Bund und Länder haben am 5. September angekündigt, den Öffentlichen Gesundheitsdienst (ÖGD) mit rund vier Milliarden Euro zu fördern. Mit dem Geld sollen in den nächsten sechs Jahren insgesamt 5.000 zusätzliche Stellen für Ärzte, Fach- und Verwaltungsmitarbeiter geschaffen werden. Außerdem soll die digitale Infrastruktur der Gesundheitsämter und -behörden modernisiert werden.
von Heike Korzilius
Die Corona-Pandemie wirkt in manchen Fällen wie ein Brennglas. Seit Jahren klagen die Gesundheitsämter darüber, dass sie personell ausbluten. Es mangelt vor allem am ärztlichen Nachwuchs, unter anderem weil Ärztinnen und Ärzte im ÖGD im Schnitt etwa 1.500 Euro weniger verdienen als die Kolleginnen und Kollegen in den Krankenhäusern. Auch die digitale Ausstattung lässt zu wünschen übrig. Mancherorts wird noch gefaxt oder IT-Systeme sind nicht kompatibel, worunter auch die Kommunikation der Ämter untereinander sowie mit Landesbehörden und Organisationen wie dem Robert Koch-Institut leidet.
Dabei kommt dem ÖGD gerade in der Pandemiebekämpfung eine zentrale Rolle zu. Die Mitarbeiter der Gesundheitsämter sind insbesondere dafür zuständig, Quarantänemaßnahmen bei SARS-CoV-2-Infizierten anzuordnen und zu überwachen sowie die Kontaktpersonen der Infizierten zu ermitteln.
Bei der Bewältigung dieser Aufgaben sind viele Gesundheitsämter in der Hochphase der Corona-Pandemie an ihre Grenzen geraten. Andere Kernaufgaben wie beispielsweise die Kita- und Schuleingangsuntersuchungen konnten zum Teil nicht mehr wahrgenommen werden.
Jetzt hat die Politik sich zum Handeln entschlossen. Die Coronakrise habe allen vor Augen geführt, dass eine nachhaltige Verstärkung des ÖGD als „unverzichtbare Säule des Gesundheitswesens“ dringend geboten sei, heißt es im „Pakt für den Öffentlichen Gesundheitsdienst“, auf den sich Bund und Länder am 5. September verständigten. Demnach stellt der Bund für dessen Umsetzung bis 2026 insgesamt vier Milliarden Euro zur Verfügung. In einem ersten Schritt sollen die Länder dafür sorgen, dass bis zum 31. Dezember 2021 mindestens 1.500 neue, unbefristete Vollzeitstellen für Ärztinnen und Ärzte sowie weiteres Fach- und Verwaltungspersonal besetzt werden. Bis Ende 2022 sollen noch einmal weitere 3.500 Stellen geschaffen werden. 90 Prozent der Stellen sollen in den örtlichen Gesundheitsämtern entstehen.
Attraktive Bezahlung für Ärzte
Um die Arbeit des ÖGD effizienter zu gestalten und Verfahren zu beschleunigen, soll dem Pakt zufolge die Digitalisierung in Gesundheitsämtern und -behörden vorangetrieben werden. Dafür stellt der Bund über die vier Milliarden Euro hinaus bereits in diesem Jahr Finanzhilfen in Höhe von 50 Millionen Euro bereit. Ein entscheidendes Ziel der Digitalisierung sei es, eine Interoperabilität über alle Ebenen hinweg sicherzustellen und eine für das Melde- und Berichtswesen erforderliche zentrale Kommunikationsplattform zu schaffen.
Wie aus dem Papier weiter hervorgeht, streben Bund und Länder „eine attraktive Bezahlung“ für das ärztliche Personal an, damit die geförderten Stellen auch besetzt werden können. Zudem sollen die Themen „Öffentliches Gesundheitswesen“ und „Bevölkerungsmedizin“ in der Aus-, Fort- und Weiterbildung von Ärztinnen und Ärzten ebenso wie im Medizinstudium stärker verankert werden. Famulaturen und das Praktische Jahr sollten grundsätzlich auch im Gesundheitsamt abgeleistet werden können, heißt es dort.
Der Bundesverband der Ärztinnen und Ärzte des ÖGD begrüßte den Vorstoß von Bund und Ländern. Der Pakt greife wesentliche Punkte auf, die der Bundesverband bereits seit langem fordere, erklärte dessen Vorsitzende Dr. Ute Teichert. Zentral sei, dass die Politik ausdrücklich eine bessere Bezahlung in den Gesundheitsämtern vorsehe. „Die jahrelange Blockadehaltung der kommunalen Arbeitgeberverbände, die sich tariflichen Verbesserungen konsequent verweigern, muss jetzt ein Ende haben“, forderte Teichert. „Jetzt müssen endlich die längst überfälligen Tarifverhandlungen für den ÖGD wieder aufgenommen werden.“
Im Rahmen der Tarifeinigung für die Ärzte in kommunalen Krankenhäusern hatten sich der Marburger Bund und die Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) im Mai 2019 darauf verständigt, Verhandlungen über die Gehälter der Ärzte an den Gesundheitsämtern im Verlauf des Jahres fortzusetzen. Dazu kam es bis heute nicht. Für diese gilt mithin nach wie vor der Tarifvertrag für den Öffentlichen Dienst, der die ärztliche mit der Verwaltungstätigkeit gleichsetzt.
Für einen eigenständigen Tarifvertrag für die Ärztinnen und Ärzte im ÖGD sprach sich auch der Präsident der Bundesärztekammer aus. Niemand solle glauben, dass sich die Besetzung von 5.000 neuen Stellen einfach beschließen lasse, sagte Dr. Klaus Reinhardt. Nur mit einer tariflich gesicherten, arztspezifischen Vergütung könnten die Gesundheitsämter mit anderen medizinischen Einrichtungen um hochmotivierte Ärztinnen und Ärzte konkurrieren.
Keine Ärzte zweiter Klasse
Als Schritt in die richtige Richtung bezeichnete der Vorsitzende des Landesverbandes Nordrhein des Hartmannbundes (HB), Dr. Stefan Schröter, die Einigung von Bund und Ländern. Wie Reinhardt forderte auch Schröter „endlich wettbewerbsfähige Einkommen“ im ÖGD. Sebastian Exner, Stellvertretender Vorsitzender des HB Nordrhein betonte: „Das ist nicht etwa eine ärztliche Tätigkeit zweiter Klasse, die im ÖGD geleistet wird“. Diese Erkenntnis müsse bereits im Medizinstudium vermittelt werden.