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Behandlungsfehlervorwürfe – erfolgreiche Schlichtung durch die Gutachterkommission

26.01.2023 Seite 27
RAE Ausgabe 2/2023

Rheinisches Ärzteblatt

Heft 2/2023

Seite 27

Die Gutachterkommission für ärztliche Behandlungsfehler bei der Ärztekammer Nordrhein (GAK) unterstützt Patientinnen und Patienten sowie Ärztinnen und Ärzte bei der außergerichtlichen Klärung der Frage nach dem Vorliegen eines Behandlungsfehlers. Über die Arbeit des vorangegangenen Jahres (Berichtszeitraum 1.10.2021 bis 30.9.2022) berichtete der Vorsitzende der Gutachterkommission, Präsident des Oberlandesgerichts a. D. Johannes Riedel, der Kammerversammlung der Ärztekammer Nordrhein am 12. November 2022 in Düsseldorf.

von Tina Wiesener und Beate Weber

Unter Hinweis auf den vorliegenden Tätigkeitsbericht  informierte der GAK-Vorsitzende, Präsident des Oberlandesgerichts a.D. Johannes Riedel, die Delegierten der Kammerversammlung, dass auch im dritten Jahr der COVID-19-Pandemie – im Vergleich zu den Antragszahlen von vor der Pandemie – weiterhin eine Zurückhaltung der Patientinnen und Patienten bei der Antragstellung zu verzeichnen war. Allerdings konnte in Nordrhein im Vergleich zum vorangegangenen Berichtszeitraum mit 1.591 Anträgen eine Stabilisierung der Antragszahlen (Vorjahr 1.564 Anträge, plus 1,7 Prozent) festgestellt werden, während bundesweit die Anzahl der im Jahr 2021 gestellten Anträge um 12,2 Prozent auf 8.449 Anträge (Vorjahr 9.483) nochmals zurückgegangen war. Gleichzeitig sank in Nordrhein der Anteil festgestellter Fehler an der Gesamtzahl begutachteter Fälle auf einen Tiefstand von 27,1 Prozent (Vorjahr 27,8 Prozent), ein Wert, der zuletzt Anfang der 1980er-Jahre vorlag. Der langjährige Durchschnittswert beträgt 31,27 Prozent. Bundesweit lag die Behandlungsfehlerquote im Begutachtungsjahr 2021 bei 26,6 Prozent (Vorjahr 30,4 Prozent).  
Von der Möglichkeit, nach Erhalt des erstatteten Gutachtens ein abschließendes gemeinsames Gutachten durch ein medizinisches und ein juristisches Kommissionsmitglied zu verlangen, machten die Beteiligten im Berichtszeitraum mit 48,8 Prozent (vorheriger Berichtszeitraum 41,3 Prozent) in etwas höherem Maße Gebrauch.
 

Verfahrensdauer weiterhin unter einem Jahr

Riedel betonte insbesondere, dass die Verfahrensdauer in Nordrhein – wie nunmehr bereits seit zehn Jahren – mit im Median 11,2 Monaten weiterhin unter einem Jahr liege (siehe Grafik unten). 
Er bekräftigte, dass es weiterhin ein wichtiges Ziel der Gutachterkommission sei, häufig langwierige und belastende Gerichtsverfahren zu vermeiden und die außergerichtliche Streitbeilegung in einem für die Betroffenen überschaubaren Zeitraum zu befördern. So befinde sich auch der in Nordrhein zu verzeichnende Bestand an offenen erstinstanzlichen Verfahren mit 1.088 Verfahren nahezu unverändert auf dem Niveau des Vorjahres (1.075 Verfahren, siehe statistische Übersicht Seite 28).
Riedel dankte allen, die die Arbeit der Gutachterkommission im Interesse der Verfahrensbeteiligten an einer möglichst zügigen gutachtlichen Einschätzung zur Überprüfung gestellter Behandlungsfehlervorwürfe so effizient und erfolgreich unterstützen. Die Gutachterkommission werde dabei auch in Zukunft maßgeblich auf die fachgutachtliche Expertise sowohl von niedergelassenen als auch von im Krankenhaus tätigen ärztlichen Kommissionsmitgliedern sowie von externen ärztlichen Gutachterinnen und Gutachtern und der juristischen Kommissionsmitglieder angewiesen sein.

