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Wissenschaft und Fortbildung – Folge 127 aus der Reihe "Aus der Arbeit der Gutachterkommission"

Luftembolien – selten, aber gefährlich

25.08.2021 Seite 25
RAE Ausgabe 9/2021

Rheinisches Ärzteblatt

Heft 9/2021

Seite 25

Luftembolien sind im klinischen Alltag zwar sehr selten, aber mit einer hohen Morbidität und Mortalität verbunden. Bekannte Maßnahmen zur Verhinderung müssen genutzt werden.

von Erland Erdmann, Burkhard Gehle und Beate Weber 

Generelle Gefahr der Luftembolie

Eine Luftembolie entsteht, wenn Luft in die Blutbahn gelangt. Eine offene Verbindung zwischen einer Vene und der Außenwelt genügt für das Zustandekommen, sofern ein negativer Venendruck vorliegt. Normalerweise kollabiert eine eröffnete Vene, sodass es nicht zu einem Lufteintritt kommt. Wird das Lumen jedoch durch Fixierung der Venenwand mit der Umgebung offengehalten, ist die erste Bedingung für einen Lufteintritt erfüllt [1]. Da in den peripheren Körpervenen normalerweise kaum eine solche Bedingung vorliegt, sind Komplikationen bei einfachen Handlungsfehlern bei intravenösen peripheren Verweilkanülen und korrekt tief gelagerter Extremität sehr selten. Zwar sollte der Schlauch für eine Infusion weitestgehend luftgeleert sein, kleinere Luftbläschen stellen im venösen System jedoch meist keine Gefährdung des Patienten dar und benötigen zumeist keine therapeutische Maßnahme. Luftmengen ab 20 ml werden dagegen in der Literatur als gefährlich beschrieben [2]. Die Öffnungszeit des Zugangs sollte kurz und damit die Luftemboliegefahr klein gehalten werden. Mit geschlossenen Systemen kann die Komplikation vermieden werden. Gefährlich sind insbesondere Druck-Infusionssysteme, die nicht vollständig luftleer gemacht worden sind. Die Verwendung von Schraubverbindungen und Personalschulungen haben eine Luftembolie selten werden lassen [3].

Zentralvenen- und venöse Portkatheter

Anders sehen die Druck- und damit Gefährdungsverhältnisse bei Zentralvenen- und venösen Portkathetern aus, denn herznah kann ein pulssynchroner Unterdruck auftreten. Zur Außenwelt offene Zentralvenenkathetersysteme können daher tödliche Folgen haben, wenn eine ausreichend große Menge an Luft eintritt. Auch Druckinfusionen, wie sie zum Beispiel bei Herzkatheteruntersuchungen eingesetzt werden, können bei mangelhafter Entlüftung des Schlauchsystems zu einer Luftembolie führen, da hier mit hohem Druck größere Mengen Luft direkt ins Herz beziehungsweise die Herzkranzgefäße gedrückt werden können. Fallberichte weisen darauf hin, dass auch bei der Entfernung eines zentralvenösen Katheters eine Luftembolie entstehen kann [3]. Demnach kommt es mit der ZVK-Einlage zu einer Fibrinreaktion des Körpers mit Ausbildung eines Kanals, der bereits nach 24 Stunden geformt wird. 

Die Gefahr einer Luftembolie ist daher umso größer, 

  • je länger ein ZVK liegt, 
  • je größer sein Lumen ist, 
  • je kürzer der Weg von der Punktionsstelle zum venösen Gefäß ist und 
  • je negativer der zentralvenöse Druck ist.

Gefährdeter für eine Luftembolie sind schlanke, kachektische Patienten oder dehydrierte Patienten mit niedrigem zentralen Venendruck. Wichtig ist, dass man mit dem Problem vertraut ist und klinische Zeichen rechtzeitig erkennt. Die Entfernung von intravasalen Zugängen sollte nur durch erfahrenes Fachpersonal erfolgen. Gerade die Entfernung von Kathetern in sitzender Lage des Patienten ist gefährlich.  Der luftdichte Verschluss der Lumina ist zu prüfen und sicherzustellen. Die Fadenfixierung des Katheters sollte vor der Entfernung durchtrennt sein. Mit klaren Anweisungen zum Vorgehen beim Entfernen lassen sich Komplikationen wie eine Luftembolie vermeiden [3], beispielsweise durch die Bitte an den Patienten, tief ein- und auszuatmen, mit Entfernung des Katheters in der Exspirationsphase. Wenn möglich sollte der Patient bei der Prozedur nicht husten (gegebenenfalls Antitussivumgabe). Es wird empfohlen, den Patienten unmittelbar nach dem Entfernen noch etwa 40 Minuten flach zu lagern, die Einstichstelle 5 bis 10 Minuten zu komprimieren und für 24 bis 48 Stunden luftdicht zu verschließen. 

