Immer mehr Patienten in Nordrhein profitieren von strukturierten „Disease-Management-Programmen“. Dies belegt der aktuelle DMP-Bericht 2018 der Gemeinsamen Einrichtung DMP Nordrhein, den das Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung in Deutschland (Zi) erstellt hat. Der Bericht zeigt auch, wie sehr sich die Versorgungsqualität der DMP-Patienten verbessert hat.
von Heiko Schmitz
Im Jahr 2003 starteten die ersten beiden Disease-Management-Programme (DMP). Vier weitere sind 2004 und 2006 dazugekommen. 2018 nahmen bereits rund 914.000 Rheinländer an DMP teil, das waren über 16.600 mehr als im Jahr 2017. Vergleicht man die Anzahl der zuletzt betreuten DMP-Patienten mit der Teilnehmerzahl von vor zehn Jahren, also 2008, beträgt der relative Zuwachs gut 41 Prozent. „Dies zeigt den hohen Stellenwert und das Potential, das die engmaschige DMP-Betreuung sowohl für Patienten als auch für Ärzte besitzt“, sagt Dr. Carsten König, M.san.. Der stellvertretende Vorsitzende der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) Nordrhein weiß, dass „die medizinisch gute Versorgung der DMP-Patienten mit Blick auf das zunehmende Alter und die Multimorbidität dieser Patientengruppe zur immer anspruchsvolleren Aufgabe wird“.
Schwerpunktthema des aktuellen DMP-Berichts ist die Vorstellung des neuen „DMP-Atlas NRW“. Dieses webbasierte Angebot des Zi vermittelt erstmals für alle DMP und patientenbezogenen Qualitätsziele einen Gesamtüberblick über kleinräumige regionale Unterschiede zwischen den Städten und Landkreisen Nordrhein-Westfalens, wo mit circa 1,039 Millionen knapp ein Viertel (23,7 Prozent) der etwa 4,389 Millionen DMP-Patienten in Deutschland betreut wird. Der Bericht zeigt einmal mehr, wie sehr sich die Versorgungsqualität der DMP-Patienten weiter verbessert hat – zum Beispiel bei Diabetikern.
Stationäre Aufenthalte vermeiden
Positiv beim DMP Typ-2-Diabetes ist vor allem die geringe Zahl unnatürlich niedriger Blutzuckerspiegel (Hypoglykämien). Der Anteil an wichtigen Kontrolluntersuchungen – beispielsweise zur Nierenfunktion und zum Fußstatus – sowie der Diabetes-Schulungen ist erneut gestiegen. Auch beim Typ-1-Diabetes gibt es positive Ergebnisse. Im DMP Asthma bronchiale nimmt trotz einer – im Vergleich zu den anderen internistischen DMP – deutlich jüngeren Patientengruppe auch die Zahl der betreuten erwachsenen Patienten weiter zu. Hier gelingt es, stationäre Behandlungen zu vermeiden, eine gute Symptomkontrolle zu erreichen, die Quote der Schulungswahrnehmung zu steigern und inhalative Kortikosteroide im hohen Maß zu verordnen.
Beim DMP Brustkrebs steht seit 2018 die Nachsorge im Fokus. In der Anforderungs-Richtlinie wurden sowohl die Dokumentationen als auch die zu erreichenden Qualitätsziele fast vollständig neu gefasst. Bei vielen der neuen Qualitätsindikatoren konnten die gewünschten Quoten bereits 2018 erreicht werden. Dies trifft zum Beispiel auf das Erfragen möglicher Nebenwirkungen einer endokrinen Therapie zu oder den Kenntnisstand über deren mögliche kardiotoxische Auswirkungen. Auch ein körperliches Training wird bereits einem hohen Anteil der Patientinnen nahegelegt. Zudem wird bei fast drei Viertel der Patientinnen eine endokrine Therapie über fünf Jahre hinaus weitergeführt.
Dr. Heiko Schmitz leitet den Bereich Presse und Medien der KV Nordrhein.
„DMP verbessern Versorgung“
Dr. Carsten König, stellvertretender Vorsitzender der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein, ist Fürsprecher der strukturierten Behandlungsprogramme und sieht großen Nutzen für die Praxen.
RÄ: Was bringen DMP für die Versorgung?
König: Die strukturierte Versorgung hilft, die gesetzten Ziele zu erreichen. Und das gelingt uns bei fast allen Zielen. So hat zum Beispiel der Anteil geschulter Patienten, aber auch die Verordnung einer prognoserelevanten Medikation seit Einführung der DMP zugenommen. Unterm Strich machen DMP die Versorgung besser.
RÄ: Die Krankenkassen und die KV Nordrhein lassen die DMP wissenschaftlich auswerten. Was haben die Praxen davon?
König: Sie können die Auswertungen zum Beispiel sehr gut in die Qualitätszirkel-Arbeit einbringen. Einmal im Jahr könnte man auf Basis der Daten checken, wo es regional Verbesserungspotenzial gibt.
RÄ: An was denken Sie da zum Beispiel?
König: Ich könnte als Hausarzt hinterfragen, ob ich nicht mehr COPD-Patienten vom Rauchen wegbekomme oder bei den Patienten mit Diabetes in meiner Praxis noch mehr darauf achten, dass sie Kontrolluntersuchungen bei anderen Fachärzten wahrnehmen, um Amputationen zu vermeiden.
RÄ: 2020 stehen mit Herzinsuffizienz, Rücken und Depression weitere DMP an. Wie verändert das die Versorgung?
König: Es werden Standards für Behandlungsprozesse definiert. Das kann in einigen Gebieten von Vorteil sein. Es gibt aber auch Indikationen, bei denen wir schon gut laufende Prozesse implementiert und Netzwerke aufgebaut haben, zum Beispiel bei der Behandlung von Depressionen im Rahmen des sehr erfolgreichen NPPV-Modells. Hier müssen wir beobachten, ob uns ein DMP in diesem Bereich wirklich weiterbringt.
Das Interview führte Heiko Schmitz.