Nach Renteneintritt einmal etwas ganz anderes machen, oder gilt „einmal Arzt, immer Arzt“? Viele Ärztinnen und Ärzte zählen sich im Rentenalter noch nicht zum alten Eisen. Ob ehrenamtlich oder gegen Honorar – es gibt viele Möglichkeiten, sich weiter ärztlich zu betätigen.
von Thomas Gerst
Was tun bei Erreichen des Rentenbezugsalters? Diese Frage scheint sich vorerst für Dr. Johannes Nießen, Jahrgang 1957, bis Oktober 2023 Leiter des Gesundheitsamts in Köln, nicht zu stellen. Wie gerade bekannt wurde, ist er mit Erreichen des Rentenalters vom Bundesgesundheitsministerium als „Errichtungsbeauftragter“ eines neu zu schaffenden Bundesinstituts für Prävention und Aufklärung in der Medizin bestimmt worden. In dieses sollen auch die Zuständigkeiten und Aufgaben der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung überführt werden.
Dementsprechend denken derzeit viele niedergelassene Ärztinnen und Ärzte im Rentenalter in Nordrhein nicht vorrangig darüber nach, wie sie ihre Freizeit sinnvoll nutzen können. Sie arbeiten einfach weiter. Aktuell sind 2.185 der Niedergelassenen in Nordrhein 67 Jahre alt und älter. Das entspricht 10,25 Prozent aller Vertragsärzte in der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein.
Weiter im alten Arzt-Job zu bleiben, war für Dr. Dieter Ladwig dagegen keine Option. Nach 25 Jahren Praxis als Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin in Leverkusen fand er es Ende des Jahres 2019 im Alter von 64 Jahren an der Zeit, sich aus der Gemeinschaftspraxis zurückzuziehen. Ganz raus aus dem ärztlichen Beruf wollte er aber auch nicht, erzählt Ladwig im Gespräch mit dem Rheinischen Ärzteblatt. Angesichts der Coronapandemie fand er sich schnell in einem neuen Job wieder; im Gesundheitsamt der Stadt Köln kümmerte er sich in den Jahren 2020 und 2021 um die Telefonnachverfolgung von Infektionsfällen. Gleichzeitig suchte er nach einer Möglichkeit, weiterhin als Arzt ehrenamtlich tätig zu sein. Hierbei stieß Ladwig auf das medizinische Versorgungsangebot „Malteser Medizin für Menschen ohne Krankenversicherung“. An einem Vormittag in der Woche behandelt er nun abwechselnd mit Fachkollegen am St. Hildegardis-Krankenhaus in Köln Kinder, die ohne Krankenversicherungsschutz in die Kindersprechstunde gebracht werden. Profitieren würden davon nicht nur die behandlungsbedürftigen Patientinnen und Patienten, sondern er sehe auch für sich selbst die Vorteile: Er bleibe in seinem Fachgebiet auf dem Laufenden und könne weiter hochqualifiziert arbeiten. „Also insgesamt eine Win-win-Situation“, betont der Kinderarzt. „Es wäre schade gewesen, wenn das einfach abgebrochen wäre.“
Auch Erdmute Kallenberg spricht von der persönlichen Bereicherung, die mit ihrem ehrenamtlichen Engagement verbunden ist. Die Ärztin, Jahrgang 1936, arbeitet von Beginn an mit im Präventionsprogramm Gesund macht Schule, das 2001 in Kooperation von Ärztekammer Nordrhein und AOK Rheinland/Hamburg ins Leben gerufen wurde. Sie besucht Grundschulklassen und vermittelt den Kindern Wissen über ihren Körper, Hygiene oder gesunde Ernährung. Bis zu drei Tage in der Woche ist sie an den Vormittagen für Gesund macht Schule im Einsatz, insbesondere in den Monaten zwischen den Weihnachts- und Sommerferien. Die Ärztin ,im Ruhestand‘ sieht nicht zuletzt auch für sich die positiven Aspekte der Arbeit. „Mit den Kindern zu arbeiten, macht einfach Spaß.“ Zudem sei es ihr wichtig, außerhalb des Hauses noch eine Aufgabe zu erfüllen und so auch weiterhin „unter die Leute zu kommen“. Es bleibe immer noch genug Zeit, in den eigenen Garten zu gehen.
Auch über das Projekt Gesund macht Schule hinaus bieten sich für Ärztinnen und Ärzte im Rentenalter innerhalb der ärztlichen Selbstverwaltung Gelegenheiten des ehrenamtlichen Engagements. Gerade ihre langjährige Berufserfahrung qualifiziert sie dazu, sich über eine Kandidatur bei den Kammerwahlen mit ihren gesundheitspolitischen Überzeugungen aktiv in die Gremienarbeit einzubringen oder in den Kreisstellen oder Bezirksstellen tätig zu werden. Gesucht werden aber auch Ehrenamtler im Ruhestand, die bereit sind, die Ärztekammer bei der Erfüllung ihrer gesetzlich verankerten Aufgaben in der Gesundheitsversorgung zu unterstützen. Deren Einsatz ist etwa gefragt, wenn es um den Nachweis deutscher Fachsprachkenntnisse bei Kolleginnen und Kollegen aus dem Ausland geht, und auch die Abnahme der praktischen Prüfung der Medizinischen Fachangestellten ist auf ehrenamtliches Engagement in der Ärztekammer angewiesen. Insgesamt sind so mehr als tausend nordrheinische Ärztinnen und Ärzte in der Selbstverwaltung im Einsatz – zum Beispiel auch in der Gutachterkommission für ärztliche Behandlungsfehler oder der Ethik-Kommission.
Medizinische Fachkenntnisse auch von Ruheständlern sind bei Hilfsorganisationen gefragt. Beispielsweise seien hier genannt die German Doctors e.V, ein Verein mit Sitz in Bonn, der in medizinischen Notstandsgebieten von Entwicklungsländern tätig ist, oder der ebenfalls in Bonn ansässige Senior Experten Service, der Ärzte zum ehrenamtlichen Auslandseinsatz in eine Vielzahl von Projekten vermittelt. Im Inland ist zum Beispiel die Obdachlosenhilfe in den Großstädten auf den ehrenamtlichen Einsatz von Ärzten und anderen Gesundheitsberufen angewiesen.
Und wer im Rentenalter weiterhin für seine ärztliche Tätigkeit honoriert werden will, dem bieten sich neben der Weiterführung der eigenen Praxis eine Reihe von Möglichkeiten. „Senior Expert, Wissensengel, UnRuhestand … weil Ihre Berufung als Arzt oder Ärztin nicht mit der Rente endet!“ – lautet ein Slogan, mit dem der DRK-Blutspendedienst um Ärzte wirbt. Ob Praxisvertretung, Gutachtertätigkeit für Rentenversicherungsträger, sozialmedizinische Dienste oder Versorgungsämter, Reisearzt oder ärztlicher Bereitschaftsdienst – medizinische Fachkenntnisse sind vielfach gefragt und werden entsprechend honoriert.