Die Arbeitsunfähigkeitsrichtlinie des G-BA regelt in § 2, wann Arbeitsunfähigkeit vorliegt. Neben Krankheit rechtfertigen nur Zustände eine Krankmeldung, die mit einer Leistungsminderung einhergehen. § 3 Absatz 2 schließt mit „Arbeitsunfähigkeit liegt insbesondere nicht vor (...) für Zeiten, in denen ärztliche Behandlungen zu diagnostischen oder therapeutischen Zwecken stattfinden, ohne dass diese Maßnahmen selbst zu einer Arbeitsunfähigkeit führen.“ und schließt eine Krankmeldung bei Abstrich nach einer App-Warnung sogar ausdrücklich aus.
Die EBM-Ziffer 02404 mit der Legende „Entnahme von Körpermaterial für Untersuchungen (…) auf (…) SARS-CoV-2 aufgrund einer Warnung durch die Corona-Warn-App zum Ausschluss einer Erkrankung“ kommt nur bei symptomfreien Patienten zur Abrechnung. Auf der Homepage der KBV liest man: „Die Warnung durch die App dient lediglich als Hinweis, dass Betroffene einen Arzt konsultieren sollten. Der Nutzer erhält zudem die Empfehlung, soziale Kontakte zu reduzieren. Ob er sich in häusliche Quarantäne begeben muss, legt das Gesundheitsamt fest. Die Entscheidung über eine Krankschreibung trifft der behandelnde Arzt.“
Das Problem: Die G-BA-Richtlinie fordert Krankheit, der EBM schließt Krankheit ausdrücklich aus. So gelingt keine Unterbrechung von Infektionsketten. Was fehlt, ist die Legitimation des pragmatisch von der KBV eingeräumten Ermessensspielraums.
Die Lösung: Krankheit bedarf keines kranken Körpers. Der durch Thure v. Uexküll etablierte bio-psycho-soziale Krankheitsgriff machte aus „Schwäche“ psychosomatische Erkrankung. Bei einem weitergedachten bio-psycho-sozio-informationellen Krankheitsbegriff begründet allein Information, also das App-Signal, Einschränkung und so informationelle Krankheit. So steht der regelkonformen Krankschreibung, bis zum Vorliegen der Abstrichanalyse, nichts mehr im Wege.
Dr. Stefan Streit, Facharzt für Allgemeinmedizin, Köln