Bundesregierung und Regierungsfraktionen wollen in einem Änderungsantrag zum Fairer-Kassenwettbewerb-Gesetz (GKV-FKG) auf die zunehmenden Arzneimittel-Lieferengpässe reagieren, die sie zum Teil selbst mit verursacht haben. Auch die EU-Gesundheitsminister haben am 9. Dezember 2019 beschlossen, ein Arbeitsprogramm „Arzneimittel“ aufzulegen, um Lieferengpässen wirkungsvoll und abgestimmt zu begegnen.
Es ist für mich nicht vermittelbar, dass ein Land wie Deutschland, das selbst eine starke Pharmaindustrie hatte, nicht in der Lage ist, eine adäquate Versorgung mit Arzneimitteln zu gewährleisten. Und doch erleben wir diese Mangelsituation in den letzten Jahren immer häufiger in unseren Praxen und Kliniken. Es ist ein täglicher Beratungsanlass geworden: Medikamentenumstellung aus Mangel. Im Oktober 2019 hat das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) rund 260 versorgungsrelevante Arzneimittel und Medizinprodukte mit einem Lieferengpass gelistet – Impfstoffe dabei noch gar nicht eingerechnet. Dank dieser Liste, die derzeit aus freiwilligen Angaben gespeist wird, können kurzfristig auf nationaler Ebene Umgehungsstrategien geplant werden. Die Ursachen der Lieferengpässe sind dadurch nicht gelöst und unsere Patienten müssen weiterhin befürchten, dass sie abrupt und ohne medizinische Indikation auf neue Medikamente umgestellt werden müssen. Gerade für chronisch Kranke, die von den Wechseln am häufigsten betroffen sind, ist das problematisch. Mit dem Austausch können sich gewohnte Dosierungsanleitungen ändern, es kann zu Anpassungsschwierigkeiten bis hin zu UAWs oder sogar zu unsachgerechter Anwendung kommen.
In unserer Kammerversammlung Mitte November haben wir daher einen Beschluss gefasst, in dem wir vom Gesetzgeber Maßnahmen zur langfristigen Sicherstellung einer ausreichenden Arzneimittel- und Impfstoffversorgung fordern. Wir begrüßen es daher sehr, dass das Thema endlich auf der politischen Agenda sowohl auf Bundes- als auch auf EU-Ebene steht.
In einem Änderungsantrag zum Fairer-Kassenwettbewerb-Gesetz wollen Union und SPD unter anderem festlegen, dass das BfArM neue Kompetenzen im Management von Lieferengpässen bekommen soll. Großhändler und Hersteller sollen Daten zu den verfügbaren Beständen und der Absatzmenge von Arzneimitteln an das BfArM melden. Auch soll das BfArM bei drohenden oder bestehenden Engpässen „geeignete Maßnahmen zu deren Abwendung oder Abmilderung“ ergreifen dürfen. Doch mit diesen eher planwirtschaftlich anmutenden Regulierungen werden die wahren Ursachen der Lieferengpässe nicht angepackt.
Diese liegen zuvorderst in gesetzlichen Instrumenten zur Preisregulierung auf nationaler Ebene, zum Beispiel in der Ausgestaltung der Rabattverträge und Importquoten. Auch zielen die Maßnahmen nicht auf das wesentliche Problem, das ökonomisch begründete Preisdiktat, das die Konzentrierung der Wirkstoffherstellung auf wenige Produktionsanlagen in Schwellenländer mit erkennbaren Qualitätsproblemen bewirkt. Das von den EU-Gesundheitsministern im Dezember formulierte Ziel, Produktionsstandorte aus diesen Ländern wieder zurück in die EU zu holen, ist daher folgerichtig.
Bernd Zimmer, Vizepräsident der Ärztekammer Nordrhein