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Thema

Zu viele Baustellen

14.03.2024 Seite 12
RAE Ausgabe 4/2024

Rheinisches Ärzteblatt

Heft 4/2024

Seite 12

© Jochen Rolfes
Neun Gesetze hat Bundesgesundheitsminister Professor Dr. Karl Lauterbach allein für dieses Frühjahr angekündigt. Der Stapel an Vorhaben türme sich, bilanzierte der Präsident der Ärztekammer Nordrhein bei der Kammerversammlung am 2. März. Rudolf Henke kritisierte vor allem, dass es bisher in den meisten Fällen bei Ankündigungen geblieben ist. Das gelte insbesondere für die wirklich großen Gesetze wie die Krankenhausfinanzierungsreform.

von Heike Korzilius 

Die letzte Kammerversammlung dieser Legislaturperiode fand nicht, wie üblich, im Düsseldorfer Haus der Ärzteschaft statt. Wegen Umbauarbeiten waren die 121 Abgeordneten in die Wuppertaler Stadthalle ausgewichen: wilhelminische Pracht statt moderner Funktionalität. Doch während die Bauarbeiten im Haus der Ärzteschaft nach Plan verlaufen, stockt es auf den größten Baustellen im Gesundheitswesen. „Wir kommen mit dem jetzigen System an unsere Grenzen und das bedeutet letztendlich, dass wir unsere Patientinnen und Patienten nicht mehr so versorgen können, wie wir es wünschen und wollen“, lautete die Zustandsbeschreibung des Präsidenten der Ärztekammer Nordrhein, Rudolf Henke. 20 Jahre DRG-Vergütung in den Kliniken, knapp 30 Jahre Budgetierung in der ambulanten Versorgung hätten den Sektoren schweren Schaden zugefügt und die Arbeitsbedingungen dort nachhaltig verändert. 30 Jahre Misstrauenskultur durch die Krankenkassen, die in einer Kontrollbürokratie münde, die zum größten Zeitfresser im Gesundheitswesen geworden sei, Lieferengpässe sowohl bei Medikamenten als auch bei Heil- und Hilfsmitteln, Fachkräftemangel und der demografische Wandel führten zu einer gewaltigen Unzufriedenheit aller Akteure. „Wo ist der Reset-Knopf?“, fragte Henke. Es sei an der Zeit, dass sich Politik und Selbstverwaltung zusammensetzten und ernsthaft überlegten, wie die Finanzierung von Leistungen, ganz gleich ob ambulant oder stationär, fair, auskömmlich, der ärztlichen Verantwortung angemessen und dennoch ohne das Sozialsystem zu gefährden ausgestaltet werden könnten. 
 

iMVZ regulieren

Henkes Forderung, die Budgetierung ambulanter Leistungen abzuschaffen – und zwar für Haus- und Fachärzte –, schlossen sich die Abgeordneten der Kammerversammlung einstimmig, mit nur einer Enthaltung an (siehe Entschließungen, Seite 16). „Wir müssen die Budgetierung hinter uns lassen, denn sie hat eine verheerende Wirkung auf die Selbstwirksamkeit und Motivation und damit auch auf die Niederlassungsbereitschaft der Ärztinnen und Ärzte“, betonte Henke. Flankierend dazu hält der Kammerpräsident die Zeit für reif, die Niederlassungsbeschränkungen, die seit 1993 für Vertragsärztinnen und -ärzte gelten, abzuschaffen, oder sie wenigstens zu modifizieren. Die Bedarfsplanung stamme aus einer Zeit der „Ärzteschwemme“, während man zurzeit einen Arztzeitmangel beklage. Dieser gehe noch dazu einher mit einem wachsenden Einfluss von privaten Investoren in der ambulanten Versorgung. Diese kauften Arztsitze in großer Zahl auf, die dann für den ärztlichen Nachwuchs für immer verloren seien. Denn Sitze von Investoren würden nicht, wie es beim Ausscheiden von Kolleginnen und Kollegen aus Altersgründen üblich sei, weiterverkauft oder fielen an die Kassenärztlichen Vereinigungen zurück. Es müsse deshalb dringend eine Befristung der Kassenzulassung in investorengeführten Medizinischen Versorgungszentren (iMVZ) eingeführt werden, falls es mittelfristig nicht zu einer Aufhebung der Niederlassungssperren komme. „Für junge Ärztinnen und Ärzte muss es einen Weg geben, abseits von einer Anstellung selbstständig tätig zu werden“, forderte Henke unter großem Applaus der Abgeordneten. Der Kammerpräsident räumte jedoch ein, dass die Diskussion über den Wegfall der Bedarfsplanung nicht abschließend auf einer Kammerversammlung geführt werden könne. „Eine Neuordnung ist aber notwendig. Die Ärztekammer Nordrhein sollte das als besondere Aufgabe begreifen“, so Henke. Mit Blick auf die iMVZ verwies er auf Forderungen des Bundesrates und der Bundesärztekammer, diese stärker zu regulieren. Auch Bundesgesundheitsminister Professor Dr. Karl Lauterbach habe sich kritisch zu den iMVZ geäußert. Im inzwischen vorliegenden Referentenentwurf des Versorgungsgesetzes I suche man substanzielle Regelungen dazu allerdings vergebens.
 
