Die Kammerversammlung der Ärztekammer Nordrhein hat im März 2020 eine neue Verfahrensordnung für die Gutachterkommission für ärztliche Behandlungsfehler bei der Ärztekammer Nordrhein verabschiedet. Die neue Verfahrensordnung wird am 1.12.2020 in Kraft treten und auf die dann neu eingehenden Anträge Anwendung finden. Zu diesem Zeitpunkt wird die am 1. Dezember 1975 eingerichtete Gutachterkommission auch auf ihr 45-jähriges Bestehen zurückblicken.
von Johannes Riedel, Hans Friedrich Kienzle und Tina Wiesener
Seit der Einrichtung der Gutachterkommission für ärztliche Behandlungsfehler bei der Ärztekammer Nordrhein haben sich Bürgerinnen und Bürger mit mehr als 60.000 Anträgen an diese unabhängige Einrichtung gewendet, weil sich für sie die Frage nach einem Behandlungsfehler stellte. Die betroffenen Ärztinnen und Ärzte haben fast immer ihre Bereitschaft erklärt, sich an einem Verfahren bei der Gutachterkommission zu beteiligen. Dies zeugt von dem großen Vertrauen, das Patienten und Ärzte dieser Einrichtung bei der Ärztekammer Nordrhein entgegenbringen, und unterstreicht gleichzeitig den Anspruch, auch zukünftig als zuverlässiger, außergerichtlicher Ansprechpartner für eine kompetente und rasche Klärung von Behandlungsfehlervorwürfen zur Verfügung zu stehen.
Bundesweit einheitlicher Auftritt
Allerdings haben sich die Ansprüche an die Arbeit der Gutachterkommission im Laufe der Zeit erheblich verändert. Hinter der Neufassung des bisherigen Statuts der Gutachterkommission für ärztliche Behandlungsfehler bei der Ärztekammer Nordrhein steht das Ziel, bundesweit einen möglichst einheitlichen Auftritt zu schaffen, weil dies für die an den Verfahren beteiligten Patienten und Ärzte, aber auch für Anwälte und Versicherungen eine Vergleichbarkeit der einzelnen Gutachter- und Schlichtungsstellen sichert und somit dem Wunsch nach mehr Transparenz und Verbraucherfreundlichkeit Rechnung trägt.
Die neue Verfahrensordnung folgt daher weitgehend der unter den Gutachterkommissionen und Schlichtungsstellen der Ärztekammern auf Bundesebene erarbeiteten Rahmenverfahrensordnung, welche der Vorstand der Bundesärztekammer im Dezember 2018 zustimmend zur Kenntnis genommen hat.
Bei der Umsetzung der Rahmenverfahrensordnung in die nun vorliegende Verfahrensordnung der Gutachterkommission für ärztliche Behandlungsfehler bei der Ärztekammer Nordrhein waren einige Aspekte zu ergänzen beziehungsweise zu konkretisieren, die in der Rahmenverfahrensordnung bewusst nicht ausformuliert wurden, zum Beispiel zur Berufung und Zusammensetzung der Kommission.
45 Jahre Gutachterkommission bei der Ärztekammer Nordrhein
Die Gutachterkommission für ärztliche Behandlungsfehler bei der Ärztekammer Nordrhein (GAK) prüft seit 1975, dem Jahr ihrer Gründung, nach schriftlicher Beantragung eines Arztes oder Patienten, ob einem Mitglied der Ärztekammer Nordrhein ein Behandlungsfehler in Diagnostik oder Therapie anzulasten ist. Sie blickt in diesem Jahr auf 45 Jahre außergerichtliche Streitschlichtung in Arzthaftungssachen zurück.
Bei der Durchführung der Verfahren wirken heute mehr als einhundert erfahrene sachverständige Ärztinnen und Ärzte sowie Juristinnen und Juristen mit Unterstützung durch die Geschäftsstelle intensiv in der Fallbearbeitung zusammen. Die Gutachterkommission ist dabei maßgeblich auf die fachgutachtliche Expertise sowohl von niedergelassenen als auch von im Krankenhaus tätigen Ärztinnen und Ärzten sowie den juristischen Kommissionsmitgliedern angewiesen. Daher kann die Arbeitsfähigkeit der Kommission auch in Zukunft nur dann gesichert werden, wenn für ein Engagement in der Kommission ausreichend viele Ärztinnen und Ärzte gewonnen werden können, sei es als Gutachterinnen und Gutachter oder auch als Mitglieder. Es ist ein großes Anliegen der Kommission, mehr weibliche Mitglieder für die Kommissionsarbeit zu gewinnen.
