Neben ihrem Beruf engagieren sie sich ehrenamtlich für ihre Kolleginnen und Kollegen: die Kreisstellenvorsitzenden der Ärztekammer Nordrhein. Doch welche Eigenschaften machen einen Vorsitzenden eigentlich aus und wie begeistert man die junge Ärztegeneration für das Ehrenamt? Diese Fragen stellten wir Dr. Stefan Lichtinghagen, Vorsitzender der Kreisstelle Oberbergischer Kreis, in unserer Reihe „Mein Engagement“.
RÄ: Stellen Sie sich vor, Sie sitzen in der Straßenbahn und möchten Ihrem Sitznachbarn erklären, was die Ärztekammer ist. Was würden Sie sagen?
Lichtinghagen: Die Ärztekammer Nordrhein ist die berufliche Vertretung von rund 63.500 Ärztinnen und Ärzten der Regierungsbezirke Köln und Düsseldorf. Sie ist die drittgrößte der insgesamt 17 Ärztekammern in Deutschland. Die Hauptstelle hat ihren Sitz in der Landeshauptstadt Düsseldorf. Zusätzlich gibt es noch 27 Kreisstellen. Zu den Aufgaben der Kammer gehören unter anderem die ärztliche Selbstverwaltung und die regionale Interessenvertretung.
RÄ: Welche Eigenschaften sollte ein Kreisstellenvorsitzender Ihrer Meinung nach mitbringen?
Lichtinghagen: Prinzipiell sind Kommunikations- und Kontaktfreudigkeit sehr wichtig. Man würde heute wohl eher von Networking Skills sprechen (lacht). Es ist sicherlich auch hilfreich, einen ausgleichenden und verständnisvollen Charakter zu haben. Man sollte in jedem Fall bereit sein, Streitigkeiten zu schlichten. Gerade in den aktuellen Pandemie-Zeiten hat sich dies verstärkt – sowohl bei den Patienten als auch bei den Ärzten. Ich denke allerdings nicht, dass es ein pauschales Jobprofil für Vorsitzende geben kann. Der Charme unserer Kreisstellen liegt darin, dass jede Vorsitzende und jeder Vorsitzende individuell ist und dort viele verschiedene Persönlichkeiten zusammenkommen.
„Es ist sicherlich auch hilfreich, einen ausgleichenden und verständnisvollen Charakter zu haben.“
RÄ: Was möchten Sie als Kreisstellenvorsitzender im Oberbergischen Kreis bewirken?
Lichtinghagen: Mir liegt die regionale Zusammenarbeit sehr am Herzen. Gerade in unseren ländlichen Strukturen ist das nicht immer einfach. Ich bin sehr froh, dass wir mit unserer Kreisstelle in Gummersbach vor Ort zur Verfügung stehen. Ich denke, in Zukunft werden wir uns noch mehr darauf konzentrieren, junge Kolleginnen und Kollegen davon zu überzeugen, dass es sich hier im Oberbergischen Kreis wunderbar leben und arbeiten lässt. Unter Berücksichtigung der aktuellen Altersstruktur werden wir in einigen Jahren sehr schlecht dastehen. Es gibt allerdings schon kleinere positive Entwicklungen, die wir sehr begrüßen. Man ist hier im Oberbergischen auch immer in der Nähe einer Großstadt, falls es auf dem Land zu einseitig wird. Vielleicht regt Corona mehr Menschen an, wieder in die Natur zu ziehen. Die erste Welle der Pandemie war natürlich auch für uns eine Herausforderung. Wir konnten aber gemeinsam gute Strukturen organisieren. Nicht alle Kolleginnen und Kollegen wollten und konnten sich jedoch auf die Neuerungen und Veränderungen einlassen. Letztendlich haben aber genügend Ärztinnen und Ärzte mit angepackt und wir konnten die schwierige Situation meistern.
RÄ: Welchen Rat würden Sie Ärztinnen und Ärzten geben, die heute in den Beruf starten?
Lichtinghagen: Ich würde ihnen dringend empfehlen, trotz der bürokratischen Hürden und anderer Belastungen nie zu vergessen, warum sie diesen Beruf ergriffen haben. Der Arztberuf kann unheimlich sinnstiftend sein und gibt einem sehr viel zurück. Man sollte darauf achten, dass man eine qualifizierte Aus- und Weiterbildung erhält, sich gute ärztliche Vorbilder sucht und im Laufe der Jahre seine ärztliche Empathie beibehält. So macht die Arbeit viel Freude.
RÄ: Wie würden Sie die junge Ärztegeneration davon überzeugen, sich ehrenamtlich in der Ärztekammer zu engagieren?
Lichtinghagen: Unsere Kreisstelle hat sich durch die Wahlen deutlich verjüngt. Das zeigt, dass die nächste Ärztegeneration bereit ist, sich ehrenamtlich zu engagieren. Überzeugen kann man nur, wenn man von seinen eigenen Erfahrungen berichtet. So hat es damals bei mir geklappt. Sicherlich bedeutet das Ehrenamt auch Mehrarbeit. Die Vorteile überwiegen aber deutlich: Man kann Entscheidungen mit treffen, sich berufspolitisch einbringen und hat einen tollen kollegialen Austausch.
Das Interview führte Vassiliki Latrovali
Dr. Stefan Lichtinghagen wurde 1971 in Aachen geboren. Er studierte in Berlin und Freiburg Medizin und ging für Famulaturen und im Praktischen Jahr nach Wien, Cambridge, Südafrika und Indien. Er promovierte an der Universität Freiburg und zog für seine Weiterbildung nach Köln. Heute lebt der Facharzt für Innere Medizin und Gastroenterologie mit seiner Frau und seinen drei Töchtern in Gummersbach.