Seit dem Ausbruch der Corona-Pandemie richtet sich unser Blick auf die Arbeit der Gesundheitsämter, die als Dreh- und Angelpunkt für den Umgang mit der Pandemie und den aktuellen Lockerungsmaßnahmen gelten.
Solange es keinen Impfstoff, kein Medikament und keine Tracing-Apps gibt, ist das Nachvollziehen und Unterbrechen der Infektionsketten durch Quarantänemaßnahmen die einzige Möglichkeit, Ausbrüche der Pandemie gezielt unter Kontrolle zu bringen. Diese kleinteilige und vor allem zeitaufwändige Arbeit wird derzeit neben dem gesamten Infektionsmanagement in den Gesundheitsämtern geleistet. Kein Gesundheitsamt konnte und kann diese Aufgabe mit seinem Stammpersonal bewältigen. Deshalb sollte kurzfristig das Personal so aufgestockt werden, dass jeweils ein Team von fünf dafür geschulten Kräften pro 20.000 Einwohner zur Nachverfolgung von Infektionsketten bereitstehen kann. Meldet ein Gesundheitsamt, dass es mit der Nachverfolgung überfordert ist, müssen die Länder unterstützen. Auch das Robert Koch-Institut will mehr als 500 meist studentische Kräfte als Containmentscouts bereithalten, die in Notfällen bei der Kontaktnachverfolgung vor Ort helfen können.
So schön, so gut die Theorie. Doch einen wirklich fundierten Überblick, ob das formulierte Personalziel in allen Gesundheitsämtern erreicht wurde, gibt es nicht. Auch wie lange das Personal zur Unterstützung zur Verfügung steht ist ungewiss. Denn noch ist in den Gesundheitsämtern Personal aus anderen Verwaltungsbereichen tätig. Noch sendet der Medizinische Dienst der Krankenkassen im Rahmen der Amtshilfe Ärztinnen und Ärzte in die Gesundheitsämter. Doch wenn die Verwaltungsbereiche in den Städten und Kreisen wieder zum Normalbetrieb zurückkehren, dann wird ein Großteil dieses Personals aus den Gesundheitsämtern wieder abgezogen.
Mit der neuesten Vereinbarung von Bund und Ländern ist nun im Rahmen der Lockerungskonzepte verabredet worden, dass die Länder sicherstellen sollen, dass in Landkreisen oder kreisfreien Städten mit mehr als 50 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohnern innerhalb von sieben Tagen sofort wieder ein konsequentes Beschränkungskonzept umgesetzt werden soll. Zu Recht befürchten die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Gesundheitsämtern, dass sie bei dieser bundesweit einheitlichen Obergrenze mit dem Telefonieren nicht mehr hinterherkommen. Aber nicht nur das. Es sorgt die Kolleginnen und Kollegen auch, dass sie andere Kernaufgaben wie die wichtigen Schuleingangsuntersuchungen, die Hygieneüberwachung und die gesamte Prävention nur noch eingeschränkt oder gar nicht mehr umsetzen können. Der Berg der Arbeit wird daher bis nach der Pandemie weiter anschwellen und ein Aufatmen ist für die Kolleginnen und Kollegen, die jetzt schon unzählige Überstunden angesammelt haben, auch nach der Krise nicht in Sicht.
Je früher desto besser müssen wir dafür sorgen, dass die Versprechungen von heute, den Gesundheitsdienst schlagkräftig aufzustellen und ihn auch für weitere Pandemien personell und strukturell besser auszurüsten, eingelöst werden. Wir werden die Verantwortlichen in den Kommunen, im Land und im Bund auch darauf hinweisen, endlich für eine angemessene Vergütung der Ärztinnen und Ärzte im Öffentlichen Gesundheitsdienst zu sorgen, damit der gravierende Nachwuchsmangel in diesem wichtigen Versorgungsbereich sich nicht weiter fortsetzt.
Denn über eins müssen wir uns im Klaren sein: eine Pandemie kann uns zu jeder Zeit wieder treffen. Den Viren und anderen Erregern sind Ausreden und Entschuldigungen für die schlechte Personalausstattung in unseren Gesundheitsämtern egal, die uns jetzt gerade mit ihrer Arbeit einen vorsichtigen Weg zurück in die Normalität ermöglichen.
Rudolf Henke
Präsident der Ärztekammer Nordrhein