Nicht einmal im Stadium des Referentenentwurfs befinde sich die dringend notwendige Reform der Krankenhausfinanzierung. Damit fehle auch eine Grundlage für ernsthafte Diskussionen zwischen Bund und Ländern, kritisierte Henke. Denn eine Neuordnung könne nur gemeinsam gestaltet werden. Eile sei geboten, weil die Kliniken angesichts von Inflation und Tariflohnsteigerungen ansonsten weiterhin in der Luft hingen. „Wir müssen einen kalten Strukturwandel, der direkt zulasten der Patienten und Klinikangestellten geht, vermeiden“, forderte Henke. 
 

Verstoß gegen Länderinteressen

Statt aber dieses wichtige Vorhaben voranzutreiben, liege jetzt mit dem Krankenhaustransparenzgesetz ein Gesetz vor, dass gar nicht vor der damit verknüpften Krankenhausreform hätte verabschiedet werden dürfen, monierte Henke. Dabei sei es von Beginn an nicht darum gegangen, für Patientinnen und Patienten mehr Transparenz über die Qualität der Krankenhausversorgung zu schaffen – diese Daten seien schon jetzt über Portale wie das Deutsche Krankenhausverzeichnis abrufbar. „Hier geht es vornehmlich darum, dass das von der Regierungskommission vorgeschlagene Level-System gegen den Länderwillen durchgedrückt wird, um damit deren Entscheidungsspielraum bei der Krankenhausplanung an entscheidender Stelle einzuschränken“, erklärte Henke. „Indem es den Krankenhäusern die Leistungsgruppen, die der Krankenhausplanungsreform der Länder zugrunde liegen sollen, als Qualitätsparameter zuordnet, nimmt das Gesetz die Krankenhausreform in einem zentralen Punkt vorweg“, warnte er. Damit habe der Bundesgesundheitsminister zugleich sein Versprechen gebrochen, eine Reform nur gemeinsam mit den Ländern auf den Weg zu bringen. 
 

Ungelöst: die Notfallreform

Die Kritik am Krankenhaustransparenzgesetz teilten auch viele Abgeordnete der Kammerversammlung. So erklärte Dr. Jonathan Sorge, Aachen: „Das Krankenhaustransparenzgesetz wird vieles verschlimmbessern.“ Es schaffe nicht nur zusätzliche Bürokratie, sondern berge zusätzlich die Gefahr, dass komplizierte und risikobehaftete Eingriffe an andere Häuser verschoben würden. Derweil gerieten Krankenhäuser der Grundversorgung in existenzielle Finanznöte, weil das Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht umgesetzt werde.
 
