Privatärztinnen und Privatärzte sind weder von einem Arbeitgeber wie einer Klinikverwaltung abhängig noch von den vielfach einschränkenden Statuten des Vertragsarztrechts.
von Wieland Dietrich
Neben den Vertragsärztinnen und -ärzten, die die ambulante Versorgung der gesetzlich Versicherten maßgeblich gewährleisten, sind Privatärzte eine zunehmend wichtige Säule für die Behandlung privat versicherter Bürger und darüber hinaus für alle Patienten, die eine ärztliche Behandlung jenseits von Restriktionen der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) wünschen.
Zugleich sind aber Vertragsärzte auch privatärztlich tätig, denn auch sie behandeln privat Versicherte, oder sie erbringen Wahlleistungen (Selbstzahlerleistungen) bei GKV-Versicherten. Die vertragsärztlichen Normen erlauben es selbstverständlich, dass der Vertragsarzt nicht nur, wie ohnehin üblich, in der „Kassensprechstunde“, sondern auch zusätzlich privatärztlich tätig ist, etwa in einer privaten Zweigpraxis, oder im Rahmen von Privatsprechstunden in eigener Praxis, die zu den „GKV-Zeiten“ sonst eine Vertragsarztpraxis ist. Letzteres gewinnt zunehmend an Bedeutung.
Grundlegend andere Stellung
Im Hinblick auf das Vertragsverhältnis zum Patienten nehmen Privatärztinnen und -ärzte, aber auch Vertragsärzte in Ausübung ihrer privatärztlichen Rolle eine grundlegend andere Stellung ein, als es die vertragsärztliche oder die Tätigkeit im Angestelltenverhältnis in Klinik oder Praxis erlaubt. Beim Angestelltenverhältnis von Klinikärzten wird seit Jahren zunehmend und vehement auf das Problem des Rückbaus ärztlicher Unabhängigkeit durch ökonomische und kommerzielle Vorgaben durch Verwaltungen und Arbeitgeber hingewiesen. Diesem Problem unterliegt der privatärztlich tätige Arzt deutlich weniger, auch wenn er häufig mit Erstattungsproblemen etwa bei Versicherten der Privaten Krankenversicherung (PKV) konfrontiert wird, die drohen, die ärztliche Unabhängigkeit einzuschränken.
Die Vertragsarzttätigkeit hingegen bringt durch die Überregulierung der ärztlichen Tätigkeit durch die Sozialgesetzgebung (SGB V), aber auch durch nachgeordnete Verordnungen und Verträge nicht weniger, aber anders gestrickte Probleme für die ärztliche Unabhängigkeit mit sich. EBM-Ziffern, Leistungsausschlüsse, Kontrollnachweise, floatende Punktwerte, Regresse, wechselnde Vereinbarungen zwischen KVen und Kassen sind hier nur Stichworte, oder der Honorarabzug für Ärzte, die sich aus Gründen der Schweigepflicht nicht an die Telematikinfrastruktur anschließen.
Echter Freiberufler
Der Privatarzt ist weder von einem Arbeitgeber wie einer Klinikverwaltung abhängig noch von den vielfach einschränkenden Statuten des Vertragsarztrechts. Dies bedeutet weniger Bürokratie, vor allem aber weniger zumindest indirekte kommerzielle oder ökonomische Einflussnahme auf Art und Umfang ärztlichen Handelns. Kommerziell und ökonomisch basiert sind dabei mitnichten nur die vielfach kritisierten Interessen von privaten oder anderen Klinik- oder MVZ-Trägern, sondern ebenso die Spar- und Budgetzwänge, denen der Vertragsarzt durch die Rahmenbedingungen der vertragsärztlichen Tätigkeit, gesetzlich normiert maßgeblich im SGB V, in einem System mit zunehmender staatlicher Einflussnahme unterliegt.
Im Ergebnis kann der Privatarzt seinen Beruf selbstbestimmter, authentischer und oft zufriedener ausüben, vorausgesetzt, ihm erwachsen daraus genug Einkünfte. Dies wird in Deutschland erschwert durch die verhältnismäßig geringe Zahl von Privatversicherten von etwa zehn Prozent der Bürger, wobei andererseits die Zahl der Selbstzahler, die eigentlich GKV-versichert sind, bei Privatärzten seit Jahren ständig zunimmt. Gründe sind Wartezeiten oder das nicht seltene Gefühl des Patienten, nicht gründlich oder empathisch behandelt worden zu sein, weil die vertragsärztlichen Rahmenbedingungen bekanntlich sehr hohe Patientenzahlen erfordern – Stichwort: Zwei-Minuten-Medizin. Die insgesamt größere berufliche Zufriedenheit in der privatärztlichen Tätigkeit hat in den vergangenen 15 Jahren zu einem deutlichen Anstieg der Zahl der Privatärzte in Deutschland geführt, der allerdings zwischen den Arztgruppen sehr unterschiedlich ausfällt.
Wichtige Einkünfte
Seit der Coronakrise wird endlich laut diskutiert, wie wichtig privatärztliche Einkünfte auch für Vertragsarztpraxen sind. Anlass war der gesetzliche Rettungsschirm für die GKV, der aber nur KV-Einnahmen absichert, und davon auch nur einen Teil. Privateinnahmen werden gesetzlich nicht gesichert, es gab lediglich eine Vereinbarung mit dem Verband der PKV über eine Pandemiekostenpauschale für einen eng gefassten Zeitraum, was zu lauter Kritik verschiedener Arztgruppen und Verbände an der PKV und auch am Gesetzgeber führt. Privateinnahmen machen im Durchschnitt etwa 30 Prozent der Einnahmen der Vertragsarztpraxen aus und sind deshalb von großer Bedeutung für die Existenz zahlreicher Praxen, und damit zweifellos auch für die planmäßige Sicherstellung im KV-System.
Wieland Dietrich ist als niedergelassener Facharzt für Haut- und Geschlechtskrankheiten in einer Praxisgemeinschaft in Essen privatärztlich tätig und Mitglied der Kammerversammlung der Ärztekammer Nordrhein. Berufspolitisch engagiert er sich darüber hinaus als Bundesvorsitzender des Verbandes Freie Ärzteschaft.