Bei Verdacht auf einen Lufteintritt (Zyanose, Dyspnoe, Thoraxschmerz, Bewusstlosigkeit) sollte ein weiterer Lufteintritt sofort unterbunden werden. Der Patient sollte so schnell wie möglich in eine flache Rückenlage, gegebenenfalls in eine Linksseitenlage gebracht werden. Durch Vasalva-Manöver und Volumenzufuhr sollte versucht werden, den zentralen Venendruck zu erhöhen. Angezeigt sein können eine 100%ige Sauerstoffgabe und die Verabreichung von Katecholaminen. Auf eine nötig werdende Reanimation sollte man vorbereitet sein.

Diagnostik und Behandlung am Herzen mittels Katheter

Eine völlig andere Situation stellt sich bei der Diagnostik und interventionellen Behandlung am linken Herzen dar. Hierbei befindet man sich zugangsbedingt bereits im arteriellen Kreislauf. Über das Kathetersystem eingebrachte geringe Luftmengen, beispielsweise beim unachtsamen Aufziehen von Luft statt von Kontrastmittel während der Prozedur, können die Mikrozirkulation in den Koronarien stören, was zur Angina pectoris-Symptomatik bis hin zur akuten Ischämie der Herzmuskulatur führen kann. Die seltene schwerwiegende Komplikation eines massiven Lufteintritts in das linke Herz und dadurch potenziell in die Gehirngefäße, ist durch Vorsichtsmaßnahmen absolut vermeidbar und stellt damit ein voll beherrschbares Risiko dar [4, 5, 6, 7]. Zum Lufteintritt in das linke Herz kommt es nach entsprechenden Untersuchungen vorzugsweise dann, wenn ein stark sedierter Patient unruhig wird und derart schwer atmet oder hustet, dass sich im linken Herzen ein gegenüber den Außendruckverhältnissen negativer Druck entwickelt. Durch ein zu diesem Zeitpunkt nicht vollständig verschlossenes Katheterventil kann dann Luft eintreten. Zum Schutz des Patienten müssen daher bei entsprechenden Kathetermanipulationen geeignete Maßnahmen standardmäßig ergriffen werden [8,9,10,11,12], die einen über kleinste Luftbläschen hinausgehenden Lufteintritt sicher verhindern. Dies kann beispielsweise dadurch erreicht werden, dass das Schleusenventil bei allen Manipulationen in einer mit Wasser gefüllten Schale liegt [8,10,11,12].

Fälle der Gutachterkommission

Die Gutachterkommission hatte sich bisher nur in wenigen Fällen mit dem Vorwurf einer Luftembolie zu befassen. In den in den Jahren 2015 bis 2020 abgeschlossenen Begutachtungen gelangten sieben Fälle zur Entscheidung. Behandlungsfehler bei Luftembolien wurden festgestellt bei drei vorgeworfenen interventionellen Behandlungen, bei einer von zwei vorgeworfenen Herzkatheteruntersuchungen sowie bei einer ZVK-Entfernung. Die nach Ausschluss anderer Ursachen behauptete Luftembolie im Rahmen einer Bronchoskopie bei einem knapp 50-jährigen Patienten mit Bronchialkarzinom, bei dem eine zerebrale Ischämie eingetreten war, war dagegen nicht gesichert. Für vorgeworfene Behandlungsfehler ergaben sich keine Hinweise. 

Über fünf Fälle soll nachfolgend exemplarisch berichtet werden.