Nach wie vor ungelöst sind auch die Probleme in der Notfallversorgung. Die Notaufnahmen der Krankenhäuser klagten weiterhin über eine Fehlinanspruchnahme durch Menschen, die keine echten Notfälle seien, sondern mit dem Gesundheitssystem nicht vertraut oder denen die Wartezeiten auf einen regulären Termin in der Arztpraxis zu lang seien, erklärte Henke. Zwar habe der Bundesgesundheitsminister inzwischen Eckpunkte für eine Reform vorgelegt, die langjährige Forderungen der Ärzteschaft aufgreifen, wie zum Beispiel eine verbindliche Steuerung der Patienten in die für ihre Erkrankung angemessene Versorgungsebene. „Geradezu kontraproduktiv wäre es aber, wenn – wie in den Eckpunkten aus dem Bundesgesundheitsministerium (BMG) vorgesehen – durch eine rund um die Uhr Versorgung mit telemedizinischen Leistungen und Hausbesuchen Parallelangebote zur Regel- und Notfallversorgung geschaffen werden“, sagte Henke. Solche Angebote seien weder medizinisch notwendig, noch könnten sie angesichts des sich verschärfenden Fachkräftemangels umgesetzt werden.
 
Die Kammerversammlung unterstrich diese Einschätzung mit einem Beschluss, in dem sie zugleich eine angemessene Beteiligung der Ärztekammer an der Notfallreform einforderte. Die Abgeordneten sprachen sich zudem für eine separate Finanzierung der Vorhaltekosten des ärztlichen Notdienstes aus. Dessen Strukturen hätten sich mit der Einrichtung von Portalpraxen und Fahrdiensten sowie der Beschäftigung von Ärztinnen und Ärzten im Notdienst derart verändert, dass eine Umlagefinanzierung aus den Honoraren der Vertragsärzte nicht mehr angemessen sei. Die Kammerversammlung forderte den Gesetzgeber darüber hinaus auf, im Notdienst beschäftigte Ärzte von der Sozialversicherungspflicht auszunehmen. 
 

Ablehnung einer Bundes-Ethik-Kommission

Die im Referentenentwurf eines Medizinforschungsgesetzes vorgesehene Bundes-Ethik-Kommission wurde von der Kammerversammlung abgelehnt. Die Delegierten forderten den Bundesgesundheitsminister auf, die Planungen zu deren Errichtung zu beenden. Kritisiert wurde insbesondere, dass die hinreichende Unabhängigkeit der Bundes-Ethik-Kommission im Sinne der Deklaration von Helsinki zum Patientenschutz nicht gewährleistet sei; denn die Kommission soll dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte unterstellt werden und die Mitglieder sollen durch das Ministerium für Gesundheit berufen werden. Die Abgeordneten wandten sich gegen den Aufbau einer überflüssigen Parallelstruktur zu den bei den Ärztekammern bestehenden Ethik-Kommissionen, „die in den letzten Jahren zeitnahe und gewissenhafte sowie wissenschaftlich fundierte Entscheidungen getroffen haben“.

Auch Kammerpräsident Rudolf Henke wies in seiner Rede auf den eindeutigen Bruch im Gesetzentwurf mit der geforderten institutionellen Unabhängigkeit von Ethik-Kommissionen hin. Die Medizinforschung in Deutschland werde nicht durch das bewährte System der nach Landesrecht eingerichteten Ethik-Kommissionen behindert, sondern vielmehr durch erhebliche Funktionsmängel und Anwendungsprobleme des Clinical Trials Information Systems auf EU-Ebene. Hier sei eine Nachbesserung dringend erforderlich. Bereits mit Schreiben vom 21. Februar hatten die Präsidenten der Ärztekammern Nordrhein und Westfalen-Lippe die Landesregierung NRW gebeten, sich „im Sinne einer Stärkung der in den Ländern vorhandenen Strukturen in das Gesetzgebungsverfahren einzubringen und … auf eine Änderung des Gesetzentwurfs hinzuwirken“ (siehe „Medizinforschungsgesetz: Geschenk für die Pharmaindustrie?“, Seite 22).    

tg

Erfolgreicher Start des Kongresses ä23

Mit 720 Teilnehmerinnen und Teilnehmern ist die erste Fortbildungswoche der Ärztlichen Akademie für medizinische Fort- und Weiterbildung in Nordrhein im vergangenen Oktober in Bonn erfolgreich gestartet. Der Kongress ä23 habe damit mehr Ärzte und Medizinische Fachangestellte erreicht als das traditionelle Format auf der Nordseeinsel Norderney, erklärte der Vorsitzende des Fortbildungsausschusses, Professor Dr. Gisbert Knichwitz, bei der Kammerversammlung in Wuppertal. Der ä24 (www.kongress-ae24.de) findet vom 7. bis 12. Oktober erneut im ehemaligen Bundestag in Bonn-Bad Godesberg statt. Unter dem Motto „Gesundheit der Zukunft“ sind Knichwitz zufolge die thematischen Schwerpunkte Klima und Gesundheit, Telemedizin, Künstliche Intelligenz und Digitalisierung. 

