Am 5. Oktober hat die Königlich-Schwedische Akademie der Wissenschaften in Stockholm den Nobelpreis für Physik unter anderem an den deutschen Forscher Klaus Hasselmann und Syukuro Manabe aus den USA vergeben. Ausgezeichnet werden die beiden Forscher, weil sie mit ihren Modellen zum Wetter und Klima die Grundlagen für das Wissen über das Erdklima und den Einfluss des Menschen darauf gelegt haben. Die Preisverleihung ist ein weiterer Impuls dafür, dass wir uns als Ärzteschaft sehr viel intensiver mit der Verbindung von Klima- und Gesundheitsschutz befassen.
Vor rund zwei Jahren, im November 2019, war Elhadj As Sy, damaliger Generalsekretär der Internationalen Föderation der Rotkreuz- und Rothalbmondgesellschaften, bei uns Gastredner der siebten Jörg-Dietrich-Hoppe-Vorlesung. Seine Hauptaussagen von damals: Der Klimawandel, die unzureichende Pandemie-Vorsorge und die Gefährdung der psychischen Gesundheit infolge von Krisen bergen derzeit die größten Gefahren für die Gesundheit und das Wohl der Menschen auf der ganzen Welt. Wer hätte während As Sys Vorlesung gedacht, wie schnell sämtliche seiner Aussagen bestätigt würden – auch in Deutschland? Noch im Februar 2020 haben wir uns nicht einmal ansatzweise vorstellen können, dass es uns schon zwei Wochen nach Beginn einer Pandemie an Schutzkleidung und Desinfektionsmitteln, an aktuellen Pandemieplänen, an digitalen Meldewegen zur Situationsanalyse, an klaren Kommunikationswegen aller Akteure im Gesundheitswesen sowohl auf kommunaler als auch auf Landes- und Bundesebene fehlen würde? Wer hätte bei As Sys Worten gedacht, dass ein Starkregenereignis in NRW zahlreiche Dörfer, Städte und Kommunen so unvorbereitet treffen würde? Viele Menschen tragen schwere psychische Folgen aus den Erlebnissen der Hochwasserkatastrophe davon. Auch hier haben sich As Sys Vorhersagen bestätigt. Wir alle sind – auch dank des Fortschritts in Medizin und Technik – kaum noch darauf vorbereitet, dass Pandemien oder Naturkatastrophen unser Leben so nachhaltig beeinflussen und unser Sicherheitsgefühl so tiefgreifend erschüttern können. Verunsicherung, Zorn und Erschöpfung in der Bevölkerung sind sichtbare Zeichen dieser Erschütterung.
Nun sind sich viele Wissenschaftler aber sicher, dass ein fortschreitender Klimawandel die Gesundheit jedes Einzelnen und die Existenzbedingungen ganzer Bevölkerungen in Zukunft noch sehr viel stärker bedrohen wird, als wir es derzeit schon beobachten können.
Es ist Aufgabe der Ärzteschaft, darauf aufmerksam zu machen und zu entschlossenen Gegenmaßnahmen und Anpassungen beizutragen. Es ist deshalb gut, dass der Deutsche Ärztetag Anfang November das Thema „Klimaschutz ist Gesundheitsschutz“ auf der Tagesordnung hat und ein geschlossenes Zeichen nach außen senden wird, dass es mehr Anstrengungen bedarf, konsequent CO2 und andere Treibhausgasemissionen zu senken. Als Ärztinnen und Ärzte brauchen wir schnellstens neben grundlegenden Kenntnissen über die vom Klimawandel ausgehenden physischen und psychischen Belastungen auf den menschlichen Organismus Kenntnisse über die mit Extremwetterereignissen in Verbindung stehenden Gesundheitsschäden sowie über die weitere Ausbreitung von bekannten und neuen Infektionskrankheiten. In Kooperation mit der Universität Heidelberg bieten die Ärztekammer Nordrhein und die Nordrheinische Akademie aktuell einen MOOC-Kurs „Klimawandel – Was ändert sich für die Patientenversorgung?“ an, den ich Ihnen an dieser Stelle ans Herz lege (siehe Seite 28). Denn es ist jetzt geboten, dass wir die gesundheitlichen Folgen des Klimawandels stärker in unsere Aus-, Weiter- und Fortbildung integrieren, um bei kommenden Ereignissen – und diese werden kommen – besser vorbereitet zu sein.
Rudolf Henke, Präsident der Ärztekammer Nordrhein