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Gesundheits- und Sozialpolitik

Der neue Krankenhausplan für NRW: „Wir sind unserer Zeit voraus“

20.04.2022 Seite 22
RAE Ausgabe 5/2022

Rheinisches Ärzteblatt

Heft 5/2022

Seite 22

Die neue Krankenhausplanung nimmt Gestalt an. Das parlamentarische Verfahren im nordrhein-westfälischen Landtag ist abgeschlossen, im Juni sollen die regionalen Planungsverfahren eingeleitet werden. Dann werden statt Betten verstärkt Leistungen geplant. Das Gesundheitsministerium glaubt an eine Umsetzung unabhängig vom Ausgang der Landtagswahl Mitte Mai. 

von Heike Korzilius

Nordrhein-Westfalen leitet in der Krankenhausplanung einen Paradigmenwechsel ein. Statt Betten sollen künftig verstärkt Leistungen geplant werden. Überkapazitäten insbesondere in den Ballungsgebieten sollen abgebaut, die Spezialisierung bei komplexen medizinischen Leistungen ausgebaut und zugleich die Grund- und Notfallversorgung auch auf dem Land gesichert werden. „Wir haben mit fachlicher Unterstützung der beiden Ärztekammern des Landes einen Entwurf für eine neue Krankenhausplanung erarbeitet, der sich sehen lassen kann“, sagte Ministerialdirigent Helmut Watzlawik am 4. April im Haus der Ärzteschaft in Düsseldorf anlässlich des Dialogforums 2022 für Leitende Ärztinnen und Ärzte, das pandemiebedingt digital stattfand. Nach Ansicht des Leiters der Abteilung Krankenhausversorgung des NRW-Gesundheitsministeriums kann dieser durchaus als Blaupause für eine bundesweite Reform dienen. Der Koalitionsvertrag der Bundesregierung weise in eine ähnliche Richtung, sagte er: „Wir sind unserer Zeit voraus.“

Nachdem im Februar das parlamentarische Verfahren im nordrhein-westfälischen Landtag abgeschlossen wurde, soll der neue Krankenhausplan demnächst auf der Homepage des Ministeriums veröffentlicht werden, so Watzlawik. Im Mai werde das Verwaltungsverfahren finalisiert, das festlege, welche Unterlagen die Krankenhäuser – möglichst digital – vorlegen müssten, um sich für bestimmte Leistungsbereiche und Leistungsgruppen zu bewerben. Im Juni sollen dann landesweit die regionalen Planungsverfahren eingeleitet werden. Da es eine große Schnittmenge der politischen Parteien im Land gebe, hoffe er, dass die Reform unabhängig vom Ausgang der Landtagswahl Mitte Mai umgesetzt werde, erklärte Watzlawik. 

Keine Reform zum Nulltarif

„Der neue Krankenhausplan ist kein Krankenhausschließungsplan“, betonte er. Die Krankenhäuser seien wichtige Einrichtungen der Daseinsvorsorge, deren Entwicklung man nicht dem Zufall oder dem reinen Markt überlassen dürfe. „Wir müssen den Wettbewerb um Fallzahlen und Personal beenden“, so der Ministerialdirigent. Auch in Zukunft solle sichergestellt sein, dass 90 Prozent der Bürgerinnen und Bürger innerhalb von 20 Minuten ein Krankenhaus der Grund- und Notfallversorgung erreichen können. Zentraler Leitsatz der Reform sei aber auch, dass nicht jede Klinik alles machen müsse, sagte er mit Blick auf die geplante Zentrenbildung für komplexe medizinische Leistungen. Dabei gelte es, gewachsene regionale Strukturen zu berücksichtigen und ausreichend Kapazitäten beispielsweise in der Intensivmedizin vorzuhalten. Letzteres habe die Pandemie gelehrt. 

Watzlawik stellte klar, dass die Reform nicht zum Nulltarif zu haben ist. Das Ministerium rechne mit Kosten von rund 200 Millionen Euro zusätzlich pro Jahr für die Umstrukturierung, darunter die Schließung von Abteilungen oder Einrichtungen sowie die Verlagerung von Leistungen. Er sagte zudem, dass die neue Krankenhausplanung von einer Reform der Klinikfinanzierung flankiert werden müsse. 

DRG-System mit Schwächen

Auch der Präsident der Ärztekammer Nordrhein, Rudolf Henke, betonte, dass der Reformbedarf des Vergütungssystems nach diagnosebezogenen Fallpauschalen „tiefgreifend analysiert“ werden müsse. Bei der Ampel-Koalition in Berlin und der Gesundheitsministerkonferenz der Länder gebe es bereits Bestrebungen, das DRG-System weiterzuentwickeln und in einigen Bereichen wie der Geburtshilfe, der Kinderheilkunde und der Notfallversorgung anzupassen. „Dies zeigt, dass in der Politik die Schwächen der Vergütungssystematik angekommen sind“, sagte Henke. Auch Paradigmen, dass gleiche Leistungen in Praxen und Krankenhäusern gleich vergütet werden sollten, müssten aufgrund der unterschiedlichen Kostenstrukturen in beiden Bereichen hinterfragt werden. Außerdem plädierte Henke dafür, die Personalkosten für Ärztinnen und Ärzte aus den Fallpauschalen auszugliedern, wie das bereits bei der Pflege der Fall sei. „Es muss aufhören, dass Krankenhausträger die insuffiziente Finanzierung der Investitionen durch die Länder zulasten des Personals kompensieren“, erklärte der Präsident. 

Weiterbildung darf nicht leiden

Der Reformbedarf der Krankenhauslandschaft in NRW sei auch bei den Ärztekammern unstrittig gewesen, sagte Dr. Anja Mitrenga-Theusinger, Mitglied des Vorstandes und Vorsitzende der Krankenhauskommission der Ärztekammer Nordrhein. Sie hoffe, dass der neue Krankenhausplan „vernünftige Strukturveränderungen“ schaffe. Mitrenga-Theusinger begrüßte es, dass sich die neuen Planungsvorgaben nach Leistungsbereichen und -gruppen an den Vorgaben der ärztlichen Weiterbildungsordnung ausrichten. Das sei neben dem Erhalt einer flächendeckenden Grund- und Regelversorgung eine zentrale Forderung der Ärztekammern gewesen. Die im Krankenhausplan angelegte Spezialisierung, die bei bestimmten medizinischen Leistungen durchaus sinnvoll sei, dürfe jedoch nicht dazu führen, dass die Weiterbildung der angehenden Fachärztinnen und Fachärzte leide, warnte sie. Deswegen müssten Weiterbildungsverbünde geschaffen werden, auch trägerübergreifend. Nach der neuen Planungssystematik sei die ausreichende Ausstattung mit Fachärztinnen und Fachärzten eine der zentralen Qualitätsanforderungen der einzelnen Leistungsbereiche und -gruppen.