Die gute Zusammenarbeit von Ärztinnen und Ärzten mit anderen Gesundheitsberufen kann die Qualität der Patientenversorgung verbessern und zur ärztlichen Entlastung beitragen. Im Vorfeld des 127. Deutschen Ärztetages diskutierten junge Ärztinnen und Ärzte, wie die Zusammenarbeit mit anderen Gesundheitsberufen gestaltet werden kann und welche Rahmenbedingungen dafür abgesteckt werden müssen.
von Marc Strohm
Der ständige Wissenszuwachs in der Medizin führt zu zunehmenden Spezialisierungen und zur Entstehung neuer Gesundheitsfachberufe wie dem Physician Assistant (PA) und der Community Health Nurse. Infolge des Fachkräftemangels ist absehbar, dass die künftige Ärztegeneration verstärkt mit anderen Gesundheitsfachberufen zusammenarbeiten muss, wobei andere Gesundheitsfachberufe mit ihren Kompetenzen die Ärzteschaft entlasten können. Für die Bundesärztekammer war dies Grund genug, ihr diesjähriges Dialogforum unter das Motto „Besser(be)handeln im Team“ zu stellen. Rund 150 Teilnehmerinnen und Teilnehmer tauschten sich Mitte Mai in Essen darüber aus, wie die interprofessionelle Zusammenarbeit gelingen kann. Die interdisziplinäre, teamorientierte Zusammenarbeit sei für junge Ärztinnen und Ärzte im Klinik- und Praxisalltag längst Realität, betonte Mira Faßbach, Urologin am Duisburger Helios Klinikum und Mitglied im Ad-hoc-Ausschuss „Junge Ärztinnen und Ärzte“ bei der Ärztekammer Nordrhein. Entscheidend für die Patientenversorgung in interprofessionellen Teams ist dabei nach ihrer Ansicht die Ausgestaltung der Zusammenarbeit. Diese müsse unter ärztlicher Verantwortung laufen, zugleich müssten auch die anderen Gesundheitsberufe ihre Kompetenzen einbringen können, so Faßbach. Dies bekräftigte auch Melissa Camara Romero, Ko-Vorsitzende des Ad-hoc-Ausschusses „Junge Ärztinnen und Ärzte.“ Sie stellte klar, dass manche Aufgaben aufgrund ihrer Komplexität Ärztinnen und Ärzten vorbehalten sein müssten. Aufgrund ihrer umfassenden Aus- und Weiterbildung komme ihnen im interprofessionellen Team die Letztverantwortung zu. Um als Ärztin oder Arzt jedoch erfolgreich mit anderen Gesundheitsberufen zusammenzuarbeiten, brauche man „zumindest eine Idee, welche Kompetenzen die anderen Fachberufe mitbringen“, erklärte Camara Romero. Vor allem für angehende Ärztinnen und Ärzte sei es häufig schwer abzuschätzen, was andere Gesundheitsberufe selbstständig erledigen können und wo ihre Grenzen liegen. Um die Fähigkeiten der anderen Gesundheitsberufe besser kennenzulernen, kann sich Camara Romero in der Aus- und Fortbildung gemeinsame Module mit anderen Gesundheitsfachberufen vorstellen. Dies baue zudem Hierarchien weiter ab, vertiefe das Verständnis füreinander und fördere den persönlichen Austausch zwischen den verschiedenen Gesundheitsfachberufen.
Weiterbildung mitdenken
Professor Dr. Henrik Herrmann, Präsident der Ärztekammer Schleswig-Holstein, begrüßte Vorschläge wie diesen. Seiner Meinung nach eignen sich beispielsweise interdisziplinäre Simulationstrainings in der Weiterbildung, um Führungskompetenzen zu vermitteln, die für die Leitung eines interprofessionellen Teams benötigt werden. Zudem forderte Herrmann ärztliche Vorbilder für Ärztinnen und Ärzte in Weiterbildung. Es brauche Weiterbildungsbefugte mit starken ärztlichen Haltungen, um das ärztliche Rollenverständnis klarer herauszustellen. In Gesundheitsberufen wie dem Physician Assistant (PA) sieht Herrmann weniger eine Konkurrenz zu Ärzten als eine Entlastung. Als „Top-on“ könne der PA den Raum schaffen, den Ärzte in der Weiterbildung benötigen. Risiken bestehen allerdings, wenn aus ökonomischen Gründen manche Tätigkeiten an Nicht-Ärzte ausgelagert werden, gab Steffen Veen, Ko-Vorsitzender des Ad-hoc-Ausschusses „Junge Ärztinnen und Ärzte“ bei der Ärztekammer Nordrhein zu bedenken. Außerdem bestehe die Gefahr, dass Ärzte in Weiterbildung manche Kompetenzen nicht mehr erlernten, weil diese Aufgaben an andere Berufsgruppen abgegeben wurden.
Aufgaben klar abstimmen
Grundsätzlich stehe die Ärzteschaft der Erweiterung von Kompetenzen bestehender Berufe, etwa durch neue Prüfungsordnungen, positiv gegenüber, erklärte Erik Bodendieck, Präsident der sächsischen Landesärztekammer. Unter seinem Vorsitz war im August 2020 ein Positionspapier in der Arbeitsgruppe der Bundesärztekammer „Zukünftiges Rollenverständnis der Ärzteschaft in einer teamorientierten Patientenversorgung“ erarbeitet worden (www.baek.de/interprofessionalitaet). Auch Rudolf Henke, Präsident der Ärztekammer Nordrhein, glaubt, dass die Ärzteschaft in Zukunft „eher froh sein wird, wenn es Menschen gibt, mit denen sie sich bestimmte und klar abgestimmte Aufgaben teilen können.“ Bange vor Konkurrenz müsse Ärztinnen und Ärzten in ihrem Beruf nicht sein, beruhigte er. Arbeit gebe es genug. Nur in einem Punkt darf es laut Henke keinen Kompromiss geben: Es dürfe keine schleichende Veränderung des ärztlichen Berufsbildes geben, die dazu führe, dass den Ärztinnen und Ärzten der zentrale Punkt ihrer Profession, ihre Mittlerrolle zum Patienten, genommen werde.