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Gesundheits- und Sozialpolitik

Start der ePA muss im Sinne der Praxen erfolgen

14.03.2024 Seite 24
RAE Ausgabe 4/2024

Rheinisches Ärzteblatt

Heft 4/2024

Seite 24

Diskutierten kontrovers über den Start der ePA: (v.l.n.r.) Dr. Thorsten Hagemann (KVNO), Nina Hammes (KVNO), Sebastian Zilch (BMG), Dr. Sibylle Steiner (KBV), Dr. Frank Bergmann (KVNO), Christoph Weinrich (KBV) ©  KVNO/kleine Holthaus
Das nächste Großprojekt der Digitalisierung im Gesundheitswesen, die elektronische Patientenakte (ePA), bewegt aktuell die Ärzte- und Psychotherapeutenschaft. Ab dem 15. Januar 2025 soll sie allen Versicherten zur Verfügung stehen. Bis dahin bleiben viele Fragen. Eines aber steht aus Sicht der Praxen fest: Anders als zuvor muss die Politik diesmal frühzeitig für klare Verhältnisse sorgen und auch die Systemhersteller in die Pflicht nehmen.    

von Thomas Petersdorff 

Geht es nach dem Bundesministerium für Gesundheit (BMG), steht bereits im kommenden Jahr die nächste große digitale Revolution ins Haus: Bis zum 15. Januar 2025 sollen alle gesetzlich Krankenversicherten eine ePA erhalten – es sei denn sie widersprechen. Mit dieser als Opt-out-Regelung bekannt gewordenen Strategie soll die ePA nach Vorstellung des Gesetzgebers nicht nur in die Fläche, sondern vor allem auch rasch in die Anwendung kommen. Droht nach dem überhasteten und teils holprigen Start von E-Rezept und elektronischer AU (eAU) ein Déjà-vu?
Tatsächlich gibt es die elektronische Patientenakte nun bereits seit über drei Jahren. Seit Januar 2021 haben Versicherte gegenüber ihren Krankenkassen einen Anspruch auf Einrichtung der ePA. In den Praxen spielt sie dagegen bislang kaum eine Rolle. Laut gematik verfügen nur eine Million Versicherte über eine ePA. Das soll sich jetzt ändern. 

Dass die Aussicht auf eine „ePA für alle“ in den Praxen derzeit für viele Fragezeichen sorgt, wurde bei der Online-Informationsveranstaltung, welche die Kassenärztliche Vereinigung Nordrhein (KVNO) zusammen mit der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) Ende Februar durchgeführt hat, überdeutlich. Mehr als 2.000 Zuschauerinnen und Zuschauer – in erster Linie Niedergelassene – verfolgten die Vorträge, unter anderem von Sebastian Zilch, BMG-Unterabteilungsleiter für gematik, E-Health und Telematikinfrastruktur, über den Livestream. In ihren Rückmeldungen äußerten sie Bedenken, dass die Praxen mit Fragen zur ePA überflutet werden. Vor allem wurde befürchtet, dass Pflege und Befüllung der ePA zu viel Zeit in Anspruch nehmen wird. Während der Veranstaltung verzeichnete die KV Nordrhein über 350 eingehende Fragen und Anmerkungen per Chat, die nun gemeinsam mit der KBV bearbeitet und ans BMG gespiegelt werden.

PVS-Hersteller in der Pflicht

Kommt es also erneut zu einem Alleingang des BMG? Es wäre nicht das erste Mal, dass der Gesetzgeber die Stimmen aus der Praxis ignoriert – mit absehbaren Folgen: „Das ePA-Projekt wird nur mit den Praxen und nicht gegen sie funktionieren“, appellierte der KVNO-Vorstandsvorsitzende, Dr. Frank Bergmann, unter Zustimmung von KBV-Vorstandsmitglied, Dr. Sibylle Steiner, in Richtung BMG. Nach den Erfahrungen mit dem E-Rezept sei diesmal eine intensive Testphase vor Einführung unabdingbar.  

Diese Forderung bekräftigte der KVNO-Chef gemeinsam mit seinem Stellvertreter, Dr. Carsten König, auch bei der Vertreterversammlung der KBV am 1. März. „Zum Start der Opt-out-Regelung muss gewährleistet sein, dass alle PVS-Systeme die Befüllung und die Nutzung der ePA aufwandsarm unterstützen. Das BMG steht hier in der Verantwortung. Sollten die PVS-Systeme nicht in der Lage sein, die Anforderungen zu erfüllen, müssen Nachteile für die Praxen ausgeschlossen sein“, so Bergmann.  

Nicht zuletzt brauche es Klarheit und Transparenz über die Rechte und Pflichten im Umgang mit der ePA. Mit Blick auf die Wirtschaftlichkeit forderten Bergmann und König darum, dass sich keine zeitaufwendigen Prozesse in die Praxen verlagern dürfen. Dafür müssten die Ansprüche der Versicherten im Zusammenhang mit der ePA gegenüber den rechtlichen Verpflichtungen der Vertragsärzteschaft klargestellt werden. Im Besonderen gelte das für spezifische Konstellationen, etwa bei nicht-einwilligungsfähigen Patientinnen und Patienten sowie im Fall von Minderjährigen mit unterschiedlichen Sorgerechts-Verantwortlichen. Um hier die Risiken zu minimieren, müsse für den Bewertungsausschuss eine konkretisierende Ermächtigungsgrundlage geschaffen werden. 

Eindringlich warnten Bergmann und König vor einer Situation, in der sich Krankenkassen und Politik aus der Aufklärungsarbeit heraushalten, wie zuletzt beim E-Rezept der Fall. „Die ePA ist eine ‚Patientenakte‘ und muss auch von diesen verantwortet werden. Die Praxen eignen sich nicht als Ort der Information, zumal der Rollout der ePA inmitten der infektreichen Winterzeit stattfinden wird“, so die KVNO-Vorstände. Ob die ePA damit tatsächlich die versprochene Revolution wird, oder ob ihr Start in die Tradition bisheriger TI-Rollouts fällt, bleibt abzuwarten. Noch hat das BMG Zeit zu reagieren.  
Ein Mitschnitt der ePA-Veranstaltung findet sich unter www.kvno.de/epa 

Thomas Petersdorff ist Pressereferent bei der KV Nordrhein