Im November 2012 beschloss der Deutsche Bundestag das Patientenrechtegesetz. Damals diskutierten Experten auf dem Kölner Medizinrechtstag Chancen und Risiken des Gesetzes aus ärztlicher, juristischer und politischer Sicht. Knapp zehn Jahre später steht die Zukunft der Patientenrechte wieder im Fokus der Veranstaltung.
von Martin Bornemeier
Transparenz über die Rechte von Patientinnen und Patienten herzustellen und deren Durchsetzung zu erleichtern – das war das Ziel des Patientenrechtegesetzes von 2012. Jetzt, zehn Jahre später, mehrten sich die Forderungen nach einem weiteren Ausbau der Patientenrechte, erklärte Professor Dr. jur. Christian Katzenmeier, Leiter des Instituts für Medizinrecht der Universität zu Köln. Diskutiert werde zum Beispiel über eine Verschärfung der Dokumentationspflichten von Ärzten, Erleichterungen bei der Beweisführung für Patienten bei vermuteten Behandlungsfehlern bis hin zur generellen Beweislastumkehr oder auch die Schaffung eines Entschädigungsfonds für die Opfer von Behandlungsfehlern. Die Zukunft der Patientenrechte stand deshalb im Mittelpunkt des 7. Kölner Medizinrechtstags am 21. Oktober, zu dem Katzenmeier Vertreter von Patienten, Ärzteschaft, Rechtswissenschaft und der Haftpflichtversicherer geladen hatte.
Nicht noch mehr Dokumentation
Die Rechte der Patientinnen und Patienten seien integraler Bestandteil jeder Behandlung. Würden sie missachtet, sei das auch ein Verstoß gegen das ärztliche Selbstverständnis, betonte Dr. Klaus Reinhardt, Präsident der Bundesärztekammer (BÄK). Ärztinnen und Ärzte seien „hochengagiert“, wenn es darum gehe, Fehlern vorzubeugen, weil jeder Fehler auch ihnen nahegehe. „Fehler werden aber nie ganz zu vermeiden sein“, gab Reinhardt zu bedenken. Entscheidend sei, dass man aus ihnen für die Zukunft lerne. Mit Blick auf den Umgang mit vermuteten Behandlungsfehlern habe die Rechtsprechung ein differenziertes System von Beweiserleichterungen entwickelt. Diese Grundsätze hätten sich bewährt. „Wir täten nicht gut daran, sie vollständig aufzugeben und ein ganz neues System zu etablieren“, sagte der BÄK-Präsident. Er warnte zudem davor, Ärzte mit immer mehr Dokumentationspflichten zu belasten, damit diese im Zweifel die Richtigkeit einer Behandlung belegen könnten. Ein solcher unverhältnismäßiger bürokratischer Aufwand koste Zeit und gehe letztlich zulasten einer guten und patientenorientierten Versorgung.
Nach Ansicht von Reinhardt wird der Fokus beim Thema Patientenrechte zudem zu schnell auf die Frage der Arzthaftung gerichtet. Patientinnen und Patienten hätten zuvorderst das Recht, fehlerfrei behandelt zu werden. „Ein Patientenrechtegesetz 2.0 muss deshalb früher ansetzen“, forderte der BÄK-Präsident. Im Sinne der Prävention müssten Arbeitsbedingungen für das gesamte medizinische Personal geschaffen werden, die es möglichst verhinderten, dass Fehler entstehen. „Vorbeugen ist besser als entschädigen“, sagte Reinhardt. Klar sei aber auch, dass die Patienten im Falle eines berechtigten Behandlungsfehlervorwurfs angemessen entschädigt werden müssten.
Ärzte und Patienten auf Augenhöhe
Eine Stärkung der Patientenrechte bei Behandlungsfehlern hat sich auch die Ampelregierung auf die Fahne geschrieben. Im Koalitionsvertrag heißt es dazu: „Bei Behandlungsfehlern stärken wir die Stellung der Patientinnen und Patienten im bestehenden Haftungssystem. Ein Härtefallfonds mit gedeckelten Ansprüchen wird eingeführt.“ Ein Vollzugsproblem bei der Durchsetzung von Patienteninteressen bescheinigte denn auch Rainer Sbrzesny dem System. Der Referent im Stab des Patientenbeauftragten der Bundesregierung bemängelte die zum Teil hohen Hürden für Patienten, wenn diese ihre Patientenakten einsehen oder Belege für vermutete Behandlungsfehler beibringen wollten. Er hält deshalb die Verabschiedung eines Patientenrechtestärkungsgesetzes für notwendig, um die Begegnung von Ärzten und Patienten auf Augenhöhe zu erreichen. Das Wissensgefälle und die Informationsasymmetrie zwischen beiden Parteien führten noch immer zu Ungerechtigkeiten.