Fall 1 Zentralvenöser Katheter 

Bei einem Mitte 50-jährigen Patienten sollte am 4. postoperativen Tag im Jahre 2019 nach einer notfallmäßigen Laparoskopie bei durch Abszesse komplizierter Sigmadivertikulitis auf der Allgemeinstation ein seit dem Eingriff liegender zentralvenöser Katheter (ZVK) nicht bekannter Lokalisation entfernt werden. Hierunter erlitt der Patient eine reanimationspflichtige Synkope. Im Reanimationsprotokoll des hinzugezogenen Anästhesisten wurde zum Verlauf niedergelegt, dass der Patient beim Ziehen des ZVK durch Pflegepersonal plötzlich die Augen verdreht habe, sodass sofort Notfallalarm gegeben worden sei. Bei nachfolgender Tetraparese mit Blickdeviation des Patienten wurde auf der Intensivstation eine zerebrale CT-Untersuchung veranlasst, die postischämische Läsionen bei massiver Luftembolie zeigten. Im Befund wurde niedergelegt, dass „der ZVK leider im Sitzen entfernt worden sei“. 

Gutachterlich wurde es – ausgehend von einer lückenhaften Behandlungsdokumentation – als behandlungsfehlerhaft bewertet, dass allgemeine Regeln zur Vermeidung einer Luftembolie nicht eingehalten wurden und die Entfernung des zentralvenösen Katheters in sitzender statt in liegender Position erfolgte. Eine so massive Lungenembolie wie in diesem Fall vorliegend hätte auf jeden Fall durch die Maßnahme verhindert werden können. Die Chirurgen haften in diesem Fall für die Erfüllungsgehilfin.  

Fall 2 Herzkatheter 

Bei einer Mitte 50-jährigen Patientin konnte im Jahr 2014 im Rahmen eines ambulanten Linksherzkatheters eine behandlungsbedürftige koronare Herzerkrankung als Ursache von seit 6 Wochen bestehenden thorakalen Druckschmerzen und bei zunehmenden ST-Streckensenkungen bei der Ergometrie ausgeschlossen werden. Während der über die Leistenarterie durchgeführten Untersuchung trat kurzzeitig eine Asystolie auf. Ursächlich wurde eine Luftembolie angenommen. 
Die im Verfahren belasteten Kardiologen führen im Rahmen des Begutachtungsverfahrens an, dass das verwendete Injektionssystem über mehrere Lichtschranken zur Luftdetektion verfügt, was aber nicht für den Bereich der Pumpe bis zum Dreiweghahn und für den Katheter selbst gilt. Sie wiesen den Vorwurf eines Sorgfaltsmangels daher zurück.

Vom Gutachter wurde ein Behandlungsfehler verneint. Er führte aus, dass minimale Luftembolien in 2 von 10.000 Katheteruntersuchungen trotz Einhaltung strenger Qualitätsanforderungen vorkommen können und damit ein extrem seltenes, nicht immer vermeidbares Risiko darstellen. In diesem Fall sei die Luftblase etwas größer gewesen und habe kurzfristig das Herzkranzgefäß verschlossen, wodurch der Herzstillstand ausgelöst worden sei. Die Komplikation sei sofort beherrscht worden. Bis auf ein nachfolgendes passageres Vorhofflimmern seien keine weiteren Komplikationen aufgetreten. 

Fall 3 Herzkatheter 

Ein etwa 70-jähriger Patient, der unter progredienter Luftnot und Thoraxschmerzen bei bekannter koronarer Herzerkrankung litt und bei dem bereits 10 Jahre zuvor und im vorigen Jahr Stentimplantationen bei subtotalen Stenosen durchgeführt worden waren, erlitt im Jahre 2014 während der ersten Kontrastmittelgabe bei dem über die Arteria femoralis durchgeführten Linksherzkatheter ein Herzkreislaufversagen mit sofortiger Reanimation. 

Die im Verfahren belasteten Kardiologen beschrieben in ihrer Stellungnahme, dass sich bei der Herzkatheteruntersuchung zunächst die proximalen Anteile des RIVA und des Ramus circumflexus angefärbt hätten, sich dann aber ein Stopp des Kontrastmittelflusses gezeigt habe, was auch im Herzkatheterprotokoll so beschrieben wurde. Innerhalb weniger Sekunden sei es zu einem Abfall des systolischen Drucks von 140mmHg auf 50mmHg gekommen. Ursächlich habe man eine Luftembolie vermutet. Der Patient sei unverzüglich reanimiert worden. Durch den Untersucher sei die arterielle 5F-Schleuse durch eine 6F-Schleuse ersetzt worden. Eine 5F-Schleuse sei in die Vena femoralis eingebracht worden. Unter medikamentöser Unterstützung sei nach etwa 4 bis 5 Minuten der koronare Blutfluss wieder hergestellt gewesen. Die Linksherzkatheteruntersuchung sei nach Kreislaufstabilisierung fortgeführt worden und habe ein gutes Langzeitergebnis nach Zweifach-Stent-Implantation gezeigt. Der Patient sei im weiteren Verlauf kreislaufstabil gewesen. 

