Bundesjustizminister Gerhard Jahn (SPD) plante im Zuge einer Strafrechtsreform, Straftatbestände im Zusammenhang mit der Ausübung der ärztlichen Berufstätigkeit zu revidieren. Dies berichtete das Rheinische Ärzteblatt (RÄ) in seiner Ausgabe vom 23. November 1971. Die sozialliberale Regierung wollte den ärztlichen Eingriff rechtssystematisch neu einordnen. Bisher war er im Strafrecht im Prinzip als Körperverletzung angesehen worden. „Gegen diese Gleichstellung der Tätigkeit des Arztes mit Messerstechern und Schlägern hat sich die Ärzteschaft, übrigens in Übereinstimmung mit manchen Rechtsgelehrten, schon seit Jahrzehnten gewehrt“, schrieb das RÄ. Zukünftig sollten ärztliche Eingriffe als eigenständige, dem Wohle der Patientinnen und Patienten dienende Maßnahme anerkannt werden. Sie sollten als rechtmäßig gelten, solange eine Einwilligung des Patienten vorliegt oder die ärztliche Maßnahme nicht sittenwidrig ist. Auch wenn die zu begrüßende „Rehabilitation“ des ärztlichen Handelns in der praktischen Arbeit kaum von Bedeutung sein würde, so könne es dennoch schwierig werden, „die Fragen der Zustimmung des Patienten und der Aufklärungspflicht des Arztes befriedigend zu lösen“, so das RÄ.
Der Präsident der Ärztekammer Nordrhein, Dr. Friedrich-Wilhelm Koch, sprach bei der Kammerversammlung am 6. November 1971 von „Reformeuphorie“, die für manche Politiker und Publizisten modisch geworden sei. Bei diesen „Reformaposteln“ sei oft nicht zu erkennen, ob die geforderten Reformen der Sache dienten oder lediglich gesellschaftspolitisch motiviert seien, sagte Koch und fügte hinzu: „Das Schlagwort von den gesellschaftspolitisch notwendigen Reformen hat inzwischen auch das Gesundheitswesen erfaßt und dort recht üppige Blüten getrieben.“
bre