Neben ihrem Beruf engagieren sie sich ehrenamtlich für ihre Kolleginnen und Kollegen: die Kreisstellenvorsitzenden der Ärztekammer Nordrhein. Doch welche Eigenschaften machen einen Vorsitzenden eigentlich aus und wie begeistert man die junge Ärztegeneration für das Ehrenamt? Diese Fragen stellten wir Dr. Rainer Holzborn, Vorsitzender der Kreisstelle Duisburg, in unserer Reihe „Mein Engagement“.
RhÄ: Stellen Sie sich vor, Sie sitzen in der Straßenbahn und möchten Ihrem Sitznachbarn erklären, was die Ärztekammer ist. Was würden Sie sagen?
Holzborn: Das kommt ganz darauf an, in welcher Bahn ich sitze. Wenn es sich um einen Zug handelt, der zum Ärztetag fährt, sind die Sitznachbarn höchstwahrscheinlich Kolleginnen und Kollegen (lacht). In erster Linie ist die Ärztekammer der Ansprechpartner für die berufspolitischen Belange und berufsrechtliche Probleme aller nordrheinischen Ärztinnen und Ärzte. Des Weiteren berät, vermittelt und informiert sie Patientinnen und Patienten. Auch für Institutionen und die Presse kann sie ein wichtiger Kontakt sein, wenn es zum Beispiel um Fragen rund um unser Gesundheitssystem geht.
RhÄ: Welche Eigenschaften sollte ein Kreisstellenvorsitzender Ihrer Meinung nach mitbringen?
Holzborn: Die Arbeit als Vorsitzender muss einem Spaß machen, das ist essentiell. In der Kreisstellenarbeit gibt es immer einiges zu tun, diese alltäglichen Aufgaben muss man erledigen. Es ist von Vorteil, wenn man sich in seiner Region gut auskennt. Das können örtliche Verhältnisse und Gegebenheiten sein, aber auch Kenntnisse der Infrastruktur und der richtigen Ansprechpartner. Man sollte vor allem
„Es ist von Vorteil, wenn man sich in seiner Region gut auskennt.“
regionale Befindlichkeiten einschätzen können, diese verändern sich im Laufe der Zeit. Gerade in Duisburg ist dies unheimlich wichtig, weil die einzelnen Stadtteile sich kulturell und strukturell sehr stark unterscheiden. Ich hatte vor vielen Jahren einen Patienten im Notfalldienst, da wussten alle, der ruft jeden Abend an und möchte, dass wir vorbeikommen. Es handelte sich dabei nie um akute Notfälle – damit muss man umgehen können. Als Vorsitzender hat man auch immer die Funktion des Vermittlers, sei es zwischen Kolleginnen und Kollegen oder auch Ärzten und Patienten.
RhÄ: Was möchten Sie als Kreisstellenvorsitzender in Duisburg bewirken?
Holzborn: Die gesundheitliche Betreuung der Bevölkerung sollte so aufgestellt sein, dass es von beiden Seiten möglichst wenige Beschwerden gibt. Ärzte wünschen sich eine gute Organisation, Patienten ein ausreichendes Angebot mit vertretbaren Entfernungen zu allen Praxen und Kliniken. Dies gilt es auch in den kommenden Jahren auf regionaler Ebene in der Kreisstelle in Teamarbeit zu erreichen.
RhÄ: Welchen Rat würden Sie Ärztinnen und Ärzten geben, die heute in den Beruf starten?
Holzborn: Ich würde den jungen Kolleginnen und Kollegen raten, sich intensiv mit dem Gedanken der Niederlassung zu beschäftigen. Diese Form der Ausübung unseres Berufes bietet meiner Meinung nach die meisten Freiheiten. Der Beruf der Hausärztin oder des Hausarztes wirkt auf die jungen Ärzte oftmals nicht attraktiv genug, weil viele niedergelassene Kolleginnen und Kollegen sich in der Vergangenheit beklagten, dass die eigene Praxis eher finanzielle Risiken berge und man kaum Freizeit habe. Diese Aussage gibt es heute so nicht mehr. Wenn also die Hausärzte selbst der Meinung waren, man solle nicht in ihre Fußstapfen treten, dann schreckte das den Nachwuchs sicherlich ab. Hier hat ein Umdenken eingesetzt, und außerdem gibt es heute viele unterschiedliche Anstellungsmodelle und Formen der Niederlassung, die auch eine Balance zwischen Privat- und Berufsleben erlauben.
RhÄ: Wie würden Sie die junge Ärztegeneration davon überzeugen, sich ehrenamtlich in der Ärztekammer zu engagieren?
Holzborn: Man kann bekanntlich niemanden zwingen (lacht). Wer sich engagieren möchte, muss nicht erst überzeugt werden. Viele Menschen gehen beispielsweise lieber in ein Fitnessstudio, zahlen ihren Beitrag, machen Sport und sind damit vollkommen zufrieden. Andere besuchen lieber einen Sportverein, engagieren sich dort an den Wochenenden, helfen aus und packen mit an. Auf Kammerebene ist das nicht anders. Wenn man persönlich mit den berufspolitischen Gegebenheiten einverstanden ist, dann wird man sich wohl nicht engagieren. Ein Aspekt, der letztlich auch so schlecht nicht ist.
Das Interview führte Vassiliki Latrovali
Dr. Rainer Holzborn wurde 1946 in Essen geboren. Nach dem Medizinstudium in Mainz und seiner Facharztweiterbildung in Berlin zog es ihn zurück ins heimische Ruhrgebiet. Im Jahr 1979 ließ er sich in Duisburg als Gynäkologe nieder. Holzborn war 35 Jahre lang im Vorstand der Ärztekammer Nordrhein tätig. Seit 1989 engagiert er sich im Vorstand der Kreisstelle Duisburg. Holzborn ist zudem im Ausschuss Klimawandel und Gesundheit der Ärztekammer Nordrhein und im Redaktionsausschuss Rheinisches Ärzteblatt tätig.