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Gesundheits- und Sozialpolitik

Der Gasnotstand trifft auch die Krankenhäuser

23.08.2022 Seite 20
RAE Ausgabe 9/2022

Rheinisches Ärzteblatt

Heft 9/2022

Seite 20

Diagramm zur Gasnutzung und zum Einsparungspotential in Krankenhäusern © Deutsches Krankenhausinstitut
Die Notfallstufe im Notfallplan Gas als letzte Eskalationsstufe ist noch nicht erreicht. Sollte dieser Fall eintreten, entscheidet der Staat, welche Verbraucher noch mit Gas beliefert werden. Zu den „besonders geschützten Verbrauchern“ gehören die Krankenhäuser. Wird das Gas knapp, trifft das aber auch deren Zulieferbetriebe wie Großküchen, Wäschereien und die Pharmaindustrie.

von Martin Bornemeier

Die Krankenhausgesellschaft Nordrhein-Westfalen (KGNW) rechnet mit einer gewaltigen Preissteigerung bei Erdgas. KGNW-Präsident Ingo Morell sprach in der Westdeutschen Allgemeinen von einem Kostensprung im kommenden Jahr um das Achtfache gegenüber 2020. Eine Umfrage des Deutschen Krankenhausinstituts aus dem Juli dieses Jahres ergab, dass 90 Prozent der Krankenhäuser in Deutschland mit Gas für die nötige Raumwärme und das Aufheizen von Warmwasser sorgen. Deutlich mehr als die Hälfte der Krankenhäuser sind dabei nahezu vollständig von Erdgas abhängig.

In derselben Umfrage gaben knapp 30 Prozent der befragten Häuser an, ihren Verbrauch kurzfristig um weniger als zehn Prozent senken zu können. Mehr als die Hälfte sieht nach eigenen Angaben keine Möglichkeiten, schnell den Bedarf an Gas zu reduzieren.

Wenn die Notfallstufe im Notfallplan Gas aktiviert werden sollte, können Krankenhäuser in Deutschland mit einer priorisierten Versorgung rechnen. 42 Prozent der befragten Einrichtungen sehen ihren Betrieb allerdings wegen ausgelagerter Küchen und sogar 56 Prozent wegen ausgelagerter Wäschereien in Gefahr. Ob die Pharmaindustrie und damit die Arzneimittelversorgung zur kritischen Infrastruktur zählt und in der Notfallstufe bevorzugt beliefert wird, wird der Bundesnetzagentur zufolge im Einzelfall entschieden. 

In Bonn steht ein Reserve-Heizkessel bereit

Die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) geht zunächst einmal nicht davon aus, dass in den Krankenhäusern überhaupt kein Gas mehr ankommt. Trotzdem fordere die Abhängigkeit von Erdgas ein Umdenken, erklärte der DKG-Vorstandsvorsitzende, Dr. rer. pol. Gerald Gaß, gegenüber dem Rheinischen Ärzteblatt. „Die stark erhöhten Gaspreise werden die Krankenhäuser als Groß-Verbraucher besonders schwer treffen“, so Gaß. Kurzfristig sei es den Kliniken nicht möglich, zu alternativen Energien zu wechseln. Allerdings gebe es einzelne Ausnahmen. Am Universitätsklinikum Bonn (UKB) hält man beispielsweise einen Reserve-Heizkessel bereit, der beim Ausfall der Gasversorgung die Wärme- und Dampferzeugung zu 100 Prozent mit Heizöl übernehmen kann. Die daran angeschlossenen Tanks mit 100.000 Litern Öl können einen autonomen Betrieb von 48 Stunden absichern, bevor neues Öl nachgetankt werden muss.

Die Gebäudetechnik des UKB hat im Juni eine Liste mit kurzfristigen Energiesparmaßnahmen angefertigt. Darin enthalten ist ein Ideenwettbewerb für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu weiteren möglichen Einsparungen.

Mittel- und langfristige Maßnahmen

DKG-Vorstand Gaß geht einen Schritt weiter und fordert die Umstellung der Krankenhäuser weg von fossilen Energieträgern hin zu erneuerbaren Energien. Allerdings erfordere das erhebliche Investitionen: „Aufgrund der weiterhin ausbleibenden Investitionskostenfinanzierung durch die zuständigen Bundesländer sind aufwendige Modernisierungen nur im Ausnahmefall realisierbar“, meint Gaß.

Das UKB hat dennoch einen ambitionierten Plan. Die Klinik will innerhalb von fünf Jahren das erste klimapositive Krankenhaus werden. Um das zu erreichen, sollen die eigenen Blockheizkraftwerke umgerüstet und künftig mit Biomasse betrieben werden. Dazu würden bereits intensive Gespräche mit Herstellern und Lieferanten geführt, hieß es aus der Klinik.