicklung eines Konzepts für einen „Teampraxiszuschlag“
- Mehr Sicherheit bezüglich der Delegation von Aufgaben und Haftungsfragen
- Mehr PAs für den ambulanten Bereich gewinnen und den Teampraxisgedanken fördern
- Potenzial von PAs zur Sicherstellung der Patientenversorgung aktiv nutzen
Was sind Physician Assistants?
Physician Assistants (PA) sind speziell ausgebildete medizinische Fachkräfte, die eng mit Ärztinnen und Ärzten im Sinne der Delegation zusammenarbeiten. Die Ausbildung zum Physician Assistant erfolgt in Deutschland in der Regel über ein Bachelor-Studium, welches mindestens sechs Semester dauert und sich oft an Personen richtet, die bereits eine abgeschlossene Ausbildung in einemGesundheitsberuf haben. Die Ausbildung umfasst theoretische und praktische Inhalte aus der Medizin, etwa Anatomie, Physiologie, Krankheitslehre, Pharmakologie und Diagnostik. Praktische Phasen in medizinischen Einrichtungen sind ein wesentlicher Bestandteil der Ausbildung.
Nach dem Studium führen PAs nicht eigenständig Behandlungen durch, sondern arbeiten stets unter ärztlicher Supervision. In der ambulanten Praxis unterstützen sie Ärztinnen und Ärzte bei einer Vielzahl von Aufgaben. Ihre genauen Tätigkeiten hängen von der jeweiligen Praxis ab, können aber folgende Aufgaben umfassen: Durchführung vorbereitender Untersuchungen, Unterstützung bei der Behandlung monosymptomatischer Erkrankungen, Mitwirkung bei Beratung und Aufklärung von Patientinnen und Patienten. Physician Assistants können auch gut eingestellte chronisch Kranke im Rahmen der Disease-Management-Programme betreuen und bei Pflegeheimbesuchen unterstützen. Wichtig ist, dass der anstellende Arzt oder die anstellende Ärztin entscheidet, ob und an wen eine Leistung delegiert wird. PAs arbeiten immer unter ärztlicher Anleitung und Verantwortung.
Alle Informationen zum Thema gibt es unter www.kvno.de/pa