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Evaluation der Weiterbildung

16.10.2023 Seite 12
RAE Ausgabe 11/2023

Rheinisches Ärzteblatt

Heft 11/2023

Seite 12

Regelmäßig nimmt die Ärzteschaft die Qualität der Weiterbildung unter die Lupe. Dabei sind im Laufe der Jahre ganz unterschiedliche Frage- und Analysetools zum Einsatz gekommen. Die jüngste Befragung in Nordrhein und bei anderen Landesärztekammern fand mit einem einheitlichen Online-Fragebogen Anfang des Jahres statt. Die Ergebnisse liegen nun auf dem Tisch und die Ärztekammer Nordrhein nimmt sich erste Maßnahmen vor.

von Jürgen Brenn


Die Befragung von Ärztinnen und Ärzten in Weiterbildung (WBA) sowie Weiterbildungsbeauftragten (WBB) hat in der verfassten Ärzteschaft in Deutschland eine lange Tradition. Bereits 2009 startete die Bundesärztekammer unter der Leitung des damaligen Präsidenten, Professor Dr. Jörg-Dietrich Hoppe, der auch Präsident der Ärztekammer Nordrhein (ÄkNo) war, die erste bundesweite Evaluation der Weiterbildung. Die Befragung ging auf Beschlüsse zur Qualitäts- und Transparenzsteigerung bei der Weiterbildung auf den Deutschen Ärztetagen 2007 und 2008 zurück. Auch trieb die verfasste Ärzteschaft die Sorge um, dass viele junge Ärztinnen und Ärzte ins Ausland abwandern oder ihre ärztliche Expertise ohne Weiterbildung in einem Arbeitsbereich außerhalb der Patientenversorgung einbringen könnten. Alle Landesärztekammern mit Ausnahme von Sachsen beteiligten sich 2009 an der Umfrage zur Qualität der Weiterbildung aus der Sicht der Akteure. An dieser ersten bundesweiten Online-Umfrage beteiligten sich bundesweit knapp 30.000 Ärztinnen und Ärzte. Die zweite Umfrage erfolgte im Jahr 2011. Damals beteiligten sich über 9.250 WBB und mehr als 20.500 WBA.

Qualität der Weiterbildung im Fokus

Seit damals wurden weitere Evaluationen initiiert, wobei eine geplante zweijährige Frequenz nicht durchgehalten wurde und sich die Landesärztekammern unterschiedlich intensiv an den Umfragen beteiligten. Die 2014 initiierte Befragung knüpfte an die beiden vorangegangenen Umfragen an.
Auf den Deutschen Ärztetagen 2022 in Bremen und 2023 in Essen verabschiedeten die Abgeordneten erneut Beschlüsse zur Evaluation der Weiterbildung. In dem 2023 gefassten Beschluss heißt es, die Evaluation solle bundesweit einheitlich sein, zur frühzeitigen Erkennung von Schwachpunkten in der Weiterbildung dienen und Analysen ohne daraus folgende Konsequenzen vermeiden. Die Umfragen und deren Ergebnisse sollten zum Austausch und zur Weiterentwicklung der Weiterbildung dienen. Ziel sei zudem, die unterschiedlichen Bedingungen der Weiterbildung in jedem Bundesland transparent und vergleichbar zu machen. ÄkNo-Präsident Rudolf Henke sagte mit Blick auf die Bedeutung der Evaluation: „Eine qualifizierte und strukturierte Weiterbildung ist das Fundament für eine gute Patientenversorgung und die Basis für eine erfüllte Facharztlaufbahn.“

Noch während der Coronapandemie verständigten sich fünf Landesärztekammern, darunter auch die Ärztekammer Nordrhein, auf einen sogenannten Kernfragebogen für die zukünftigen Umfragen, um vergleichbare Ergebnisse zu generieren. Der Kernfragebogen beinhaltet neben wenigen Angaben zur Person und zum Datenschutz insgesamt 14 Fragen zur Weiterbildung beziehungsweise zur Weiterbildungsstätte. Damit ist dieser Fragebogen deutlich entschlackt im Vergleich zu früheren Befragungen. Zum Beispiel sollten 2011 die WBA 106 und die WBB rund 60 Fragen beantworten.
Auf dem diesjährigen Ärztetag stellten Dr. Johannes Albert Gehle, Präsident der Ärztekammer Westfalen-Lippe und sein Amtskollege aus der Ärztekammer Schleswig-Holstein, Professor Dr. Henrik Herrmann, die Ergebnisse der Befragung aus den Jahren 2022 und 2023 vor. Zwölf Ärztekammern, darunter auch Nordrhein, hatten die WBA zur Facharztweiterbildung befragt. Insgesamt beteiligten sich knapp 11.000 Ärztinnen und Ärzte in Weiterbildung an den Online-Umfragen ihrer jeweiligen Ärztekammer. Die Auswertung für die Zusammenschau im Bund übernahm die Bundesärztekammer und für Nordrhein das Institut für ärztliche Qualität in Schleswig-Holstein. In Nordrhein wurden alle Kammermitglieder unter 45 Jahren ohne Facharztbezeichnung von denen eine E-Mail-Adresse vorlag, angeschrieben, erläutert der Leiter der Weiterbildungsabteilung der ÄkNo, Olaf Tkotsch, die Herangehensweise der Kammer. Rund 8.900 Mitglieder wurden so zu der Online-Umfrage eingeladen. Geantwortet haben rund tausend Mitglieder; 60 Prozent davon waren Ärztinnen. Auf Bundesebene waren 55 Prozent der WBA, die sich an der Umfrage beteiligten, weiblich. Die meisten WBA in Nordrhein befanden sich in der Weiterbildung zum Facharzt für Innere Medizin, Anästhesie oder Allgemeinmedizin. 80 Prozent gaben an, ihre Weiterbildung in Vollzeit zu absolvieren, was dem Bundesdurchschnitt entspricht.

