Die Vertreterversammlung (VV) der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein (KVNO) fand am 25. März pandemiebedingt erneut digital statt. Thematisch stand die Sitzung maßgeblich im Zeichen des Ukraine-Krieges.
von Christopher Schneider
In einer mit großer Mehrheit verabschiedeten Resolution verurteilten die VV-Delegierten aufs Schärfste den brutalen Angriffskrieg Russlands und forderten die Konfliktparteien eindringlich zur Einhaltung der UN-Charta und Genfer Konvention sowie zur Anerkennung des besonderen Schutzes von Gesundheitseinrichtungen auf. Die jüngsten Berichte und Bilder in den Medien von angegriffenen Krankenhäusern bezeichnete der KVNO-Vorstandsvorsitzende Dr. Frank Bergmann in seinem Lagebericht als „schockierend und perfide“. „Die Beschießung von Menschen auf der Flucht ist durch nichts zu tolerieren – das ist zutiefst unmenschlich und widerspricht allen Konventionen“, so der KVNO-Chef.
eGK für Geflüchtete
Mit Blick auf die zunehmenden Zahlen an Geflüchteten auch in den nordrheinischen Kommunen richtete der KVNO-Chef zudem den dringenden Appell an die Bundes- und Landespolitik, „den Zugang zur medizinischen Versorgung für die Kriegsflüchtlinge jetzt rasch und unbürokratisch auf Basis des Leistungskatalogs der gesetzlichen Krankenversicherung zu regeln“. „Den entsprechenden Ministerien stehen wir dazu bereits ‚auf den Füßen‘. Auch an NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst sind wir bereits direkt herangetreten“, erklärte Bergmann. Aus Sicht der VV soll zukünftig auch eine Ausgabe elektronischer Gesundheitskarten (eGK) an Geflüchtete erfolgen, um Behandlungen in den Praxen zu vereinfachen, heißt es im Resolutionstext. Kurze Zeit nach der VV verständigten sich Land und KVen in NRW auf einen gemeinsamen Vertrag zur Versorgung von ukrainischen Geflüchteten.
Förderung von Infektionssprechstunden
Dr. Carsten König, stellvertretender KVNO-Vorsitzender, kritisierte in seinem Berichtsteil angesichts der weiterhin hohen Zahlen an täglichen Neuinfektionen mit dem Coronavirus die von der Politik beschlossenen Lockerungen im Alltag. „Das nehmen wir mit einer gewissen Verwunderung zur Kenntnis“, sagte König. Es müsse nach wie vor umsichtig und verantwortungsvoll gehandelt werden. Auch aus diesem Grund werde die KVNO bis Ende Juni sowohl im haus- als auch im fachärztlichen Bereich die seit Pandemiebeginn bewährten Infektionssprechstunden für COVID-19-Verdachtsfälle finanziell fördern. Zahlen präsentierte der KVNO-Vorstand im Zusammenhang mit dem Impfgeschehen gegen das Coronavirus: Die derzeit insbesondere für vulnerable Gruppen und über 70-Jährige empfohlene zweite Booster-Impfung wurde im Rheinland bislang schon fast 300.000 Mal verabreicht – ein Großteil davon in den Alten- und Pflegeheimen des Landesteils, was von den Haus- und Fachärzten vor Ort bislang reibungslos organisiert werde, so König. In Summe seien die Niedergelassenen in Nordrhein weiterhin die treibende Kraft der Impfkampagne – auch deshalb sei es zu begrüßen, dass den Praxen nun mit Novavax eine weitere Impfstoff-Option zur Verfügung stehe.
TI-Fehler nicht zulasten der Praxen
Zu den weiteren VV-Themen zählten die Entwicklungen bei der Telematikinfrastruktur (TI), hier etwa die Schwierigkeiten bei der technischen Umsetzung der elektronischen Patientenakte (ePA) in den hiesigen Praxen. „Offenbar gibt es noch immer Hersteller von Praxisverwaltungssystemen (PVS), die unseren Mitgliedern die digitalen ePA-Voraussetzungen nicht bereitstellen können oder wollen. Diese Praxen können also weiterhin nicht den vom Gesetzgeber geforderten ‚ePA-ready‘-Status erfüllen“, kritisierte König. Betroffene Ärztinnen und Ärzte aus Nordrhein konnten bis einschließlich 15. April einen entsprechenden Nachweis ihres PVS-Partners einreichen. Anschließend prüft die KVNO mit Blick auf die Abrechnung für das erste Quartal 2022, welche Möglichkeiten für diese Praxen zur Verfügung stehen, um die gesetzlich vorgeschriebenen Voraussetzungen für die ePA erfüllen zu können – „und die KVNO arbeitet daran, dass den Praxen kein unberechtigter finanzieller Schaden entsteht“, kündigte König an.
Kritik äußerte die VV auch hinsichtlich des anstehenden Austauschs von Konnektoren, die in den Praxen für den Anschluss an die TI sorgen. Bei einer Vielzahl an Geräten laufen bald die Sicherheitszertifikate ab und machen Ersatz nötig, der eigentlich im Hinblick auf die TI 2.0, die gänzlich ohne Konnektoren auskommen soll, nicht vorgesehen war. Mit großer Mehrheit wurde die Kassenärztliche Bundesvereinigung aufgefordert, in Bezug auf den von der gematik als notwendig erklärten Austausch der Konnektoren eine vollständige Refinanzierung sämtlicher Kosten für Hard- und Software zu verhandeln.
Videosprechstunden im Notdienst
Mehrheitlich von der VV angenommen wurde auch ein Antrag des KVNO-Vorstands zum künftigen optionalen Einsatz von Videosprechstunden im Rahmen des ambulanten Notdienstes in Nordrhein, der die gemeinsame Notdienstordnung mit der Ärztekammer Nordrhein entsprechend modifiziert. Anlass dafür ist eine gesetzliche Vorgabe, nach der bei der Akutversorgung verstärkt telemedizinische Angebote zum Einsatz kommen sollen – in Ergänzung zu den „klassischen“ Versorgungsangeboten, etwa einer ambulanten Notdienstpraxis.
Kölner Neubau im Zeitplan
Zum Neubau der KV Nordrhein in Köln gab es Positives zu berichten. KVNO-Chef Bergmann informierte die Delegierten über den Sachstand der Arbeiten: Der anvisierte Fertigstellungstermin für das Gebäude liege nach wie vor im Dezember dieses Jahres, danach folgten die nutzerbezogenen Installationen, wie zum Beispiel die IT-Struktur der Büros. Datum des Richtfests soll der 20. Mai 2022 sein.
Turnusgemäß gab Bergmann der VV auch einen Bericht über die Arbeit und Ergebnisse der Stelle zur Bekämpfung von Fehlverhalten im Gesundheitswesen gemäß § 81a Absatz 5 SGB V in Nordrhein: Im Berichtszeitraum Januar 2020 bis Dezember 2021 verzeichnete die Stelle insgesamt 51 Eingaben, daraus wurden bislang nachweislich 22 Pflichtverletzungen festgestellt und von der KV sanktioniert.
Christopher Schneider ist stellvertretender Pressesprecher der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein.