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Praxis

Konsiliarregelung verringert Defizite bei der Versorgung Opioidabhängiger

21.05.2021 Seite 29
RAE Ausgabe 6/2021

Rheinisches Ärzteblatt

Heft 6/2021

Seite 29

Antragsformulare, Richtlinien und Gesetze zur Konsiliarregelung unter: https://www. kvno.de/praxis/qualitaet/genehmigungen/substitution
Die substitutionsgestützte Behandlung hat sich zur Standardbehandlung opioidabhängiger Patienten entwickelt. Doch es mangelt an Ärztinnen und Ärzten, die diese Therapieform anbieten. Mit einem Konsiliar-Arzt an ihrer Seite können auch Ärztinnen und Ärzte, die über keine suchtmedizinische Zusatzqualifikation verfügen, subsitutieren.

von Jo Shibata

Opioidabhängige Menschen leiden unter einer schweren chronischen Krankheit, die von psychischen, somatischen und psychosozialen Problemlagen begleitet wird und die oft einer lebenslangen Behandlung bedarf. Dabei spielt die Substitutionsbehandlung eine herausragende Rolle, die mehr ist als eine „Ersatzdrogenbehandlung“ – sie sichert das Überleben dieser Patientinnen und Patienten und schafft die Voraussetzungen für eine Therapie der oft schweren Begleiterkrankungen. Darüber hinaus können die Therapieziele der Behandlung sehr unterschiedlich sein. Sie sollten aber immer an die individuelle Situation der Opiodabhängigen angepasst werden und sich nicht ausschließlich dem Ziel der Opioidabstinenz unterordnen. Behandlungsziele können zum Beispiel die Reduktion hochriskanter Konsumformen und des Gebrauches weiterer Suchtmittel sein, aber auch die Verringerung abhängigkeitsbedingter Risiken während einer Schwangerschaft. Auch die Verbesserung der gesundheitsbezogenen Lebensqualität und die Reduktion der Straffälligkeit können im Vordergrund der Behandlung stehen. Die Substitutionsbehandlung soll opioidabhängigen Menschen ermöglichen, wieder umfassend am Leben teilzuhaben. Nach SGB V und VI bedeutet dies, unter anderem in der Lage zu sein, sich selbst zu versorgen, am Erwerbsleben teilzunehmen und soziale Kontakte zu pflegen. Deshalb ist bereits 2001 die Möglichkeit, auch unter Substitutionsbehandlung Zugang zur medizinischen Rehabilitation erhalten zu können, in die Vereinbarung Abhängigkeitserkrankungen zwischen gesetzlicher Krankenversicherung und Deutscher Rentenversicherung aufgenommen worden.

Die Anzahl der Substitutionspatientinnen und -patienten in Deutschland ist in den letzten zehn Jahren kontinuierlich angestiegen. Zum 1. Juli 2020 befanden sich nach Angaben der Bundesopiumstelle 81.300 Patienten in einer solchen Behandlung. Im gleichen Zeitraum aber ist die Zahl der substituierenden Ärztinnen und Ärzte zurückgegangen. Die Stigmatisierung Drogenabhängiger, mangelnder ärztlicher Nachwuchs und hoher bürokratischer Aufwand haben zu einem Rückgang des Substitutionsangebotes geführt. Gerade in ländlichen Regionen verschärft sich diese Situation, sodass ganze Landkreise ohne Versorgung sind.

Substitution beim Hausarzt

Bei der Beseitigung dieser Versorgungsengpässe spielt die Konsiliarregelung eine besondere Rolle: Hiernach können auch Ärztinnen und Ärzte, die nicht über eine suchtmedizinische Qualifikation verfügen, bis zu zehn Patienten [1] gleichzeitig substituieren, wenn sie einen suchtmedizinisch qualifizierten Kollegen oder eine Kollegin in die Behandlung einbeziehen.  So können zum Beispiel auch hausärztliche Praxen ohne suchtmedizinischen Schwerpunkt einzelne Patienten wohnortnah versorgen.

Der Hausarzt führt dann die Substitutionsbehandlung sowie die Verschreibung des Substitutionsmittels selbstständig durch, wird dabei aber von einem suchtmedizinisch qualifizierten Konsiliarius unterstützt: Dieser muss die Patienten zu Behandlungsbeginn und im Verlauf mindestens einmal im Quartal untersuchen und hat damit die Möglichkeit, die wichtigsten Aspekte der Behandlung mit dem Hausarzt zu besprechen. Dazu gehören in der Regel die Auswahl und Dosierung des Substitutionsmittels, Vergabe und Mitgaberegelung  („take home“), die Ergebnisse der Drogenscreenings, die weitere Therapieplanung sowie die Abklärung, ob eine externe psychosoziale Betreuung einbezogen werden sollte. Der Konsiliar-Arzt sollte zusätzlich bei außergewöhnlichen Vorkommnissen kontaktiert werden.

Die Qualitätssicherungskommission Substitution der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein stellt einen Dokumentationsbogen zur Verfügung, der der Stichprobenprüfung, aber auch als Arbeitshilfe und Leitfaden zur Durchführung der Behandlung dient. Sie unterstützt außerdem bei der Suche nach Konsiliar-Ärzten.

Die Beratungskommission zur substitutionsgestützten Behandlung Opioidabhängiger der Ärztekammer Nordrhein bietet eine Hotline an, über die substituierende Ärztinnen und Ärzte telefonisch eine umfassende Beratung zu allen Aspekten der Substitutionsbehandlung erhalten können (https://www.aekno.de/aerzte/beratung/beratungskommission-substitutionsgestuetzte-behandlung-opioidabhaengiger). 

Jo Shibata ist Facharzt für Innere Medizin und in der Substitutionsambulanz des Gesundheitsamts der Stadt Köln tätig. Darüber hinaus betreut er als beratungsführender Arzt die Hotline der Ärztekammer Nordrhein und ist Mitglied der Beratungskommission zur substitutionsgestützten Behandlung Opioidabhäniger.


Literatur

[1]    Aktuell ist die Limitierung der Patientenzahl zur Sicherung der Versorgung im Rahmen des epidemischen Notstandes durch die SARS-CoV-2 Epidemie ausgesetzt.

Antragsformulare, Richtlinien und Gesetze zur Konsiliarregelung unter: https://www.kvno.de/praxis/qualitaet/genehmigungen/substitution