Der Gutachter geht aufgrund des Ablaufs davon aus, dass die als ursächlich für den Herzstillstand anzusehende Luftembolie größeren Ausmaßes durch ein fehlerhaftes Vorgehen entstanden ist, da eine luftfreie Flüssigkeitszufuhr des Katheters vor der Intubation entgegen der Leitlinie nicht sichergestellt wurde [7]. Die nötige Reanimation mit den daraus resultierenden Folgen war dem Kardiologen daher anzulasten. 

Gefordert wird, zu prüfen, ob sich Luft im Herzkatheter oder in der Kontrastmittelspritze befindet. Nach Einführen des Katheters vor der Intubation mit der angeschlossenen Kontrastmittelspritze muss Blut aspiriert werden, um eine mögliche Luftansammlung im Katheter zu entfernen. 

Fall 4 und Fall 5 
Interventioneller PFO-Verschluss 

Vorgeworfen wird im Fall 4 eine massive Luftembolie mit Hypoxie im Rahmen eines elektiven Verschlusses eines persistierenden Foramen ovale (PFO) im Jahr 2018 bei einem knapp 50-jährigen Patienten nach thrombembolischem Arterienverschluss im Jahr zuvor. 

Zusammengefasst beschreiben die belasteten Kardiologen, dass zunächst über die Leiste eine 14F-Schleuse arteriell eingebracht worden sei. Im Anschluss sei mittels Führungsdraht und Multipurpose Katheter das PFO sondiert und der Führungsdraht in der linken oberen Hohlvene (gemeint wohl obere Pulmonalvene) platziert worden. Parallel sei die TEE erfolgt. Nachdem der Patient nach Rachenanästhesie und initialer Gabe von kumulativ 7 mg Midazolam sediert worden sei, habe man ihm wegen zunehmender Unruhe zusätzlich fraktioniert 70 mg Disoprivan (Propofol®) verabreichen müssen. Der entlüftete 30 mm PFO-Okkluder „Cardia“ habe nach notwendiger Lagekorrektur des dislozierten Führungsdrahtes schließlich lege artis unter laufender NaCl-Infusion an die PFO-Schleuse konnektiert und im linken Vorhof positioniert werden können. Zu diesem Zeitpunkt sei eine klinische Verschlechterung mit Abfall der Sauerstoffsättigung aufgetreten. Das Okklusions-Device habe unter fluoroskopischer Kontrolle noch rasch und korrekt platziert werden können. Nachfolgend sei die Sonde entfernt worden und man habe mit einer Maskenbeatmung begonnen, was erschwert gewesen sei, da der Patient gestaut und hypoxisch gewesen sei. Da sich im EKG der Verdacht auf eine Luftembolie gezeigt habe, habe man eine Koronarangiographie durchgeführt, die luftembolische Verschlüsse der LAD und der RCA zeigte. Die TEE-Untersuchung zeigte zudem eine Luftansammlung im linken Ventrikel, die man abgesaugt habe. Der Patient wurde intubiert auf die Intensivstation verlegt. 

Im Fall 5 wird die Vornahme eines PFO-Verschlusses bei einem Anfang 70-jährigen Patienten im Jahr 2016 beklagt, nachdem vier Monate zuvor ein Thalamusinfarkt eingetreten war. Es lag neben dem funktionell offenen Foramen ovale auch ein großes Vorhofseptumaneurysma vor. Mittels TEE waren andere Ursachen für den Apoplex weitgehend ausgeschlossen worden. Die Risikoaufklärung des Patienten erfolgte vier Wochen vor dem Eingriff. 

