Vorlesen
Praxis

„Wir werden gebraucht“: MFA-Prüfungen in der Corona-Krise

28.07.2020 Seite 21
RAE Ausgabe 8/2020

Rheinisches Ärzteblatt

Heft 8/2020

Seite 21

Ende Mai konnten die schriftlichen Prüfungstermine der Medizinischen Fachangestellten unter Einhaltung der Hygienemaßnahmen starten. Für die angehenden MFAs stellten die Masken kein Problem dar, sind sie die Schutzkleidung aus ihrem Berufsalltag gewöhnt. © Sabine Schindler-Marlow
Die Corona-Pandemie und die damit verbundenen Beschränkungen machten auch vor den Sommerprüfungen der Medizinischen Fachangestellten keinen Halt. Für rund 3.000 Prüflinge in Nordrhein-Westfalen musste eine geeignete und vor allem realisierbare Lösung gefunden werden. Mit Mindestabstand, Mundschutz und Teamarbeit konnten die Prüfungen bereits Ende Mai nachgeholt werden.

von Vassiliki Latrovali

In Nordrhein-Westfalen sind die Prüfungen der Medizinischen Fachangestellten (MFA), trotz der Aufteilung in die zwei Kammergebiete Nordrhein und Westfalen-Lippe, eine zentrale Angelegenheit. „Etwa Mitte März mussten wir die für den 30. und 31. März geplanten schriftlichen Prüfungen der MFAs aufgrund der Corona-Pandemie absagen“, so Cornelia Grün, Referentin der Ärztekammer Nordrhein für das MFA-Ausbildungswesen. Keine einfache Entscheidung, doch die Kammern folgten dem gemeinsamen Aufruf von Bund und Ländern, alle Prüfungen abzusagen und auf einen späteren Zeitraum zu verschieben. „Der Schutz und die Gesundheit aller beteiligten Personen hatten für uns stets oberste Priorität. Natürlich konnten wir zu diesem Zeitpunkt noch überhaupt nicht absehen, wann die Prüfungen nachgeholt werden können“, sagt Grün.

Bei der Suche nach neuen Prüfungsterminen sei vor allem der Blick auf die Infektionszahlen wichtig gewesen. Schließlich entschieden sich die Schwesterkammern Nordrhein und Westfalen-Lippe, am 25. und 26. Mai die ersten Nachschreibetermine anzubieten. „Als die Bezirksregierung die Termine für die vollzeitschulischen Bildungsgänge veröffentlichte und die Ärztekammern noch keine Termine für die MFA-Prüfungen hatten, meldeten sich zunehmend besorgte Schülerinnen und Schüler bei uns. Wir waren sehr froh über die Entscheidung, die Prüfungen Ende Mai zu beginnen“, so Ariane Rüfereck, Lehrerin und Bildungsgangleiterin am Ludwig-Erhard-Berufskolleg in Bonn. Der Tag der Schulschließungen sei für alle sehr abrupt gekommen. Schülerinnen und Schüler wurden per E-Mail informiert und mit Arbeitsmaterial versorgt, erzählt Rüfereck, die als Lehrervertreterin auch Mitglied im Prüfungsausschuss der Kreisstelle Bonn der Ärztekammer Nordrhein ist.

„Der Schutz und die Gesundheit aller beteiligten Personen hatten für uns stets oberste Priorität.“

„Natürlich haben wir in den Wochen zuvor immer wieder geprüft, ob wir die Prüfungen unter höchstmöglicher Sicherheit abnehmen können“, so Grün. Die Ärztekammern Nordrhein und Westfalen-Lippe erarbeiteten zudem ein Hygienekonzept. „Das war wirklich eine Herausforderung, denn es mussten geeignete Schutzmaterialien beschafft werden, sowohl für die Prüflinge als auch für die Prüfer, Aufsichtspersonen und Kammermitarbeiter.“ Besonders schwierig gestaltete sich laut Grün, geeignete Räume für die Prüfungen zu finden. Durch die Abstandsregelung wurden doppelt so viele Prüfungsräume wie bei vergangenen Prüfungen benötigt. Allein in Nordrhein mussten in diesem Sommer knapp 1.500 Prüflinge untergebracht werden.

Letztendlich ließen sich alle Anforderungen und Schutzmaßnahmen durch engagierte Teamarbeit umsetzen, so Grün. So konnten die schriftlichen Prüfungen Ende Mai durchgeführt werden und im Anschluss die praktischen Prüfungen vor Ort in den Kreisstellen beginnen. Auf mögliche weitere Infektionswellen, die die Winterprüfungen gefährden könnten, sei man vorbereitet. „Diese Abschlussprüfung war sozusagen ein Testlauf für uns alle. Und dieser wurde gut bestanden. Ohne die Unterstützung aller Beteiligten wäre es nicht möglich gewesen. Alle haben Hand in Hand gearbeitet, damit diese Prüfungen ordnungsgemäß durchgeführt werden konnten“, resümiert Grün.