Plenarsitzungen online und in Präsenz  

Die Maßnahmen zur Verminderung des Risikos einer Ansteckung mit dem Coronavirus prägten auch im Berichtszeitraum 2021/2022 den für das Wirken der Kommission so wichtigen intensiven fallbezogenen Austausch der medizinischen und juristischen Kommissionsmitglieder untereinander und mit der Geschäftsstelle: Zur Vermeidung von Risikosituationen wurden die bereits seit Sommer 2020 als Live-Online-Veranstaltungen mit jeweils bis zu 60 Teilnehmern durchgeführten Plenarsitzungen bis Frühjahr 2022 in diesem Format weitergeführt. Auch die für 2020 geplante festliche Verabschiedung derjenigen Kommissionsmitglieder, deren Mitarbeit mit Ende der 11. Amtsperiode und danach endete, konnte erst am 8. Juni 2022 im Rahmen der ersten Sitzung des Plenums der Gutachterkommission in Präsenz erfolgen. Anwesend waren dabei auch Rudolf Henke, Präsident der Ärztekammer Nordrhein, und deren Vizepräsident, Bernd Zimmer. Der GAK-Vorsitzende Riedel hob bei der Gelegenheit hervor, dass, wegen der Möglichkeit lebendiger Diskussionen und fachlicher Gespräche am Rande der Sitzung, auch die zwischenzeitlich durchgeführte weitere Plenarsitzung in Präsenz sehr positiv aufgenommen worden sei.

Austausch mit Richterinnen und Richtern 

Am 19. Juli 2022 lud die Gutachterkommission Richterinnen und Richter der in Arzthaftungssachen tätigen Spruchkörper der Landgerichte und Oberlandesgerichte im Kammerbereich zu einem Erfahrungsaustausch mit ärztlichen und juristischen Kommissionsmitgliedern in das Haus der Ärzteschaft in Düsseldorf ein. An dieser Veranstaltung nahmen erneut der Präsident und der Vizepräsident sowie weitere Vertreter der Ärztekammer teil.
Diese erstmals durchgeführte Veranstaltung sei bei den Teilnehmern auf großes Interesse gestoßen und habe zu einem intensiven Austausch persönlicher Erfahrungen und Einschätzungen geführt. Im Ganzen werde die Arbeit der Gutachterkommission sehr geschätzt. „In der Qualität liegen wir im Erwartungshorizont der Gerichte“, erklärte Riedel. Anregungen aus der Richterschaft seien intensiv diskutiert und von der Gutachterkommission aufgegriffen worden. Die Fortsetzung dieses Austauschs sei beabsichtigt.  

Second Victim – Trauma im Beruf

Unter Beteiligung des Stellvertretenden Geschäftsführenden Kommissionsmitglieds Dr. Peter Kaup fand am 10. September ein viel beachtetes Live-Online-Seminar der Ärztekammer zum Thema „Second Victim – Traumatische Erfahrungen im ärztlichen Beruf“ statt (dazu auch: Rheinisches Ärzteblatt „Erste Hilfe für die Seele“ 10/2022, S. 12–14). Am 5. November 2022 beschäftigte sich auch der Oberhausener Ärztetag unter Mitwirkung des Vorsitzenden der Gutachterkommission mit diesem wichtigen Anliegen: „Die Mitglieder der Gutachterkommission für ärztliche Behandlungsfehler bei der Ärztekammer Nordrhein stehen für eine Erläuterung des Verfahrens vor der Gutachterkommission jederzeit zur Verfügung“, bekräftigte Riedel mit Blick auf die außerordentliche Belastung, der Ärztinnen und Ärzte oftmals ausgesetzt sind, wenn sie mit einem Behandlungsfehlervorwurf ihrer Patientinnen und Patienten konfrontiert werden. 

Dr. med. Tina Wiesener ist Leiterin der Geschäftsstelle der Gutachterkommission für ärztliche Behandlungsfehler bei der Ärztekammer Nordrhein.
Dr. med. Beate Weber ist die für die Dokumentation und Auswertung zuständige Referentin der Geschäftsstelle der Gutachterkommission für ärztliche Behandlungsfehler bei der Ärztekammer Nordrhein.