Am Tag nach der stationären Aufnahme erfolgte zunächst in Analgosedierung eine Koronarangiographie, die eine leichte Koronarsklerose zeigte. Nachfolgend wurde über die Vena femoralis eine 5F-Schleuse eingebracht. Laut Herzkatheterbericht sei eine problemlose Passage des PFO mit J-Draht gesteuert durch den Multipurpose-Katheter möglich gewesen. Berichtet wurde ein Wechsel auf einen Amplatz Superstiff-Draht 24 mm Sizing Ballon. Echokardiographisch und fluoroskopisch sei die Taille mit 7 mm ausgemessen worden. Der vorgesehene 25 mm Amplatzer-PFO-Okkluder sei ins Wasserbad gelegt und dann in das Delivery System geladen worden. Bei Unruhe des Patienten sei die Sedierung mit fraktionierter Gabe von 5,5 mg vertieft und der Patient bei Hustenreiz mehrfach abgesaugt worden. Weiterhin sei 1 mg Atropin zur Verminderung des Speichelflusses gegeben worden. Nunmehr sei ein Wechsel auf eine 8F-Transseptalschleuse mit Einbringen in den linken Vorhof erfolgt. Erst nach Zurückziehen der Sonde vom linken Vorhofohr unter Sicht habe Blut aspiriert werden können. Als das Device implantiert werden sollte, habe der Patient laut geschnarcht, sei sehr unruhig und nicht kontaktierbar gewesen. Das Device sei daher zurückgehalten worden. Bei vorliegender Blickdeviation und fehlender Zustandsänderung trotz Antagonisierung des Midazolams mit Flumazenil wurde die Intervention abgebrochen und der Patient unter Analgosedierung mit Fentanyl und Propofol sediert und intubiert und beatmet in die Radiologie gebracht. Das Kontrastmittel-CT zeigt eine ausgedehnte zerebrale und diskretere periphere Luftembolie in den Jugularvenen, der Vena cava inferior und im rechten Ventrikel. Der Patient verstarb eine Woche nach der beklagten Intervention. 

Die Gutachterkommission geht in beiden Fällen davon aus, dass es im Rahmen des PFO-Verschlusses unzweifelhaft zu einer vermeidbaren massiven Luftembolie gekommen ist. Eine solche Luftembolie kann entweder durch eine defekte Schleuse oder durch unsachgemäße Handhabung derselben bedingt sein, wodurch ein massiver Lufteintritt ermöglicht wurde. Eine defekte Schleuse wurde von den belasteten Kardiologen jeweils nicht geltend gemacht; sie ist auch höchst unwahrscheinlich, da dies bei regelhaftem Vorgehen immer geprüft und bemerkt wird.

In beiden Fällen ist davon auszugehen, dass der stark sedierte und unruhig atmende Patient im linken Herzen einen Unterdruck entwickelte, was besonders unter Propofolgabe beobachtet wird (Fall 4). Durch ein zu diesem Zeitpunkt nicht vollständig geschlossenes Katheterventil konnte eine erhebliche Menge an Luft eintreten, was sicher hätte verhindert werden können, wenn zum Beispiel der Schleusenverschluss in einer mit Wasser gefüllten Schale platziert worden wäre [8,10,11,12]. Wäre dies in diesen Fällen der Fall gewesen, dann hätte es nicht zu einem derartigen Lufteintritt kommen können (beherrschbares Risiko).  

Da es nachweislich nicht nur zu einigen Luftbläschen kam, sondern im Fall 4 zu einem massiven Lufteintritt in den linken Ventrikel und in die Koronarien, muss die Katheterschleuse sogar relativ lange Zeit unverschlossen gewesen sein. Die Kardiologen müssen daher für die Folgen der massiven Luftembolie mit schwersten ischämischen Hirninfarkten haftungsrechtlich eintreten.

Im Fall 5 vertritt die Gutachterkommission zudem die Auffassung, dass die Indikation eines PFO-Verschlusses im Alter von über 70 Jahren durch relevante Studien nicht abgedeckt wird und es daher in diesem Fall einer detaillierteren Risikoaufklärung bedurft hätte, als in den Unterlagen belegt ist. Insbesondere beim unruhigen und hustenden Patienten hätten die üblichen Sicherungsmaßnahmen des Katheterventils gegen unbemerkten Lufteintritt zur Vermeidung einer Luftembolie sorgfältig überprüft und eingehalten werden müssen. Der Tod des Patienten war den Kardiologen daher anzulasten. 

