Der Arztberuf ist eine besondere Tätigkeit mit einem hohen Ansehen. Verstoßen Ärztinnen und Ärzte gegen die Verpflichtung zur gewissenhaften Berufsausübung, drohen berufsrechtliche Sanktionen bis hin zum Approbationsentzug. Die Rechtmäßigkeit eines solchen Approbationsentzugs wegen Berufsunwürdigkeit hat das Oberverwaltungsgericht (OVG) Hamburg jüngst bestätigt.
von Katharina Eibl und Dirk Schulenburg
Das OVG Hamburg hat mit Beschluss vom 15. Dezember 2022 (Az.: 3 Bs 78/22) den Approbationsentzug einer Ärztin bestätigt, die über Jahre hinweg in einem automatisierten Verfahren über das Internet massenhaft Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen (AU) und Corona-Schnelltestzertifikate ausgestellt hatte, ohne dass sie jemals mit den betreffenden Personen persönlich, per Videoschaltung oder per Telefon in Kontakt getreten war.
Voraussetzung des Approbationsentzugs
Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Bundesärzteordnung (BÄO) ist die Approbation als Ärztin oder Arzt zu erteilen, wenn die Antragsteller sich nicht eines Verhaltens schuldig gemacht haben, aus dem sich ihre Unwürdigkeit zur Ausübung des ärztlichen Berufs ergibt. Die Approbation ist gemäß § 5 Abs. 2 Satz 1 BÄO zu widerrufen, wenn nachträglich die Voraussetzung nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 weggefallen ist.
Die Fachärztin für Frauenheilkunde und Geburtshilfe, die bis zum Jahr 2013 in eigener Praxis niedergelassen war, war an einem telemedizinischen Unternehmen ihres Sohnes beteiligt. Über dessen Webseite konnten Nutzer AUs auf elektronischem Wege erhalten. Dafür mussten sie lediglich einen standardisierten Online-Fragebogen ausfüllen und Daten zur Person angeben. Nach einer kurzen Auswertung verschickte die Ärztin daraufhin die AU – ohne persönlichen Kontakt und ohne Verifizierung der gemachten Angaben.
Außerdem konnten über die Internetseite Corona-Schnelltestzertifikate erlangt werden. Dafür reichte die Angabe aus, man habe sich selbst negativ getestet. Ohne ärztliche Rücksprache wurde ein Zertifikat generiert und – versehen mit der Unterschrift der Ärztin – dem Empfänger per E-Mail zugesandt.
Mangelnde ärztliche Sorgfalt
Die Approbationsbehörde widerrief die Approbation. In dem die Entscheidung der Behörde bestätigenden Beschluss führte das Verwaltungsgericht aus, die Ärztin habe sich als berufsunwürdig erwiesen, weil sie über mehrere Jahre hinweg in einem automatisierten Verfahren über das Internet massenhaft AU-Bescheinigungen gegen Entgelt unter ihrem Namen sowie zahlreiche Corona-Schnelltestzertifikate ausgestellt habe – und zwar ohne verlässliche Prüfung und ohne mit den Patienten persönlich, per Videoschaltung oder per Telefon in Kontakt getreten zu sein. Dies stelle einen eklatanten Verstoß gegen § 25 der Berufsordnung dar, nach dem Ärzte bei der Ausstellung von ärztlichen Gutachten und Zeugnissen mit der notwendigen Sorgfalt zu verfahren und nach bestem Wissen ihre ärztliche Überzeugung auszusprechen haben. Dagegen habe die Ärztin durch die vollkommen kontaktlose Vorgehensweise ohne Zuhilfenahme irgendeines Kommunikationsmediums eklatant verstoßen.
Schwerwiegendes Fehlverhalten
Das Oberverwaltungsgericht Hamburg bestätigte die Entscheidung: Der Ärztin sei die Approbation gemäß § 5 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BÄO wegen Berufsunwürdigkeit zu entziehen. Sie habe ein schwerwiegendes Fehlverhalten gezeigt, welches mit dem Berufsbild eines Arztes nicht zu vereinbaren ist.
Ein Arzt ist unwürdig zur Ausübung des ärztlichen Berufs, wenn er aufgrund seines Verhaltens nicht mehr das Ansehen und das Vertrauen besitzt, das für die Ausübung seines Berufes unabdingbar nötig ist (vgl. etwa BVerwG, Beschl. v. 31.07.2019 – Az.: 3 B 7/18 und BVerwG, Beschl. v. 16.02.2016 – Az.: 3 B 68/14). Der Annahme der Berufsunwürdigkeit liegen gravierende Verfehlungen des Berufsangehörigen zugrunde, die geeignet sind, das Vertrauen der Öffentlichkeit in den Berufsstand nachhaltig zu erschüttern, wenn das Verhalten für den Fortbestand der Approbation folgenlos bliebe.
Entscheidend für den Entzug der Approbation ist, dass das Verhalten des Arztes für jeden billig und gerecht Denkenden als Zerstörung der für die ärztliche Tätigkeit unverzichtbaren Vertrauensbasis erscheint. Unwürdigkeit liegt demnach dann vor, wenn ein Fehlverhalten gegeben ist, das nicht mit der Vorstellung in Einklang gebracht werden kann, die mit der Einschätzung der Persönlichkeit eines Arztes gemeinhin verbunden wird. Der Begriff der Unwürdigkeit ist demnach daran gebunden, ob ein bestimmtes Verhalten eines Arztes nicht mehr mit dem Berufsbild und den Vorstellungen übereinstimmt, die die Bevölkerung allgemein von Ärztinnen und Ärzten hat. Ob eine Verfehlung dabei strafbewehrt ist oder gar strafrechtlich geahndet wurde, spielt keine Rolle.
Fälle von Berufsunwürdigkeit
- Folgende Verhaltensweisen haben in der Vergangenheit schon zum Widerruf der Approbation geführt:
- unterlassene Hilfeleistung im Notdienst
- Verschreiben von Arzneimitteln zu Dopingzwecken
- Vorteilsnahme, Untreue oder Betrug
- Abrechnungsbetrug
- (sexuelle) Beleidigung oder sexuelle Übergriffe
- Straftaten wie zum Beispiel Beleidigung, Körperverletzung, Diebstahl, auch wenn die Verfahren eingestellt wurden
- vorsätzliche Körperverletzung durch nicht indizierte Impfungen
- fortgesetzte Steuerhinterziehung
- Brandstiftung
Dr. iur. Dirk Schulenburg, MBA, MHMM, ist Justiziar der Ärztekammer Nordrhein und Katharina Eibl, Fachanwältin für Medizinrecht, ist Referentin der Rechtsabteilung.