54 Ärztinnen und Ärzte arbeiten zurzeit als Lehrkräfte für den Medizinischen Fachkundeunterricht an den 24 Berufskollegs in Nordrhein. Auch dort ist der Lehrermangel mittlerweile spürbar: Immer mehr ärztliche Fachlehrer gehen in den Ruhestand und die Berufskollegs haben Schwierigkeiten, die freigewordenen Stellen neu zu besetzen.
von Marc Strohm
Ein Montagmorgen im Labor des Berufskollegs Vera Beckers in Krefeld: Die auszubildenden Medizinischen Fachangestellten (MFA) überlegen gemeinsam, welche Materialien zur Wundversorgung benötigt werden. Die 27 jungen Frauen stehen um einen Edelstahl-Tisch herum, um gemeinsam mit ihrer Lehrerin Anja Mühlinghaus das OP-Besteck für einen kleineren Eingriff vorzubereiten. „Zuerst muss eine Flächendesinfektion durchgeführt werden“, weiß eine der Auszubildenden und zeigt der Runde unter Mühlinghaus Anleitung, wie der Tisch zu desinfizieren ist. Nicht immer beherrschen die Auszubildenden die Arbeitsschritte schon perfekt. Mal wird ein Tuch mit der sterilen Seite nach unten auf den Tisch gelegt, mal fällt ein Haken zu Boden. Ob für auf den Boden gefallenes OP-Besteck eine „Drei-Sekunden-Regel“ gelte, will eine Schülerin lächelnd wissen. Mühlinghaus verneint. Die Unterrichtsatmosphäre ist locker, es wird gelacht.
Mühlinghaus ist eine von 54 Ärztinnen und Ärzten in Nordrhein, die als Lehrkräfte in einem der 24 Berufskollegs arbeiten, an denen Unterricht für angehende MFA angeboten wird. Ursprünglich wollte sie Chirurgin werden, berichtet Mühlinghaus im Gespräch mit dem Rheinischen Ärzteblatt. Nach der Geburt ihres zweiten Kindes suchte sie dann jedoch eine Stelle, die sich besser mit ihrem Familienleben vereinbaren ließ. Ein befreundeter Arzt habe sie schließlich auf die Stelle im Berufskolleg in Krefeld aufmerksam gemacht. Angefangen habe sie im Jahr 2001 mit einer Arbeitszeit von acht Stunden in der Woche, mittlerweile arbeite sie Vollzeit als Lehrerin. Trotz Lehrtätigkeit ist Mühlinghaus weiterhin mit Leib und Seele Ärztin. Noch immer sei sie von der Medizin begeistert und versuche, diese Begeisterung für das Fach an die angehenden MFA weiterzugeben. Ihre Schülerinnen verfolgen den Unterricht interessiert. Mühlinghaus hat ihnen vermittelt, was eine gute MFA ausmacht: Geduld, Gelassenheit in stressigen Situationen und Flexibilität, um auch in Notfällen souverän handeln zu können.
Im Unterricht sei ihr der Praxisbezug wichtig, sagt Mühlinghaus. Dafür sorgt unter anderem die kleine Übungspraxis im Erdgeschoss des Berufskollegs. Auf der Liege des Behandlungszimmers üben die angehenden MFA an einer Puppe, wie man ein EKG anlegt. Das menschliche Skelett in der Ecke des Raums haben die Schülerinnen auf den Namen „Knochen-Otto“ getauft.
Mit Blick auf fachfremde Lehrerinnen und Lehrer sagt Mühlinghaus: „Praktische Fragen können diese nur schwer beantworten.“ Denn die Berufsanfängerinnen haben handfeste Fragen aus der Praxis: Wie geht man am besten mit schwierigen Patienten um? Welche hygienischen Vorgaben gibt es in den verschiedenen Arbeitsbereichen? Wie geht man mit belastenden Situationen um?
Nah an der Praxis
Mittlerweile sind zahlreiche Fachlehrerstellen vakant, immer häufiger können Stellen nicht mehr neu besetzt werden. Es fehlen vor allem ärztliche Lehrerinnen und Lehrer – auch am Berufskolleg Vera Beckers. Mühlinghaus unterrichtete hier ursprünglich mit zwei weiteren Ärztinnen. Nach deren Eintritt in den Ruhestand ist sie die einzige. „Ich sorge mich, dass sich künftig keine Ärzte mehr finden, die für eine Lehrtätigkeit bereit sind. Das ist aus ärztlicher Sicht nicht nur fachlich schade, sondern die Kollegen versäumen auch die Freude im Unterricht, Fertigkeiten an junge Menschen zu vermitteln. Ich möchte das auch nach 22 Jahren nicht missen“, sagt Mühlinghaus.
Auch Dr. Patricia Aden, Stellvertretende Vorsitzende der Kreisstelle Essen der Ärztekammer Nordrhein, unterrichtet angehende MFA an einem Essener Berufskolleg. Seit Jahrzehnten engagiert sie sich bereits im Ausbildungswesen für MFA und wirbt für die Lehrtätigkeit. „MFA werden für die Arbeit in der Arztpraxis oder im Krankenhaus ausgebildet. Dieses Arbeitsumfeld kennen Ärztinnen und Ärzte am besten. Bei Fragen aus dem Praxisalltag können wir Ärzte für die Auszubildenden das Geschehen einordnen“, so Aden. Die Kolleginnen und Kollegen draußen in den Praxen könnten sich deshalb über gut ausgebildete Fachkräfte freuen.
Interesse an der Arbeit im Berufskolleg?
Wenn Sie Interesse an der Tätigkeit als Lehrkraft in einem Berufskolleg haben, können Sie sich an Cornelia Grün
unter 0211 4302-2401, cornelia.gruen(at)aekno.de oder an die Berufskollegs wenden.
Die Kontaktdaten zu den Berufskollegs finden Sie unter: www.aekno.de/mfa/berufskollegs-in-nordrhein.