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Gesundheits- und Sozialpolitik

Eine europäische Antwort auf Corona

26.11.2020 Seite 26
RAE Ausgabe 12/2020

Rheinisches Ärzteblatt

Heft 12/2020

Seite 26

Seit Juli 2020 sitzt Deutschland dem Europäischen Rat der EU vor. Mehr Solidarität nach innen, mehr Souveränität nach außen schaffen, stand auf der Agenda der deutschen Ratspräsidentschaft, die am 31. Dezember turnusgemäß endet. Im Kampf gegen das Coronavirus forderte Deutschland die EU-Mitgliedstaaten zu einem gemeinsamen, koordinierten Handeln auf. 

von Jocelyne Naujoks

Es ist der 1. Juli 2020: Das Robert Koch-Institut (RKI) zählt 466 Neuinfektionen mit SARS-CoV-2. Mehr als 194.700 Menschen haben sich dem RKI zufolge seit Beginn der Pandemie in Deutschland mit dem Coronavirus infiziert. In Europa verzeichnet die Weltgesundheitsorganisation (WHO) an diesem Tag über 2,7 Millionen Corona-Fälle, 198.000 Menschen starben bis dahin am oder mit dem Coronavirus. Alleine an diesem ersten Julitag kommen laut WHO 27.624 Neuinfektionen in Europa dazu. Es ist der Tag, an dem Deutschland den Vorsitz im Rat der Europäischen Union einnimmt. Das Motto der deutschen Ratspräsidentschaft: „Gemeinsam. Europa wieder stark machen.“ Angesichts der Pandemielage bedeutet „gemeinsam“ vor allem „gemeinsam gegen das Virus“. So steht Europas Antwort auf die Pandemie ganz oben auf der Agenda der deutschen Ratspräsidentschaft. 

Maßnahmen koordinieren

Das Europäische Zentrum für die Prävention und Kontrolle von Krankheiten (ECDC) solle als „europäisches Robert Koch-Institut“ etabliert werden, sagte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn Mitte Juli bei einer Informellen Tagung der Gesundheitsministerinnen und -minister der Mitgliedstaaten. Man sei sich einig, das ECDC zu stärken und denke auch über eine Mandatserweiterung nach. So solle das Zentrum Expertise vorhalten und Empfehlungen an die Mitgliedstaaten abgeben können. Eine „Health Task Force“ solle künftig die Mitgliedstaaten auch vorbereitend in ihrem Krisenmanagement unterstützen können. 

Mitte Oktober beschließt der Rat der Europäischen Union, dass er bei der Beschränkung der Freizügigkeit seiner Bürger aufgrund der Corona-Pandemie koordiniert vorgehen will. Die Mitgliedstaaten seien zwar nach wie vor dafür zuständig, über geeignete Maßnahmen zum Schutz der öffentlichen Gesundheit, wie Quarantäne- oder Testvorschriften, zu entscheiden. Dennoch sollten diese Maßnahmen koordiniert werden, heißt es in der Ratsempfehlung. Das ECDC werde wöchentlich eine „nach Regionen aufgeschlüsselte Karte der EU-Mitgliedstaaten veröffentlichen, um die Mitgliedstaaten bei der Entscheidungsfindung zu unterstützen“. Dazu sollen diese einmal wöchentlich die neu gemeldeten Corona-Fälle pro 100.000 Einwohner in den vergangenen 14 Tagen, die Zahl der durchgeführten COVID-19-Tests sowie den prozentualen Anteil der positiven Tests an das ECDC melden. Die Freizügigkeit in Gebieten, die auf Grundlage dieser Daten mit grün gekennzeichnet sind, soll laut Ratsempfehlung nicht beschränkt werden. Mitgliedstaaten, die Reisebeschränkungen einführen wollen, sollen, wenn möglich, 48 Stunden vor deren Inkrafttreten die übrigen Mitgliedstaaten und die Europäische Kommission darüber in Kenntnis setzen, heißt es weiter. 

Seit Mitte Oktober sind Deutschlands „Corona-Warn-App“, Irlands „COVID Tracker“ und Italiens „Immuni“ sowie Lettlands „Apturi Covid“ und Spaniens „Radar Covid“ über einen EU-Datenabgleichdienst miteinander vernetzt. Schon im April dieses Jahres hatte die Europäische Kommission eine Interoperabilität der nationalen Kontaktnachverfolgungs- und Warn-Apps empfohlen, im Mai einigten sich die Mitgliedstaaten auf Interoperabilitätsleitlinien. Für den Vorsitz des Ministerrates hatte auch Deutschland sich eine EU-weit funktionierende Kontaktnachverfolgung und -warnung mithilfe grenzüberschreitender interoperabler und datensparsamer Tracing- und Warning-Apps auf die Agenda geschrieben.

Gemeinsame Position zur WHO-Reform

Ende Oktober verständigten sich zudem alle 27 EU-Mitgliedstaaten darauf, eine gemeinsame Position zum Reformprozess der WHO einzubringen. „Wir wollen die WHO transparenter, effektiver und schlagkräftiger machen“, sagte der deutsche Gesundheitsminister Spahn auf einer Pressekonferenz. Die Europäische Union wolle bei der Reform der WHO eine führende Rolle einnehmen. Dazu gehöre, die WHO mit ausreichenden finanziellen Mitteln sowie mit Informationen auszustatten. „Die WHO kann nur so gut sein, wie wir sie als Mitgliedstaaten sein lassen“, sagte Spahn. „Wir haben in der deutschen Ratspräsidentschaft gerade miteinander erlebt, wie herausfordernd es ist, alle 27 Mitgliedstaaten zu einem gemeinsamen Rahmen zu bringen, was Reisen, was Testen beim Reisen angeht, was auch innerhalb der EU den Umgang und die Definition von Risikogebieten und Quarantäneregelungen angeht“, sagte der Minister.