Vergleichbare Ergebnisse im Bund und in Nordrhein 

Die Frage, ob dem WBA ein schriftliches Weiterbildungsprogramm am Anfang der Tätigkeit ausgehändigt wurde, verneinten in Nordrhein 55 Prozent der Befragten. Auf Bundesebene sogar über 60 Prozent. Bundesweit antworteten 26 Prozent mit „Ja“ und in Nordrhein 25 Prozent. Wenn ein Programm ausgehändigt wurde, orientierte sich die Weiterbildung auch zum überwiegenden Teil daran. Dies bestätigten im Bundesdurchschnitt über 75 Prozent der Befragten, in Nordrhein sogar 80 Prozent. Regelmäßige Weiterbildungsgespräche sind in Nordrhein mit rund 55 Prozent der WBA geführt worden. Im Bundesdurchschnitt gaben mehr als 57 Prozent der Assistenzärzte an, dass dies der Fall war. In der Mehrzahl führten der Weiterbildungsbeauftrage oder der jeweilige Chefarzt das Gespräch. 
In Nordrhein gab knapp ein Viertel der Befragten an, dass an ihrer aktuellen Weiterbildungsstätte nie oder selten offen mit Fehlern und Kritik umgegangen werde. 52 Prozent gaben „überwiegend“ und „immer“ zur Antwort. Auf die Frage, ob sie ihre Weiterbildungsstätte weiterempfehlen würden, antworteten 57 Prozent der nordrheinischen WBA mit „Ja“. Im Bundesdurchschnitt fiel die Antwort auf diese Gretchenfrage mit 59 Prozent etwas besser aus. Professor Dr. Hansjörg Heep, Vorstandsmitglied der ÄkNo und Vorsitzender des Ausschusses Weiterbildung, sagte mit Blick auf die nordrheinische Befragung: „Die Ergebnisse lassen nur eine Trendaussage zu. Sie spiegeln wegen der Verteilung auf wenige Fachgebiete nicht unbedingt ein Allgemeinbild wieder. Allerdings animieren die Tendenzen zur Weiterentwicklung, da Defizite erkennbar sind.“ Er plädierte dafür, dass die Evaluation als Gradmesser für die Qualität der Weiterbildung weitergeführt werden solle. Als Instrumente zur Verbesserung der Situation empfahl Heep: „Die Befugten müssen wieder mehr geschult werden.“ Pflichtabfragen, wie bereits im Studium regelhaft, sollten für die Ärztinnen und Ärzte in Weiterbildung zur Routine werden. Nur wenn die Kammer die Situation in der Weiterbildung einschätzen könne, könne sie Missstände beheben, so Heep. Der Leiter der Weiterbildungsabteilung der Ärztekammer Nordrhein, Tkotsch, hob hervor, dass angesichts der Umfrageergebnisse eine Verbesserung des Fehlermanagements in den Weiterbildungsstätten angezeigt sei. „Die Weiterbildungsbefugten sollten ihrer Verantwortung als Weiterbilder höhere Priorität einräumen.“ Dies spiegeln auch die Anmerkungen wider, die die WBA bei der Umfrage gemacht haben. Die Aussagen sind breit gefächert und reichen von „Alles wunderbar“ oder „Meine Weiterbildung ist top!“ bis hin zu „Ausbildung – so etwas gibt es nicht, keine Struktur, man ist in der Hierarchie verloren“. Ein weiteres Problem ist nach den Angaben zahlreicher Befragter der ärztliche und pflegerische Personalmangel in den Weiterbildungsstätten, der oftmals verhindere, dass Oberärztinnen und -ärzte Zeit für die WBA hätten, um ihnen Sachverhalte zu erläutern: Ein Umfrageteilnehmer schrieb: „Bei hohem Zeitdruck durch Personalmangel besteht sehr oft keine Möglichkeit einer Anleitung oder Ausbildung insbesondere im OP.“

Bundesärztekammer und Landesärztekammern, die mit dem Kernfragebogen die Online-Umfrage bestritten hatten, haben zum Teil bereits auf die Kritikpunkte reagiert. So wurde im Juli das elektronische Logbuch um den Punkt „Weiterbildungsprogramm ausgehändigt“, den WBA und WBB ausfüllen müssen, erweitert. Auch wird nach Angaben von Tkotsch noch in diesem Jahr der Kernfragebogen überarbeitet. Bei der Erteilung der Weiterbildungsbefugnis soll in Nordrhein künftig der Fokus verstärkt auf das Weiterbildungsprogramm gerichtet werden. Auch plant die ÄkNo, die Fortbildung „Verantwortung als Weiterbilder“, die derzeit als Online-Fortbildung angeboten wird, wieder wie vor der Coronapandemie regelmäßig in Präsenz anzubieten.