Neben ihrem Beruf engagieren sie sich ehrenamtlich für ihre Kolleginnen und Kollegen: die Kreisstellenvorsitzenden der Ärztekammer Nordrhein. Doch welche Eigenschaften machen einen Vorsitzenden eigentlich aus und wie begeistert man die junge Ärztegeneration für das Ehrenamt? Diese Fragen stellten wir Dr. Michael Wefelnberg, Vorsitzender der Kreisstelle Wesel, in unserer Reihe „Mein Engagement“.
RÄ: Stellen Sie sich vor, Sie sitzen in der Straßenbahn und möchten Ihrem Sitznachbarn erklären, was die Ärztekammer ist. Was würden Sie sagen?
Wefelnberg: Die Ärztekammer vertritt als Körperschaft des öffentlichen Rechts die Ärztinnen und Ärzte, aber auch Patientenrechte. Zum einen ist sie quasi der verlängerte Arm des Gesundheitsministeriums, zum anderen dient sie der Ärzteschaft dazu, eigene Vorstellungen und Impulse in die Gesetzgebung mit einzubringen.
RÄ: Welche Eigenschaften sollte ein Kreisstellenvorsitzender Ihrer Meinung nach mitbringen?
Wefelnberg: Man muss in erster Linie gut moderieren können und sollte ein ausgeglichenes Wesen haben. Es ist wichtig, bei Konflikten deeskalierend zu wirken und zu vermitteln und da, wo es angebracht ist, eine gute Portion Durchsetzungsvermögen aufzubringen. In der aktuellen Corona-Lage erreichen die Kreisstelle, aber auch die Praxen zahlreiche Beschwerden von Patientinnen und Patienten, denen aber viel zu oft eine objektive Grundlage fehlt. Da ist die Kommunikation nicht einfach und es zerrt natürlich auch an unseren Nerven. Konstruktive Kritik ist immer erwünscht, aber wir sind keine Anlaufstelle für Frust und Missmut über die pandemische Situation.
"Ich würde mir wünschen, dass Politik und Gesellschaft die medizinischen Berufe nach der Pandemie deutlich mehr zu schätzen wüssten."
RÄ: Was möchten Sie als Kreisstellenvorsitzender in Wesel bewirken?
Wefelnberg: Wir wollen unsere Arbeit für den Kreis fortsetzen und hoffen auf die Rückkehr zu mehr Normalität. In der Kreisstelle sind wir in der Pandemie sehr schnell auf Videokonferenzen umgestiegen. Das klappt auch wunderbar, allerdings wünschen wir uns alle die Gespräche von Angesicht zu Angesicht zurück (lacht). Der persönliche Austausch wird doch sehr vermisst. Ich würde mir wünschen, dass Politik und Gesellschaft die medizinischen Berufe, und darunter fallen auch die Medizinischen Fachangestellten, nach der Pandemie deutlich mehr zu schätzen wüssten. Die meisten Menschen können sich kaum vorstellen, wie es für uns in den Praxen und Kliniken am Anfang der Pandemie war. Es gab zu wenig Schutzkleidung, die Lage war ungewiss und angespannt und man sah sich von allen Seiten mit Ängsten konfrontiert.
RÄ: Welchen Rat würden Sie Ärztinnen und Ärzten geben, die heute in den Beruf starten?
Wefelnberg: Menschen zu helfen, macht Spaß, der Arztberuf macht Spaß! Erfreut Euch an den Patientinnen und Patienten, die Ihr kennenlernen dürft und die Euch dankbar sind für Eure Arbeit. Nehmt berechtigte Kritik an, um Euch stetig zu verbessern, aber nehmt Euch die Nörgler nicht zu Herzen.
RÄ: Wie würden Sie die junge Ärztegeneration davon überzeugen, sich ehrenamtlich in der Ärztekammer zu engagieren?
Wefelnberg: Es ist unheimlich wichtig, dass sich junge Kolleginnen und Kolleginnen in den Kammern engagieren. Wenn ich mir den Altersdurchschnitt der Ehrenamtlichen in der Ärztekammer anschaue, sind viele bereits im Rentenalter oder stehen kurz davor. Die Stimme der Jungen fehlt uns ein wenig in der Kreisstelle. Denn gerade Themen wie die herausfordernde Digitalisierung oder neue medizin-technische Verfahren können wir nur im Dialog mit der jungen Ärztegeneration schultern. Wir dürfen die Digitalisierung nicht verschlafen. Es braucht einen stetigen Austausch aller Ärztegruppen und -generationen: von Weiterzubildenden, Angestellten, Niedergelassenen, Klinikärzten. Wir kommen nur gemeinsam weiter.
Das Interview führte Vassiliki Latrovali.
Dr. Michael Wefelnberg wurde 1959 in Spellen, dem ältesten Stadtteil von Voerde, geboren. Er studierte an der Philipps-Universität in Marburg und der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel. Für seine Weiterbildung zog es den Allgemeinmediziner und Facharzt für Chirurgie nach Nordrhein, an das Evangelische Krankenhaus in Dinslaken. Wefelnberg ließ sich 1993 mit eigener Praxis in Hünxe nieder. Seit 2017 ist er als angestellter Arzt für die MVZ Ärzte am Niederrhein GmbH tätig. Er ist verheiratet, hat vier Kinder und drei Enkel. Wefelnberg engagiert sich seit 2005 im Vorstand der Kreisstelle.