Bei den großen Gesetzen stockt es

Notfallversorgung und Krankenhausfinanzierung, vertragsärztliche Honorare, Investoren in der ambulanten Versorgung, Digitalisierung, Bürokratieabbau: Der Stapel an Gesetzesvorhaben aus dem BMG türme sich, bilanzierte Kammerpräsident Henke in Wuppertal. „Tatsächlich reden wir aber immer nur über Referentenentwürfe in unterschiedlichsten Stadien und im Gesetzgebungsverfahren der wirklich großen Gesetze kommen wir nicht voran.“ Bei den Gesetzen, die tatsächlich verabschiedet würden, zeige sich eine Praxisferne, die auch daher rühre, dass mit Expertenkommissionen gesprochen werde statt mit Praktikern. Als Beispiel führte Henke das Cannabisgesetz an, das der Bundestag am 23. Februar mit der Mehrheit der Ampelregierung und der Linken verabschiedete, obwohl Ärztinnen und Ärzte, Lehrer- und Apothekerverbände, Kinder- und Jugendpsychologen, Polizeigewerkschaft und Deutscher Richterbund vor einer Legalisierung gewarnt hatten (siehe „Cannabis legalisiert“, Seite 18).
 
Dagegen lasse die für Ende Januar von einer Mehrheit des Deutschen Bundestages geforderte Strategie zum Ausbau der Suizidprävention weiter auf sich warten, sagte der Kammerpräsident. Dabei untermauerten die aktuellen Suizidzahlen für Deutschland den Bedarf. Im Jahr 2022 nahmen sich bundesweit 10.119 Menschen das Leben, ein Anstieg um 9,8 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Zudem zeigten die Daten des Statistischen Bundesamts, dass fast drei Viertel aller Suizide auf Menschen entfallen, die über 50 Jahre alt sind. „Suizidprävention, gerade im Alter, ist nicht über Hotlines oder Internetkampagnen aufzufangen“, gab Henke zu bedenken. „Suizidprävention im Alter hat sehr viel mit unserem Altersbild, mit Konzepten gegen Einsamkeit und einer gut zugänglichen allgemeinärztlichen, psychiatrisch-psychotherapeutischen und pflegerischen Versorgung vor Ort zu tun.“ Eine solche Prioritätensetzung bei der Gesetzgebung schüre den Verdacht, dass hier weniger sachorientiert und eher ideologisch vorgegangen werde, kritisierte Henke. 

Ende einer Ära

Die Kammerversammlung in Wuppertal brach nicht nur mit der Tradition der Versammlungsorte. Sie markierte auch das Ende einer Ära. Rudolf Henke kündigte an, nach 13 Jahren bei den anstehenden Kammerwahlen nicht mehr für das Präsidentenamt zu kandidieren. Er werde im Juni 70 Jahre alt und wolle sich in Zukunft mehr um die Familie kümmern und bei den Enkeln nachholen, was er bei den eigenen Kindern vielfach verpasst habe, sagte er: „Man soll aufhören, wenn es am Schönsten ist.“
 
Die Reaktionen auf seinen Rückzug fielen quer durch die Fraktionen herzlich aus. Henke sei seit seinem Amtsantritt 2011 Präsident aller Ärztinnen und Ärzte in Nordrhein gewesen, betonte Dr. Sven Dreyer, Düsseldorf. „Er hat uns verlässlich durch eine Zeit harter Bewährungsproben geführt. Es ist nun an uns, ein neues Kapitel aufzuschlagen.“ Henke habe als Kammerpräsident die Ärzteschaft geeint, sagte Dr. Arndt Berson, Viersen. In der vergangenen Legislaturperiode hätten alle Fraktionen in der Kammerversammlung gut zusammengearbeitet: „Das müssen wir fortführen und innerärztliche Solidarität zeigen.“ Dem schloss sich auch Professor Dr. Bernd Bertram, Aachen, an, der zugleich mahnte, dass die Ärzteschaft nicht nachlassen dürfe, sich auch weiterhin für die Freiberuflichkeit und die Niederlassung in eigener Praxis einzusetzen.