Einschlägige rechtliche Aspekte 

1. Beweislast

Die Haftung des Arztes setzt einen Behandlungsfehler voraus, der ursächlich zu einem Gesundheitsschaden beim Patienten geführt hat. Im Zivilprozess trifft die Beweislast für das Vorliegen dieser Elemente in der Regel den Patienten. Sind die tatsächlichen Voraussetzungen eines Behandlungsfehlers oder des Ursachenzusammenhangs zwischen einem solchen Fehler und einem Gesundheitsschaden nicht sicher zu klären, wird eine Klage auf Schadensersatz abgewiesen. Das Risiko der Nichterweislichkeit eines für die Anspruchsbegründung erforderlichen Umstandes geht zulasten des Patienten.

Auch im Verfahren der Gutachterkommission hat die Beweislast Gewicht. Obwohl hier der Sachverhalt, anders als im Zivilprozess, von Amts wegen aufgeklärt wird, bleibt die Möglichkeit, dass die streitigen Tatsachen nicht verlässlich zu klären sind. Das Verfahren endet in solchen Fällen, wie im Prozess, in der Regel mit dem Ergebnis, dass ein Behandlungsfehler nicht festgestellt werden kann. Gesetzgeber und Rechtsprechung haben jedoch zur Herstellung eines gerechten Risikoausgleichs Regeln entwickelt, aus denen sich zugunsten der Behandelten Beweiserleichterungen ergeben können.

Einer dieser Lösungsansätze kommt in den dargestellten Fällen in Betracht. Es ist dies das sogenannte voll beherrschbare Risiko.

2. Vermutung eines Behandlungsfehlers bei voll beherrschbaren Risiken

a) Grundlagen 

Steht fest, dass der Gesundheitsschaden aus einem Bereich stammt, dessen Gefahren von der Behandlerseite (Arzt oder Krankenhaus) voll beherrscht werden können, wird das Vorliegen eines Behandlungsfehlers vermutet. § 630 h Abs. 1 BGB lautet: „Ein Fehler des Behandelnden wird vermutet, wenn sich ein allgemeines Behandlungsrisiko verwirklich hat, das für den Behandelnden voll beherrschbar war und das zur Verletzung des Lebens, des Körpers oder der Gesundheit des Patienten geführt hat.“

Dies bedeutet, dass der Patient nur noch Folgendes beweisen muss: Das Vorliegen eines bestimmten Umstandes, dessen volle Beherrschbarkeit durch den Behandler und  die Ursächlichkeit für den erlittenen Gesundheitsschaden. Einzelheiten eines Fehlverhaltens und Verschuldens auf der Behandlerseite müssen nicht näher aufgeklärt und vom Patienten nicht bewiesen werden. Dahinter steht der Gedanke, dass im voll beherrschbaren Bereich alle in Betracht kommenden Schadensursachen vermieden werden können, sodass bei Schadenseintritt immer ein schuldhaftes Fehlverhalten vorliegen muss. 

Der Blick richtet sich damit zunächst auf die allgemeinen Risiken, die der konkret vorgenommenen Behandlung ihrer Natur nach innewohnen. In den erörterten Fällen ist dies das Eindringen von Luft in eine zum jeweiligen Behandlungszweck eröffnete Vene und in der Folge die Ausbildung einer Luftembolie. Voll beherrschbar ist ein Risiko, wenn es von Behandlerseite sicher ausgeschlossen werden kann. Das gilt namentlich für Einsatz und Funktionsfähigkeit technischer Geräte wie etwa eines zentral gelegten Infusionssystems, für die Sterilität einer Infusionsflüssigkeit, die ordnungsgemäße Lagerung der Patienten und zum Beispiel für die Verwendung von Hilfsmaterialien wie Tupfern im Operationsbereich. 

