Sie will das Image der Pflege verbessern und einen Platz am politischen Verhandlungstisch einnehmen: Sandra Postel, Vorsitzende des Errichtungsausschusses der Pflegekammer Nordrhein-Westfalen. Welche politischen Wege die Pflegekammer gehen will und wie weit der Aufbau der Selbstverwaltung fortgeschritten ist, darüber sprach die Pflegewissenschaftlerin und ehemalige Vizepräsidentin der Landespflegekammer Rheinland-Pfalz mit dem Rheinischen Ärzteblatt.
RÄ: Was versprechen Sie sich von einer Pflegekammer in NRW?
Postel: Wir möchten in politische Entscheidungen eingebunden werden. Als Teil der Selbstverwaltung werden wir automatisch in Entscheidungsprozesse integriert. Das stärkt auch das Selbstbewusstsein der Pflegeberufe. Wir stellen immer wieder fest, dass wir Pflegende extrem fremdbestimmt sind.
RÄ: Was versprechen sich Ihrer Meinung nach die Pflegenden von ihrer Kammer?
Postel: Sie wollen einen Platz am Verhandlungstisch. Die Pflege ist Verhandlungsmasse statt Verhandlungspartner. Das müssen wir ändern. Die Pflegenden wollen mehr Mitspracherecht, wenn es um ihren eigenen Beruf geht.
Darüber hinaus möchten sie die Attraktivität der Pflegeberufe steigern. Pflegende sind „arm dran“. Das ist das Image der Pflegeberufe. Es heißt, wir verrichten „niedere Arbeiten“, sind „Mädchen für alles“. Auf der einen Seite rangiert der Pflegeberuf bei Umfragen unter der Top Ten der Berufe, denen man am meisten vertraut. Auf der anderen Seite will niemand diesen Beruf ausüben. Diesen schiefen Blick auf die Pflege müssen wir geraderücken.
RÄ: Der Errichtungsausschuss hat seine Arbeit aufgenommen. Gibt es schon erste Ergebnisse?
Postel: Der Errichtungsausschuss trifft sich einmal im Monat. Außerdem haben wir vier Arbeitsgruppen, zum Teil mit Untergruppen, gebildet, die sich wöchentlich treffen. Der Aufbau der Geschäftsstelle ist im vollen Gang. Wir haben dafür Räumlichkeiten angemietet und bereits erste Bewerbungen auf Stellenausschreibungen bekommen. Die Arbeitsgruppe „Kommunikation“ bereitet unsere Homepage und unseren Auftritt in den sozialen Medien vor. Außerdem plant sie erste Informationsveranstaltungen für unsere Mitglieder. Die Arbeitsgruppe „Satzungen und Ordnungen“ hat die Hauptsatzung vorbereitet, die jüngst im Ausschuss verabschiedet wurde, und beschäftigt sich nun unter anderem mit der Melde-, Entschädigungs- und Wahlordnung. Aktuell entscheidet sie über die IT-Infrastruktur, die wir für die Registrierung der rund 200.000 Pflegenden brauchen. Die vierte Arbeitsgruppe kümmert sich um die politische Agenda der Pflegekammer.
Ende November haben wir als Pflegekammer gemeinsam mit NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann und Dr. Hans-Albert Gehle, Präsident der Ärztekammer Westfalen-Lippe, auf einer Pressekonferenz zum Freiwilligenregister NRW gesprochen. Wir erfahren von den nordrhein-westfälischen Ärztekammern und der Landesregierung ein großes Entgegenkommen und viel Wohlwollen. Obwohl wir noch in der Aufbauphase sind, wurden wir bereits in politische Entscheidungen eingebunden.
RÄ: Die Pflegenden haben der Pflegekammer in der Umfrage der Landesregierung einen großen Vertrauensvorschuss gegeben. 79 Prozent der Pflegenden sprachen sich für den Aufbau einer Pflegekammer aus. Wie wollen Sie die Mitglieder auch zukünftig von dem Wert einer Selbstverwaltung überzeugen? Was setzen Sie Zweiflern entgegen?
Postel: Ich denke, es wird und muss immer Zweifler geben. Genauso wie es immer Gegner geben wird. Ich kann verstehen, dass manche uns erst einmal skeptisch gegenüberstehen. Die Pflegekammer ist und bleibt eine Behörde. Und sie erhebt Pflichtbeiträge. Da kann man zunächst einmal keine Begeisterungsstürme erwarten. Eine hohe Akzeptanz und Vertrauen unter den Mitgliedern zu erreichen, wird für die Pflegekammer ein immerwährender Prozess sein.
Das Wichtigste ist, dass wir unsere Arbeit gut und richtig machen. Wir könnten jetzt Kampagnen starten, um für die Pflegekammer und unsere Arbeit zu werben. Aber wir wollen vor allem inhaltlich wirksam sein und nicht nur die Werbetrommel rühren.
Wir wollen die Rahmenbedingungen der Pflege verändern. Dazu müssen wir erst einmal unsere wichtigsten Themen setzen und als Errichtungsausschuss schon interne Debatten anstoßen, denn das bedeutet auch, dass wir die vielen, oft auch unterschiedlichen Sichtweisen der Pflegenden auf diese Themen kennenlernen müssen.
RÄ: Die niedersächsische Pflegekammer soll aufgelöst werden. Wie konnte es Ihres Erachtens dazu kommen? Und wie groß ist die Gefahr, dass NRW ein ähnliches Schicksal erleidet?
Postel: NRW-Gesundheitsminister Laumann hat uns für den Aufbau der Pflegekammer einen schuldenfreien Start und fünf Millionen Euro zugesichert. In Niedersachen stand die Pflegekammer dagegen finanziell enorm unter Druck und ihr fehlte der politische Rückhalt. Das ist meines Erachtens ein wesentlicher Grund dafür, dass die Kammer dort gescheitert ist. Dazu kommt, dass auch das Miteinander der Pflegenden nicht funktioniert und die Geschäftsstelle Fehler gemacht hat.
RÄ: Haben Sie schon Pläne für eine Zusammenarbeit der Pflegekammer mit den Ärztekammern in NRW?
Postel: Wir möchten die interprofessionelle Kommunikation zwischen Pflegenden und Ärztinnen und Ärzten verbessern. Ein schönes Beispiel ist die interprofessionelle Kooperation auf Intensivstationen. Hierzu könnte ich mir vorstellen, gemeinsam mit den Ärztekammern über gemeinsame Fortbildungsformate nachzudenken.
Das Interview führte Jocelyne Naujoks.