Gutachtliche Entscheidungen in 7. Auflage
Die in 7., neu bearbeiteter Auflage 2020 erschienene Broschüre „Gutachtliche Entscheidungen – Aus der Arbeit der Gutachterkommission für ärztliche Behandlungsfehler bei der Ärztekammer Nordrhein“ kann telefonisch unter 0211-4302-2011, per Fax: 0211 4302-2019 oder per E-Mail: pressestelle@aekno.de kostenlos bestellt werden. Sie enthält die von Januar 2016 bis 2020 im Rheinischen Ärzteblatt erschienenen Folgen der Reihe „Aus der Arbeit der Gutachterkommission“ und steht auch auf der Homepage der Ärztekammer Nordrhein zum Herunterladen als PDF-Dokument oder als e-paper-Version zur Verfügung: www.aekno.de/gutachterkommisssion, Rubrik Weitere Informationen.
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Bewährtes erhalten
Wie in vielen anderen Gutachterkommissionen und Schlichtungsstellen werden künftig auch in Nordrhein die Haftpflichtversicherer und die Behandlungseinrichtung, für welche die Ärztin oder der Arzt tätig geworden ist, zum Beispiel das Krankenhaus oder das MVZ als Arbeitgeber, in den Kreis der Verfahrensbeteiligten aufgenommen. Dies bedeutet keine grundlegende Veränderung für Ärzte oder Patienten, denn aus rechtlichen Gründen waren die Haftpflichtversicherer und die Behandlungseinrichtungen immer schon angemessen zu berücksichtigen. Die Aufnahme in den Kreis der Beteiligten dient insofern vor allem der Klarheit und Einheitlichkeit des Verfahrens.
Haftpflichtversicherer oder Arbeitgeber können ein Verfahren jedoch nicht einseitig in Gang setzen. Der verfahrenseinleitende Antrag kann nur vom Patienten beziehungsweise dessen Erben oder von dem in Anspruch genommenen Arzt gestellt werden. Außerdem kann der Haftpflichtversicherer oder Arbeitgeber die Durchführung eines Verfahrens nicht einseitig verhindern. Wenn die Kommission begründete Aussichten für eine Streitbeilegung sieht, kann ein Verfahren auch durchgeführt werden, wenn sich die Ärztin oder der Arzt (in der Regel aufgrund eines Widerspruchs der Haftpflichtversicherung und/oder des Krankenhauses) nicht am Verfahren beteiligt.
Als ein wesentlicher Kernpunkt des Verfahrens wird auch weiterhin auf Antrag eines Beteiligten ein abschließendes Gutachten erstellt werden. Im Rahmen der hiermit eingeleiteten erneuten Begutachtung setzen sich die beteiligten medizinischen und juristischen Kommissionsmitglieder nochmals detailliert mit dem Sachverhalt und ergänzend hierzu mit den vorgetragenen Einwendungen auseinander. Diese Einspruchsmöglichkeit ist Ausdruck der Selbstbestimmung der antragstellenden Patientinnen und Patienten, aber auch der betroffenen Ärztinnen und Ärzte. Sie sichert Vertrauen und trägt zur Stärkung der Qualität der Begutachtung bei.
Zukunftsfeste Arbeit der Gutachterkommission
Mit der Verabschiedung der neuen Verfahrensordnung hat die Kammerversammlung einen wichtigen Schritt zur Vereinheitlichung des Wirkens der Gutachterkommissionen und Schlichtungsstellen unternommen und so den Weg für eine zukunftsfeste Arbeit der Gutachterkommission für ärztliche Behandlungsfehler bei der Ärztekammer Nordrhein geebnet. Nicht zuletzt stärkt ein möglichst geschlossenes Erscheinungsbild der Gutachterkommissionen und Schlichtungsstellen die Rolle der Ärzteschaft im wichtigen Themenfeld der Patientensicherheit und der Patientenrechte.
Johannes Riedel, Präsident des Oberlandesgerichtes a.D., ist Vorsitzender der Gutachterkommission für ärztliche Behandlungsfehler bei der Ärztekammer Nordrhein. Professor Dr. Hans Friedrich Kienzle ist Geschäftsführendes Kommissionsmitglied. Dr. Tina Wiesener, MPH, ist Leiterin der Geschäftsstelle der Gutachterkommission.