Für die Begutachtung bedeutsam ist die klare Erfassung und Beschreibung des jeweiligen Risikos und der Möglichkeit seiner Vermeidung durch zuverlässig beherrschbare Maßnahmen im Organisations- und Verantwortungsbereich der Behandler. Die Vermutung des Behandlungsfehlers greift nur dann ein, wenn feststeht, dass der Gesundheitsschaden aus der von der Behandlungsseite voll beherrschbaren Sphäre hervorgegangen ist. Alternative Ursachen müssen daher generell geprüft und in ihrer Tragweite abgewogen werden. Dies alles sind vorrangig Fragen der medizinischen Begutachtung. 

b) Rechtsfolge

Bei Verwirklichung eines allgemeinen, voll beherrschbaren Risikos werden Behandlungsfehler und Verschulden vermutet. Die Vermutung kann gemäß § 292 ZPO durch den Beweis des Gegenteils widerlegt werden. Man spricht daher im Zusammenhang mit dem Thema „Voll beherrschbares Risiko“ auch von Beweislastumkehr. Es ist dann Sache des Behandlers, den Nachweis zu erbringen, dass dennoch kein schuldhaftes Verhalten vorgelegen hat. Dies kann auf zweierlei Weise geschehen: Der Behandler kann den Beweis erbringen, dass alle erforderlichen organisatorischen und technischen Vorkehrungen ergriffen worden sind, um das Risiko beziehungsweise dessen Realisierung zu vermeiden. Zu denken ist etwa daran, dass ein Gerätefehler trotz vorgenommener Kontrolle nicht erkennbar gewesen ist oder dass in bestimmen Zeitabschnitten gebotene Kontrollen durchgeführt worden sind. Zum anderen steht dem Behandler der Beweis offen, dass sich kein allgemeines Behandlungsrisiko verwirklicht hat, weil beim Patienten eine seltene und zuvor nicht erkennbare Prädisposition vorgelegen hat. In beiden Fällen muss der Beweis zur vollen Überzeugung des Gerichts geführt werden, was für die Behandlerseite wegen vielfach bestehender Ungewissheiten mit hohen Risiken verbunden ist. 

Gerade an der Beweisführungslast wird deutlich, dass das Wechselspiel von Vermutung und Beweis des Gegenteils auf den Zivilprozess zugeschnitten ist, wo Beweise umfassend erhoben werden können, also unter Einschluss von Zeugenvernehmung und Anhörung der Parteien. Im Verfahren vor der Gutachterkommission stützt sich die sachverständige Beurteilung hingegen allein auf die Dokumentation und medizinische Erfahrungswerte. Da die Gutachterkommission den Sachverhalt von Amts wegen untersucht, muss der Behandler keine gesonderten Beweismittel benennen. Eine Beweisführungslast gibt es für ihn nicht. Das Risiko der Nichterweislichkeit gilt indessen auch hier, allerdings bezogen auf die im Verfahren der Kommission möglichen Beweismittel.

Da diese Beweismittel begrenzt sind, kommt in Betracht, dass die Behandlerseite in einem späteren Rechtsstreit (mit den weitergehenden Beweismitteln) Umstände nachweisen kann, die einen Behandlungsfehler ausschließen. In der medizinischen Begutachtung sollte daher immer auch geprüft werden, ob die positive Feststellung eines Behandlungsfehlers aufgrund der konkreten Umstände des Einzelfalls möglich ist. Wenn diese Überzeugung gesichert werden kann, hat eine solche am Einzelfall orientierte Lösung einen Gewinn an Überzeugungskraft, weil die Abschätzung der für einen Rechtsstreit verbleibenden Möglichkeiten eine breitere Grundlage erhält. Dieser Weg sollte dem Rückgriff auf die Vermutung vorgezogen werden.
 
c) Anwendung auf die behandelten Fälle

In Fall 1 kann die Lagerung mit Sicherheit als voll beherrschbares Element der Behandlung angesehen werden. Ferner stand fest, dass die Behandlungsmaßnahme am sitzenden Patienten und damit fehlerhaft durchgeführt worden war. Damit lag eindeutig ein Behandlungsfehler vor, der nicht erst nach § 630 h Abs. 1 BGB vermutet werden musste. Ein Rückgriff auf Beweiserleichterungen war nicht erforderlich (die Beweislastumkehr ist keine Beweiserleichterung).

