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Meinung

Scheintransparenz

15.09.2023 Seite 3
RAE Ausgabe 10/2023

Rheinisches Ärzteblatt

Heft 10/2023

Seite 3

Rudolf Henke © Jochen Rolfes

Mitte September hat das Bundeskabinett den Entwurf eines Gesetzes zur Förderung der Qualität der stationären Versorgung durch Transparenz beschlossen. Der Entwurf sieht vor, dass ab April 2024 im Internet ein interaktiver Krankenhaus-Atlas zur Verfügung stehen soll, der Patientinnen und Patienten Entscheidungshilfen bei der Klinikwahl, zum Beispiel durch die Einordnung der Häuser in Versorgungsstufen (Level), liefert. Krankenhäuser werden verpflichtet, die dazu nötigen Daten an das Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus zu übermitteln.

Grundsätzlich ist der Ansatz, Patientinnen und Patienten mit transparenten Informationen über die Behandlungsqualität von Krankenhäusern zu unterstützen, richtig und er wird heute schon durch die Erstellung von Qualitätsberichten der Häuser verfolgt, die auf der Referenzdatenbank des Gemeinsamen Bundesausschusses zur Verfügung stehen. Denn schon seit 2003 sind alle zugelassenen deutschen Krankenhäuser gesetzlich dazu verpflichtet, regelmäßig strukturierte Qualitätsberichte über das Internet zu veröffentlichen. Sicherlich hätte man deren Darstellung optimieren können, ohne das Rad neu zu erfinden.

Ob der nun vorliegende Entwurf zum Krankenhaustransparenzgesetz eine wirkliche Hilfe für Patienten ist, muss bezweifelt werden. Schon der Titel verrät, dass es hier vorrangig nicht um Patienteninformation geht, sondern um die Durchsetzung der von der Regierungskommission vorgeschlagenen Einteilung der Krankenhäuser in Level und der damit verbundenen Qualitätskriterien durch die Hintertür. 

Die Vorstellung, dass die Einteilung in Level für mehr Transparenz und Qualität sorgt, ist wenig schlüssig. Denn die geplante Zuordnung eines Hauses zu Versorgungsstufen sagt weder etwas über die Versorgungsqualität noch über die Spezialisierung aus. Auch ist die Darstellung der Ergebnisqualität ohne eine patientenbezogene Risikoadjustierung gar nicht möglich. 

Statt wirklicher Transparenz schafft man mit der Einführung von Leveln eine Scheintransparenz, die im schlimmsten Fall dazu führt, dass Patienten annehmen, dass die beste Qualität in den größten Krankenhäusern der Region zu finden ist. Die Folge davon wird sein, dass kleine Krankenhäuser, die gute Qualität erbringen, nicht mehr wirtschaftlich arbeiten können. Ausbaden müssen die Folgen einer solchen Fehlsteuerung die Kliniken, das Personal sowie die Länder und Kommunen und am Ende auch die Patientinnen und Patienten.

Was mich aber auch besorgt, ist die Begründung des Gesetzes, wenn es heißt, „der Schutz der Bürgerinnen und Bürger vor gesundheitlichen Gefahren gebietet ein staatliches Transparenzverzeichnis“. Mit solchen Formulierungen deutet das Ministerium unterschwellig an, dass von dem in der Patientenversorgung tätigen Personal in den Kliniken eine gesundheitliche Gefahr ausgeht. Das ist angesichts der täglich von Pflegekräften, Ärztinnen und Ärzten und weiteren medizinischen Gesundheitsberufen im Krankenhaus engagiert erbrachten Leistungen eine Missachtung von deren Arbeit und trägt ganz unnötig zur Verunsicherung der Patienten bei. Da hilft es dann auch nicht, wenn der Bundesgesundheitsminister auf einer Pressekonferenz zum Kabinettsbeschluss beteuert, dass Pflegekräfte und Ärztinnen und Ärzte eine phantastische Arbeit leisten. Wer dieser Ansicht ist, würde das Gesetz anders begründen.


Rudolf Henke, Präsident der Ärztekammer Nordrhein