Vorlesen
Gesundheits- und Sozialpolitik

Im Rückblick durch das Jahr 2024

26.11.2024 Seite 24
RAE Ausgabe 12/2024

Rheinisches Ärzteblatt

Heft 12/2024

Seite 24

Das Jahr neigt sich dem Ende zu – Zeit also für einen Rückblick auf Themen aus der Gesundheitspolitik und der ärztlichen Selbstverwaltung in Nordrhein, die den Diskurs in den vergangenen Monaten bestimmt haben. 

von Thomas Gerst
 

Kammerwahl: neue Führung

Die Ärztinnen und Ärzte in Nordrhein haben im Juni ein neues Parlament gewählt und damit die Weichen für die ärztliche Selbstverwaltung in den nächsten fünf Jahren gestellt. An der Wahl der 121 Mitglieder der Kammerversammlung und der Vorstände der 27 Kreisstellen beteiligten sich 42,7 Prozent der wahlberechtigten Ärztinnen und Ärzte. Die Wahlbeteiligung blieb im Vergleich zu den Wahlen im Jahr 2019 (43,8 Prozent) nahezu konstant. Auf der konstituierenden Kammerversammlung am 31. August wurde Dr. Sven Dreyer (Marburger Bund, Foto rechts), Anästhesist und Notfallmediziner am Universitätsklinikum Düsseldorf, zum neuen Präsidenten der Ärztekammer Nordrhein gewählt. Nach 13 Jahren im Amt des Kammerpräsidenten trat Rudolf Henke nicht mehr zur Wiederwahl an. Als neuen Vizepräsidenten wählte die Kammerversammlung Dr. Arndt Berson (Vox Med), Hausarzt in Kempen.  
 

Gewalt gegen Gesundheitsberufe

Auch in Nordrhein wurde das Thema Gewalt gegen Ärzte und andere Gesundheitsberufe in Krankenhäusern und Praxen im Laufe des Jahres 2024 zunehmend öffentlich wahrgenommen. Das lag an einzelnen Vorfällen, die in den Blickpunkt medialer Berichterstattung gerieten, aber auch an den Ergebnissen von Umfragen in Krankenhäusern und Arztpraxen. Diese zeigten, dass sich das Gewaltproblem in den vergangenen fünf Jahren deutlich verschärft hat. So wurde beispielsweise fast jeder zweite Befragte in Arztpraxen in diesem Zeitraum mindestens einmal von einem Patienten körperlich angegriffen. Beschimpfungen, Beleidigungen und Bedrohungen haben in allen Gesundheitseinrichtungen deutlich zugenommen. Der Vizepräsident der Ärztekammer Nordrhein, Dr. Arndt Berson, wies auch auf den gesamtgesellschaftlichen Schaden hin, der entsteht, wenn Angehörige der Gesundheitsberufe den Job verlassen oder ihr Tätigkeitsspektrum einschränken, weil sie Angst vor Übergriffen haben. 
 

Krankenhausreform

Die in Nordrhein-Westfalen vorangetriebene Krankenhausreform steht weiterhin im Mittelpunkt der gesundheitspolitischen Diskussion. NRW gibt hier auch Inhalte und Tempo vor für die mit dem Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz auf Bundesebene angestrebte Reform. 
Die Neuordnung der Krankenhauslandschaft in NRW ist fast im Plan, allerdings will NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann den Krankenhäusern etwas mehr Zeit geben, um den vom Ministerium vorgegebenen Umbau des Leistungsangebots in die Wege leiten zu können. Die Reform soll nun drei Monate später als geplant zum 1. April 2025 in Kraft treten.

