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Meinung

Vertrauen und Transparenz

21.01.2021 Seite 3
RAE Ausgabe 2/2021

Rheinisches Ärzteblatt

Heft 2/2021

Seite 3

Rudolf Henke © Jochen Rolfes
Als erste Nordrheinerin wurde am 27. Dezember 2020 eine 92-jährige Bewohnerin eines Seniorenzentrums in Köln mit dem Impfstoff von Biontech/Pfizer gegen SARS-CoV-2 geimpft. Ermöglicht dadurch, dass noch nie zuvor so schnell ein neuer Impfstoff entwickelt und zugelassen wurde. Und noch nie zuvor wurden in so kurzer Zeit neue Strukturen wie Impfzentren und mobile Impfteams geschaffen.

Seit Ende vergangenen Jahres bis Mitte Januar 2021 sind in Nordrhein-Westfalen knapp 250.000 Impfdosen durch die mobilen Impfteams der Kassenärztlichen Vereinigungen in Senioren- und Pflegeheimen verimpft worden. Seit dem 18. Januar werden in den NRW-Kliniken auch Krankenhauspersonal und Rettungskräfte mit einem beruflich besonders hohen Expositionsrisiko sowie mit Kontakt zu vulnerablen Gruppen geimpft. Das sind nicht nur sehr gute Nachrichten für das Personal, die Patienten und Pflegekräfte in den Wohnheimen und Kliniken. Das sind vor allem Nachrichten, die keiner von uns vor einem Jahr zu einem so frühen Zeitpunkt für möglich gehalten hätte.

Natürlich sind mit dem Impfbeginn große, vielleicht zu ungeduldige Hoffnungen und Erwartungen verbunden. Allen voran die Erwartung, dass der Impfstart schnell zur Senkung der Sterblichkeit durch COVID-19 beitrage und der Pandemie und den mit ihr verbundenen Einschränkungen bald den Nährboden nehme. Vielleicht tragen diese hohen Erwartungen dazu bei, dass in Deutschland kaum zwei Tage nach der ersten Impfung eine hochemotionale Debatte über Versäumnisse und Fehler rund um den Impfstart eingesetzt hat.

Von der vermeintlich unzureichenden Impfstoffbeschaffung und der scheinbar verzögerten Verteilung von Impfstoffen durch die Länder und Kassenärztlichen Vereinigungen über die angeblich fehlende Vorbereitung in einigen Impfzentren und Alten- und Pflegeheimen und die Priorisierungen des knappen Impfstoffs bis hin zur mancherorts zunächst zurückhaltenden Impfbereitschaft von Pflegekräften – alles stand oder steht gerade auf dem Prüfstand. Leider müssen wir erleben, dass die Diskussionen zum Teil wenig konstruktiv geführt werden. So richtet die Art der Auseinandersetzung allzu leicht nachhaltigen Schaden bei der Bekämpfung der Pandemie an. Sie senkt nicht nur die Impfbereitschaft in der Bevölkerung, sie würdigt auch den hohen und zum Teil freiwilligen Einsatz aller Beteiligten zur Ermöglichung des schnellen Impfstarts herab. Wertschätzung für die, die derzeit unter immensem Zeitdruck planen, organisieren, aufklären und impfen – unterdosiert.  

„Impfen“, das wissen wir aus unseren Erfahrungen mit anderen Schutzimpfungen, benötigt vor allem Vertrauen. Vertrauen in die Zuverlässigkeit des Impfstoffs, Vertrauen in die Prüfung und Zulassung, Vertrauen in die Impfstrategie und in die Abläufe. Vertrauen schaffen wir nicht, wenn wir jetzt beispielsweise über die Impfpflicht für einzelne Berufsgruppen diskutieren oder Organisationsprobleme nicht mehr untereinander lösen, sondern medienwirksam nach außen adressieren.

Eine auf Vertrauen basierende Impfbereitschaft erreichen wir, wenn wir jetzt gemeinsam Akzeptanz für die Priorisierung bei knappen Impfstoffressourcen schaffen, wenn es uns gelingt, den aus vulnerablen Risikogruppen allein Lebenden den Weg zur Impfung so einfach wie möglich zu machen und wenn wir durch Transparenz und Aufklärung den Weg zu vielen positiven Impfentscheidungen ebnen. Auch an dieser Stelle leisten Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen, mit ihren Aufklärungsgesprächen und ihrem Vorbild in Praxen, Kliniken und Impfzentren einen unschätzbaren Beitrag dazu, dass die jetzige Impfkampagne erfolgreich angelaufen ist. Dafür herzlichen Dank.

Ich persönlich freue mich auf die Impfung, aber warte natürlich, bis ich an der Reihe bin. Und ich bin dankbar, dass wir es alle gemeinsam so schnell bis hierhin geschafft haben.

Rudolf Henke, Präsident der Ärztekammer Nordrhein