Kammerarbeit lohnt sich

Henke selbst warb für eine hohe Wahlbeteiligung bei den anstehenden Kammerwahlen, die vom 24. Mai bis 28. Juni als Briefwahl stattfinden. In vielen Landesärztekammern, die bereits im vergangenen Jahr gewählt hätten, hätten nur um die 30 Prozent der Ärztinnen und Ärzte von ihrem Wahlrecht Gebrauch gemacht. „Dieser Trend ist nicht gut“, sagte der Kammerpräsident. „Ich wünschte mir das für unsere Kammer anders. Ich wünschte, dass wir zeigen könnten, dass uns unser Berufsstand nicht egal ist, dass es sich im Interesse unserer Patientinnen und Patienten lohnt, Kammerarbeit zu betreiben und dass wir das Privileg unserer Freiberuflichkeit und Selbstbestimmung auch durch eine hohe Wahlbeteiligung untermauern können.“
 

Schwerpunktthema 
„Klimawandel und Gesundheit“

Der Klimaschutz ist eine der großen gesellschaftlichen Herausforderungen, der aktuell noch unzureichend begegnet wird. Die Sustainable Development Goals, mit denen die Vereinten Nationen für den Zeitraum von 2016-2030 die Ziele für die weltweite Sicherung einer nachhaltigen Entwicklung definiert hatten, sind bisher nur unzureichend umgesetzt. Professor Dr.-Ing. Manfred Fischedick, Präsident und wissenschaftlicher Geschäftsführer des Wuppertal Instituts für Klima, Umwelt, Energie, zeigte als Gastredner den Delegierten der Kammerversammlung deutlich die Folgen eines lange Zeit ungebremsten Ressourcenverbrauchs. Wenn man das Ziel einer Begrenzung der Klimaerwärmung erreichen wolle, müsste weltweit insbesondere eine drastische Reduzierung der Treibhausgas (THG)-Emissionen umgesetzt werden. Zwar habe es hierbei in Deutschland bereits Fortschritte gegeben, doch klaffe auch hierzulande zwischen der für das Erreichen der Ziele notwendigen Dynamik und der realen Entwicklung noch eine große Lücke, sagte Fischedick. Vorsichtig optimistisch wies er aber auch darauf hin, dass weltweit vermutlich im Jahr 2023 bei den THG bereits der Emissionspeak erreicht worden sei. Die Wettbewerbsfähigkeit der erneuerbaren Energien nehme zudem kontinuierlich zu.

Der Klimawandel ist für das Gesundheitswesen in doppelter Weise relevant. Darauf wies Constanze Schmidt vom Wuppertal Institut in ihrem Koreferat hin. So führe die Hitzebelastung in den Sommermonaten zu einer gesundheitlichen Gefährdung vulnerabler Personengruppen, auf die sich Ärztinnen und Ärzte im Versorgungsalltag einstellen müssten. Die zunehmende UV-Strahlung habe beispielsweise zu einem starken Anstieg bei Hautkrebserkrankungen geführt. Auf der anderen Seite müsse sich das Gesundheitswesen als Verursacher des Klimawandels in die Pflicht genommen sehen, betonte Schmidt. Sie wies auf Berechnungen der Nichtregierungsorganisation „Health Care Without Harm“ hin, wonach die nationalen THG-Emissionen des gesamten Gesundheitssektors ungefähr denen der Stahlindustrie entsprechen. Das Ziel, den ökologischen Fußabdruck des Gesundheitswesens zu reduzieren, sollte in den verschiedensten Bereichen verfolgt werden – so beispielsweise durch den Ersatz besonders schädlicher Narkosegase oder durch die energetische Sanierung bestehender Einrichtungen. Hierfür bedürfe es sowohl des individuellen Engagements der Ärztinnen und Ärzte als auch struktureller Anpassungen in Bezug auf die Regeln im Gesundheitswesen.

Im November 2021 hatte die Kammerversammlung in Selbstverpflichtung beschlossen, dass die Ärztekammer Nordrhein bis zum Jahr 2030 klimaneutral werden soll.   

 tg