Die endgültigen Feststellungsbescheide an die Krankenhäuser werden gegen Ende Dezember 2024 ergehen, sodass kaum mehr Zeit für die Einhaltung der ursprünglich vorgesehenen Frist geblieben wäre. Eine Übergangsfrist bis Ende 2025 für einige Leistungsgruppen soll zudem gewährleisten, dass es durch den erforderlichen Ab- oder Neuaufbau von Abteilungen nicht zu Versorgungsengpässen kommt. Die Ärztekammer, die von Beginn an in die Planung der Krankenhausreform eingebunden war, bewertet die Entwicklung auf Landesebene positiv. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach solle die Krankenhausplanung in NRW als Vorbild für die von ihm vorangetriebene Reform auf Bundesebene nutzen, erklärte Dr. Sven Dreyer, Präsident der Ärztekammer Nordrhein. Der Gesetzentwurf aus dem Gesundheitsministerium enge den Spielraum der Länder zu sehr ein. Die Ärztekammer Nordrhein wird angesichts der vorgesehenen Spezialisierung von Krankenhäusern, die demnächst nicht mehr das gesamte Leistungsspektrum für eine fachärztliche Weiterbildung anbieten können, in der Verantwortung stehen, Ärztinnen und Ärzten eine Weiterbildung ohne häufige Stellen- und Wohnortwechsel zu ermöglichen. 
 

Cannabisgesetz

Lange Zeit gestritten wurde über das Cannabisgesetz, das im Juni 2024 in Kraft trat und mit dem die strafrechtliche Sanktionierung des Cannabiskonsums unter bestimmten Voraussetzungen abgeschafft wurde. Von der Ärzteschaft vorgebrachte Bedenken gegen die Freigabe des Cannabiskonsums blieben ohne Wirkung. Auch die Kammerversammlung der Ärztekammer Nordrhein wandte sich im März 2024 mit einer Entschließung gegen das Cannabisgesetz, weil damit eine gefährliche Droge verharmlost werde. Für den Fall der Legalisierung wurden Aufklärungsprogramme gefordert, die über die Risiken des Cannabisgebrauchs informieren.

Bedingt durch vielerlei Auflagen geht die Genehmigung von Cannabis-Clubs, denen der Anbau von Cannabispflanzen zum Eigenkonsum gestattet ist, durch die NRW-Bezirksregierungen in der zweiten Jahreshälfte nur schleppend voran. Anfang November lagen der Bezirksregierung Düsseldorf 31 Anträge, der Bezirksregierung Köln 25 Anträge für Cannabis-Anbau vor; kein Antrag wurde bis dahin von den beiden Bezirksregierungen genehmigt. Für ganz NRW gab es bis zu diesem Zeitpunkt sieben Genehmigungen. 
Dagegen scheint die Zahl der privatärztlichen Verordnungen von Cannabisblüten, nachdem deren Verschreibung nicht mehr unter das Betäubungsmittelrecht fällt, rapide zuzunehmen. Internet-Anbieter sorgen für die problemlose Bereitstellung von ärztlich verordnetem Cannabis und bewegen sich damit in einer Grauzone.
 

Evaluation der Weiterbildung

Die von der Ärztekammer Nordrhein durchgeführte Befragung von Ärztinnen und Ärzten zu ihren Weiterbildungsbedingungen wies auf Defizite in der Organisation der Weiterbildung hin, auch wenn zu berücksichtigen ist, dass sich mit 1.232 Ärztinnen und Ärzte lediglich knapp elf Prozent der angeschriebenen Weiterzubildenden an der Evaluation beteiligten. Von diesen würde nur etwas mehr als die Hälfte (54 Prozent) ihre Weiterbildungsstätte weiterempfehlen. Lediglich rund die Hälfte der Befragten gab an, einmal pro Jahr ein Weiterbildungsgespräch zu führen. Viele vermissten die strukturierte Vermittlung kommunikativer oder psychosomatischer Kompetenzen (52 Prozent) oder der Inhalte von Weiterbildungs- und Berufsordnung sowie von sozialrechtlichen Regelungen (56 Prozent). Mit einer intensiveren Schulung der Weiterbildungsbefugten will die Ärztekammer Nordrhein auf eine qualitativ bessere Weiterbildung hinwirken. 
 

