Seit dem 18. März können Bürgerinnen und Bürger ihre Entscheidung für oder gegen eine Organspende in einem neuen elektronischen Verzeichnis, dem Organspende-Register, dokumentieren. Ab dem 1. Juli sollen auch die Entnahmekrankenhäuser an das Register angebunden sein und Einwilligungen potenzieller Organspender abrufen können. Der Gesetzgeber erhofft sich davon eine Steigerung der Organspendezahlen.
von Marc Strohm
Im vergangenen Jahr warteten in Deutschland nach Angaben der Deutschen Stiftung Organtransplantation (DSO) rund 8.400 Menschen auf ein oder mehrere Spenderorgane. Ihnen standen 965 Menschen gegenüber, die nach ihrem Tod einer Organspende zugestimmt hatten. Dabei belegen Umfragen der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, dass über achtzig Prozent der Bevölkerung Organ- und Gewebespenden eher positiv sehen. Allerdings werde der Wille zur Organspende nur selten dokumentiert, erklärt die DSO. Eine fehlende schriftliche Einwilligung sei einer der maßgeblichen Gründe, weshalb Organspenden nicht durchgeführt werden könnten. Im Jahr 2022 hätten lediglich 15 Prozent der Verstorbenen ihren Willen zur Organspende schriftlich dokumentiert.
Seit dem 18. März haben mögliche Organspenderinnen und -spender nun neben dem klassischen Organspendeausweis oder der Patientenverfügung eine zusätzliche Möglichkeit, ihre Entscheidung zur Organspende rechtssicher festzuhalten: das Online-Organspende-Register. Das Register ist ein Kernstück des im Jahr 2020 verabschiedeten „Gesetzes zur Stärkung der Entscheidungsbereitschaft bei der Organspende“ und sollte ursprünglich bereits am 1. März 2022 an den Start gehen. Mehrfach hatte sich die Einführung des Registers seither verzögert. Im Gegensatz zum Organspendeausweis, der häufig nicht mitgeführt werde oder verlorengehen könne, sei das Organspende-Register für das berechtigte Krankenhauspersonal jederzeit abrufbar, um die Spendebereitschaft schnell und verlässlich zu klären, betont das Bundesministerium für Gesundheit (BMG).
Bürgerinnen und Bürger können ab dem 16. Lebensjahr unter www.organspende-register.de ihre Entscheidung für oder gegen eine Organspende dokumentieren. Für den Eintrag ins Register benötigen sie zur Identifizierung laut Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung ein Ausweisdokument mit elektronischer ID-Funktion. Zusätzlich müsse auf dem digitalen Endgerät die Ausweis-App installiert sein. Spätestens bis September soll auch eine Erklärung über die Krankenkassen-App im Register möglich sein. Die Entscheidung für oder gegen eine Organspende könne jederzeit geändert oder widerrufen werden.
Bis zum 1. Juli sollen auch die Entnahmekrankenhäuser an das Register angebunden sein und eine oder mehrere abrufberechtigte Personen benannt haben. Aktuell können nach Angaben des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte 394 der knapp 1.200 Entnahmekrankenhäuser (33,2 Prozent) auf das Register zugreifen. Die Anbindung an das Register sei für viele Krankenhausabteilungen eine Herausforderung gewesen, erklärt der Chefarzt und Transplantationsbeauftragte am St. Bernhard Hospital in Kamp-Lintfort, Dr. Gero Frings. So musste notwendige Hard- und Software installiert und zugriffsberechtigte Ärztinnen und Ärzte mussten mit elektronischen Heilberufsausweisen ausgestattet werden. Viele Krankenhäuser hätten zudem mehrere abrufberechtigte Personen benannt, um auch im Krankheits- oder Urlaubsfall handlungsfähig zu sein.
Eine Registerabfrage ist Frings zufolge zulässig, wenn der Hirntod des potenziellen Organspenders festgestellt wurde oder unmittelbar bevorsteht. Organspendeausweise oder Patientenverfügungen blieben auch weiterhin gültig, betont das BMG.
Organspende-Register stößt auf Skepsis
Was kann die Einführung des Online-Registers bewirken? Grundsätzlich begrüßt die DSO die zusätzliche Dokumentationsmöglichkeit. Gleichwohl sei ein Anstieg der Organspenden nicht zu erwarten, erklärt die Stiftung gegenüber dem Rheinischen Ärzteblatt und beruft sich auf Länder mit einer ähnlichen Regelung. Dort sei die Zahl der Nutzer in der Regel gering. Darüber hinaus sei es wahrscheinlich, dass insbesondere diejenigen im Register eine Erklärung hinterlegten, die ihre Spendebereitschaft bereits in einem Organspendeausweis oder einer Patientenverfügung dokumentiert hätten. Auch die Kammerversammlung der Ärztekammer Nordrhein ist skeptisch. Die Abgeordneten begrüßten stattdessen in ihrer jüngsten Sitzung Anfang März die neuerlichen Anläufe zur Einführung einer Widerspruchslösung, bei der jeder als potenzieller Spender gilt, der einer Organspende nicht ausdrücklich widersprochen hat. Der Bundesrat hatte angesichts weiterhin niedriger Organspenderzahlen Mitte Dezember 2023 die Bundesregierung aufgefordert, einen entsprechenden Gesetzentwurf auf den Weg zu bringen. Die derzeit geltende „erweiterte Zustimmungslösung“ habe sich nicht bewährt. Die Widerspruchslösung stelle dagegen einen „echten Paradigmenwechsel“ dar und könne die Situation in der Organspende deutlich verbessern. Ein Vorstoß zur Einführung der Widerspruchslösung war 2020 im Bundestag gescheitert.