In Fall 2 steht die extreme Seltenheit der eingetretenen Komplikation der Anwendung der Vermutungsregel des § 630 h Abs. 1 BGB nicht grundsätzlich entgegen. Auch sehr seltene Komplikationen (vielleicht sogar gerade diese) können durch voll beherrschbare Umstände verursacht werden. Die Begutachtung musste sich nach allem mit der Frage der sachgerechten Anwendung technischer Geräte auseinandersetzen. In diesem Zusammenhang hat nach Ansicht des Gutachters die Seltenheit der Komplikation der Annahme des Behandlungsfehlers entgegengestanden. Indem er ausgeführt hat, die Komplikation der Luftembolie (in dem beschriebenen eher geringen Ausmaß) sei sehr selten und nicht immer vermeidbar, hat er in Wahrheit für den zu begutachtenden Sachverhalt ein voll beherrschbares Risiko verneint. Für die Vermutung bestand kein Raum.

In Fall 3 hat der Gutachter bereits anhand der Dokumentation den Behandlungsfehler überzeugend festgestellt. Der Vermutung eines Behandlungsfehlers bedurfte es daher erst gar nicht. Die erhöhte Überzeugungskraft individueller Gesichtspunkte wird hier deutlich unterstrichen.

In den Fällen 4 und 5 sind die Voraussetzungen der Fehlervermutung eindeutig erfüllt, weil die Möglichkeit gegeben ist, den erheblichen Eintritt von Luft in den Katheter durch geeignete Maßnahmen, beispielsweise Platzierung des freien Endes in einer mit Wasser gefüllten Schale, zweifelsfrei voll beherrschbar zu verhindern. Hierfür spricht auch das sehr seltene Auftreten (< 0,0001 Prozent) [8]. Gesichtspunkte, mit denen die Behandler die Vermutung hätten widerlegen können, waren nicht zu erkennen. Ergänzende Erwägungen des Gutachters zur Dauer des Lufteintritts waren zur Klärung des Falles an sich nicht erforderlich, weil die Vermutung auch so nicht widerlegt werden konnte; sie erhöhen indes die Überzeugungskraft des Gutachtens, weil sie das Ergebnis durch Verweis auf zusätzliche, den Fehlervorwurf mittragende Gegebenheiten des Einzelfalls weiter untermauern. 

Professor Dr. med. Erland Erdmann ist stellvertretendes geschäftsführendes Kommissionsmitglied, Dr. jur. Burkhard Gehle ist stellvertretender Vorsitzender und Dr. med. Beate Weber ist die für die Dokumentation und Auswertung der Begutachtungen zuständige Referentin der Gutachterkommission.

Literatur

1) Mallach HJ. Der Stellenwert der Luftembolie in der modernen Medizin. Springer-Verlag, Heidelberg 1987.

2) Gnädinger M et al. Die peripher venöse Punktion. Schweiz Med Forum 2013; 13(5):94-96.

3) Patientensicherheit Schweiz, Cirnet. 28.6.2013 Gefahr einer Luftembolie nach Entfernen eines ZVKs.

4) Voelker W et al, Notfallmanagement im Herzkatheterlabor. Kardiologie update 12 (2016):104-111

5) McCarthy CJ et al. Air Embolism: Practical Tips for Prevention and Treatment. J. Clin Med (2016) 5 (11), 93; doi:103390/jcm5110093

6) Suastika LOS et al. Multiple Air Embolism During Coronary Angiography: How do we deal with it? Clinical Medicine Insights. Cardiology 2016 (10): 67-707) Hamm CW et al. Diagnostischer Herzkatheter. Clin Res. Cardiol 97:475-512 (2008)

8) Schuchlenz H. et al. Review und Leilinien für die Diagnostik und den interventionellen Verschluss des persistierenden Foramen ovale (PFO). J Kardiol (2019) 26 (7-8): 178-192

9) Horlick E et al. SCAI expert consensus statement on operator and institutional requirements for PFO closure for secondary prevention of paradoxical embolic stroke. Catheter Cardiovac Interv (2019); 93:859-874

10) Harper RW et al. Closure of Secundum Atrial Septal Defects with the Amplatzer Septal Occluder Device: Techniques and Problems. Catheterization and Cardiovascular Interventions (2002) 57:508-524

11) Ahmad K et al. Successful interventional management of catastrophic coronary arterial air embolism during atrial fibrillation ablation. Heart Rhythm Case Reports (2019) Vol. 2 (2):153-156 

12) Franzen OW et al. Mechanisms underlying air aspiration in patients undergoing left atrial catheterization. In Catheterization & Cadiovascular Interventions (2008) 71: 553-558