Landarztquote NRW

Fünf Jahre nach Einführung der Landarztquote zum Wintersemester 2019/2020 zog NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann zusammen mit den beteiligten Partnern aus dem Gesundheitswesen eine positive Bilanz. Über die Quote werden in NRW pro Jahr rund 180 Studienplätze an Bewerberinnen und Bewerber vergeben, die sich verpflichten, nach ihrer Facharztweiterbildung zehn Jahre lang als Hausärztin oder Hausarzt in einer unterversorgten Region zu arbeiten. Die ersten Studierenden im Rahmen der Landarztquote werden im Wintersemester 2025/26 ihr Studium abschließen und mit der allgemeinmedizinischen Weiterbildung beginnen. Aktuell studieren in NRW rund 950 Frauen und Männer im Rahmen der Landarztquote Medizin.
 

Suizidprävention 

Dem Auftrag des Bundestages, bis zur Jahresmitte 2024 einen Gesetzentwurf zur Suizidprävention vorzulegen, ist der Bundesgesundheitsminister bisher nicht nachgekommen. „Die Suizidzahlen in Deutschland untermauern den dringenden Bedarf für eine wirksame Präventionsstrategie“, hatte der damalige Präsident der Ärztekammer Nordrhein, Rudolf Henke, bei der Kammerversammlung am 2. März 2024 in Wuppertal ausgeführt. Vor dem Hintergrund zunehmender Suizidzahlen sei es unverständlich, dass aktuell selbst bestehende Präventionsangebote in ihrer Finanzierung gefährdet seien. „Nur durch eine gesetzliche Verankerung erhält die Suizidprävention die notwendige Absicherung und Dauerhaftigkeit“, stellten auch die Delegierten auf dem 128. Deutschen Ärztetag in Mainz fest. Vorgestellt wurde vom Bundesgesundheitsminister bis jetzt lediglich ein Strategiepapier zur Umsetzung von Maßnahmen zur Suizidprävention. Der Gesetzentwurf lässt weiter auf sich warten.
 

Entbudgetierung 

Eine Entbudgetierung aller fachärztlich erbrachten EBM-Leistungen, wie sie die Kammerversammlung im März gefordert hatte, steht derzeit nicht auf der gesundheitspolitischen Agenda. Das Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetz, mit dem die Entbudgetierung hausärztlicher Leistungen umgesetzt und insgesamt der Zugang zu hausärztlichen Leistungen verbessert werden soll, wurde im Sommer nach 1. Lesung im Bundestag zur weiteren Beratung in die Ausschüsse überwiesen. Nach dem Aus der Ampel-Koalition wird dieses Gesetzesvorhaben wohl kaum noch vor den Neuwahlen im Februar verabschiedet werden. 
 

Ärztekammer Nordrhein veröffentlicht Jahresbericht 2024 

Mitte November hat die Ärztekammer Nordrhein ihren Jahresbericht 2024 vorgelegt. Auf über 60 Seiten zeigt er das breite Aufgabenspektrum, das die Kammer mit ihren rund 270 hauptamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sowie den zahlreichen ehrenamtlich tätigen Ärztinnen und Ärzten für ihre knapp 70.000 Mitglieder und die Öffentlichkeit in Nordrhein wahrnimmt.

Wichtigstes internes Ereignis im Berichtszeitraum 2023/24 war die Wahl des Ärzteparlaments und des neuen Präsidiums. Im gesundheitspolitischen Fokus stand die Krankenhausreform. Daneben informiert der Jahresbericht über die Arbeit der Ausschüsse und Kommissionen, die bei der Kammer angesiedelt sind und zum Teil gesetzlich vorgeschriebene Aufgaben wahrnehmen.      

MST

Eine interaktive PDF-Version des Jahresberichts 2023 kann unter www.aekno.de/jahresbericht heruntergeladen und in der RÄ-App abgerufen werden. In gedruckter Form ist der Jahresbericht bei der Pressestelle der Ärztekammer Nordrhein bestellbar unter Tel: 0211 4302-2011 oder pressestelle(at)aekno.de