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Mein Engagement

„Work-Life-Balance findet man nicht nur in Ballungsräumen“

23.09.2020 Seite 51
RAE Ausgabe 10/2020

Rheinisches Ärzteblatt

Heft 10/2020

Seite 51

Dr. Heribert Hüren ist seit 2007 Vorsitzender der Kreisstelle Mönchengladbach. © privat
Neben ihrem Beruf engagieren sie sich ehrenamtlich für ihre Kolleginnen und Kollegen: die Kreisstellenvorsitzenden der Ärztekammer Nordrhein. Doch welche Eigenschaften machen einen Vorsitzenden eigentlich aus und wie begeistert man die junge Ärztegeneration für das Ehrenamt? Diese Fragen stellten wir Dr. Heribert Hüren, Vorsitzender der Kreisstelle Mönchengladbach, in unserer Reihe „Mein Engagement“.

RhÄ: Stellen Sie sich vor, Sie sitzen in der Straßenbahn und möchten Ihrem Sitznachbarn erklären, was die Ärztekammer ist. Was würden Sie sagen?
Hüren: Selbst Ärztinnen und Ärzte können oft zwischen Kassenärztlicher Vereinigung und Kammer nicht genau differenzieren. Eigentlich ist es ziemlich einfach: Die Kammer ist die Berufs- und Standesvertretung aller Ärzte des jeweiligen Kammergebietes. Sie überwacht die Einhaltung der Berufsordnung mit verbindlichen Regeln für das kollegiale Verhalten und den Umgang mit den Patienten. Zudem organisiert sie die ärztliche und medizinische Fort- und Weiterbildung, die Ausbildung der Medizinischen Fachangestellten, schlichtet Patientenbeschwerden, betreibt Presse- und Öffentlichkeitsarbeit und organisiert gemeinsam mit der jeweiligen KV den Notdienst.

RhÄ: Welche Eigenschaften sollte ein Kreisstellenvorsitzender Ihrer Meinung nach mitbringen?
Hüren: Es handelt sich beim Vorsitz ja bekanntlich um ein Ehrenamt. Zunächst benötigt man daher das Vertrauen seiner Kolleginnen und Kollegen, um gewählt zu werden. Dann benötigt man Loyalität, Integrität, diplomatische Fähigkeiten und den Mut, mitunter pragmatische Entscheidungen zu treffen. Sach- und Fachkompetenzen sind auch von Vorteil. Außerdem ist eine gute Vernetzung vor Ort sehr viel wert.  

„Der regionale Zusammenhalt ist für mich eine schöne Erfahrung aus der Corona-Pandemie.“

Man braucht Ansprechpartner, auf die man sich verlassen kann. Der regionale Zusammenhalt ist für mich eine schöne Erfahrung aus der Corona-Pandemie. Die Krise hat alle Beteiligten zusammengeschweißt, das ist enorm positiv. Für die Patienten war sicherlich auch die Einführung der Videosprechstunde eine wunderbare Lösung. Es ist ein ganz anderes Gefühl, wenn man nicht nur telefoniert, sondern die andere Person, in diesem Fall seine Ärztin, seinen Arzt, auch sieht.

RhÄ: Was möchten Sie als Kreisstellenvorsitzender in Mönchengladbach bewirken?
Hüren: Ich bin seit knapp 13 Jahren Vorsitzender der Kreisstelle, da hat man in seiner Arbeit sicherlich Schwerpunkte. Dauerthema ist und bleibt die Notdienstpraxis, die gerade hier bei uns viele Veränderungen erlebt hat: Aufbau, Umzug, ein neuer Fahrdienst. Unser Ziel ist die Gründung einer Portalpraxis. Das ist natürlich eine große Aufgabe, die durch Corona auch erstmal auf Eis gelegt wurde. Aber durch die neuen Vernetzungen, die eben auch durch die Pandemie zustande gekommen sind, geht das Ganze jetzt auf mehreren Ebenen und mit vielen Akteuren weiter, die sich gegenseitig sehr schätzen.

RhÄ: Welchen Rat würden Sie Ärztinnen und Ärzten geben, die heute in den Beruf starten?
Hüren: Ärztinnen und Ärzte die heute starten, brauchen keinen Rat (lacht). Der Arbeitsmarkt könnte nicht besser sein, wir haben Ärztemangel. Dieser wird meines Erachtens in den kommenden Jahren weiter zunehmen, denn es ist jahrzehntelang nichts gemacht worden, um dies abzuwehren. Die jungen Ärzte von heute haben sicherlich ganz eigene Vorstellungen und Präferenzen, aber Ängste vor einer Niederlassung sind trotzdem unberechtigt. Es gibt unheimlich viele Formen und Optionen. Man sollte für einen guten Start auf eine effiziente Weiterbildung setzen und sich etwas trauen. Die gewünschte Work-Life-Balance findet man dann nicht nur in Ballungsräumen. Auch kleinere Städte und Gemeinden bieten einem gute Möglichkeiten. 

RhÄ: Wie würden Sie die junge Ärztegeneration davon überzeugen, sich ehrenamtlich in der Ärztekammer zu engagieren?
Hüren: Die Ärztekammer ist ein Selbstverwaltungsorgan mit vielfältigen Aufgaben. Wer sich hier aktiv beteiligt, der ist informiert und hat die Chance, etwas zu verändern. Ich bin sehr froh, dass auch jüngere Kolleginnen und Kollegen bei uns in die Kreisstelle gewählt worden sind. Ich sehe aber auch, dass das Engagement von einigen sehr skeptisch angesehen wird. Viele wollen einfach nur ihre Arbeit in Praxis oder Klinik verrichten und mit der Kammer nicht viel zu tun haben. Diese „Mir-Egal-Einstellung“ darf man aber nicht verallgemeinern. Wir haben eine Verjüngung erlebt und diese Kolleginnen und Kollegen gilt es, für die ehrenamtliche Arbeit zu begeistern und zu halten.

Das Interview führte Vassiliki Latrovali.

Seit fast drei Jahrzehnten ist der niedergelassene Allgemeinarzt Dr. Heribert Hüren schon im Vorstand der Kreisstelle in Mönchengladbach, seit 2007 ist er Vorsitzender. Von 1997 bis 2005 war Hüren Mitglied der Vertreterversammlung der KV Nordrhein und ist seit 2005 im Vorstand der KV-Kreisstelle in Mönchengladbach. Nach seinem Medizinstudium in Düsseldorf, das er 1981 abschloss, ließ er sich 1986 in Mönchengladbach in eigener Praxis nieder. Seit Januar ist Hüren als angestellter Arzt tätig.