„Der Tag der Schulschließungen kam für alle sehr abrupt.“

Die Prüflinge selbst haben ihr zufolge die Neuerung durchweg positiv aufgenommen: „Die kommen ja alle aus den Praxen oder Ambulanzen der Kliniken. Die Schutzauflagen gehören für sie zum Berufsalltag dazu“, sagt Grün. „Die Schülerinnen und Schüler waren super. Sonst ist dieser Tag eher mit ein wenig Chaos verbunden. Manche finden den Raum nicht oder haben sich eine andere Uhrzeit gemerkt. Dieses Mal waren wirklich alle hoch diszipliniert“, ergänzt Rüfereck. Sie sei im Nachhinein sehr froh über die Entscheidung, den Prüflingen zu erlauben, die Masken an ihren Plätzen während der Prüfung abzunehmen. „Das war ein richtiger und wichtiger Schritt der Verantwortlichen. In den Klassenräumen wurde es ja bereits so gehandhabt. Es wäre sicherlich sehr schwer geworden, sich stundenlang mit Maske zu konzentrieren“, so die Lehrerin. Generell sei die Stimmung an der Berufsschule sowohl nach dem Lockdown als auch während der Prüfungszeit hoffnungsvoll gewesen. „Die Schüler haben die Situation mit Humor genommen. Sie sagten mir, wir werden uns, wenn wir unsere Zeugnisse anschauen, immer daran erinnern, dass wir der Corona-Jahrgang waren“, sagt Rüfereck.

Die Kammern beschäftigten auch E-Mails und Anrufe von besorgten Medizinischen Fachangestellten und solchen, die es noch werden möchten. „Besonders am Anfang der Krise, als viele Praxen entweder wegen Quarantäne schließen mussten oder Kurzarbeit wegen ausbleibender Patienten anmeldeten, haben wir viele Anrufe und E-Mails erhalten und zwar nicht nur von MFAs, sondern auch von Praxisinhaberinnen und -inhabern“, berichtet Grün. Die Besorgnis war ihr zufolge nicht nur Existenz- und Zukunftsängsten geschuldet. Viele chronisch kranke Patientinnen und Patienten ließen, aus Angst vor einer Infektion mit SARS-CoV-2, wichtige Untersuchungen nicht durchführen. Ärztinnen, Ärzte und Praxispersonal seien darüber höchst beunruhigt gewesen. Am Bonner Berufskolleg zeigten sich die Corona-Auswirkungen recht ausgeglichen: „Einige angehende MFA, beispielsweise aus orthopädischen Praxen, hatten durch angeordnete Kurzarbeit, weil eben Patientinnen und Patienten ausblieben, sehr viel Zeit zum Lernen. Andere wiederum, hierbei vermehrt diejenigen, die in Allgemeinarztpraxen tätig waren, erlebten einen regelrechten Patientenansturm während des Lockdowns und mussten, wie sonst auch, die Wochenenden für die Prüfungsvorbereitung nutzen“, sagt Rüfereck. Praxisinhaberinnen und -inhaber handelten laut Grün klug, ihr Personal zu behalten und auch in diesem Jahr wieder Auszubildende einzustellen. „Ausbilden ist der richtige Schritt in die Zukunft“, so Grün.

Blick nach vorne

„Wer jetzt an die Zukunft denkt, wird wissen, dass die Praxen nach der ersten Corona-Welle sicherlich schnell wieder auf die gewohnten Patientenzahlen kommen. Aufgeschobene Arzttermine werden nachgeholt und schon sehr bald – da bin ich mir sicher – werden die Terminanfragen die Kapazitäten vieler Praxen wieder sprengen“, sagt Bernd Zimmer, Vizepräsident der Ärztekammer Nordrhein. Für ihn ist klar: Nur mit qualifizierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern können Ärztinnen und Ärzte das Qualitätsversprechen, das sie ihren Patienten gegenüber abgeben, auch tatsächlich einlösen. „Die besten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für unsere Praxen sind doch immer noch diejenigen, die wir selbst ausgebildet haben. Geben Sie jungen Menschen eine Chance auf ein erfüllendes Berufsleben“, so Zimmer.

Die Coronakrise habe auch die Frage nach der Systemrelevanz vieler Berufe aufgebracht, so Grün. Medizinisches Fachpersonal wurde weltweit für seine Arbeit an vorderster Front gelobt und beklatscht. „Es wird Zeit für eine Aufwertung dieser Berufe. Daran kann nun auch die Politik nicht mehr vorbeischauen.“ Rüfereck fügt hinzu: „Den Menschen ist schon bewusst geworden, welche Berufe in solch einer Situation wichtig sind. Die neuen MFAs sind auch alle sehr optimistisch gestimmt, da sehe ich kaum Zukunftsängste. Die sehen die Pandemie als Erfahrung, nehmen diese auch an und lassen sich nicht verrückt machen.“ Rüfereck erzählt, dass ihre Schülerinnen und Schüler sagten: „Das wird vorbeigehen und dann pendelt sich auch der Berufsmarkt wieder ein. Wir werden gebraucht.“

Wir bedanken uns herzlich bei

  • den Ausbilderinnen, Ausbildern und Auszubildenden für ihr Verständnis, dass Prüfungstermine aufgrund der Sicherheitslage verschoben werden mussten, 
  • den Berufskollegs, die unter erschwerten Umständen, digital die Auszubildenden auf die Prüfungen bestmöglich vorbereitet haben und uns mit der Gestellung der Räumlichkeiten und des Aufsichtspersonals unterstützt haben, 
  • den Prüfungsausschüssen, die engagiert, wohlwollend und sehr professionell die Prüfungen abgenommen haben, und natürlich auch bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Kreisstellen und der Hauptstelle der Ärztekammer Nordrhein, die maßgeblich mit der Organisation der Prüfungen dazu beigetragen haben, dass diese durchgeführt werden konnten. 

Cornelia Grün
Referentin der Ärztekammer Nordrhein für das MFA-Ausbildungswesen