Niedergelassene Vertragsärzte und -psychotherapeuten erhalten Ausgleichszahlungen für ihre zum Teil erheblichen, pandemiebedingten Honorarverluste. Auf einer Sonder-Vertreterversammlung (VV) der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein (KVNO) am 19. Juni 2020, die wieder als Videokonferenz stattfand, beschlossen die Delegierten einen geänderten Honorarverteilungsmaßstab (HVM). Damit wird der von KV und Krankenkassen vereinbarte Schutzschirm wirksam.
von Heiko Schmitz
Voraussetzung für entsprechende Zahlungen ist: Das Honorar einer Praxis muss in Bezug auf die Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung um mehr als zehn Prozent gegenüber dem Vorjahresquartal gesunken und dieser Rückgang auf eine pandemiebedingt geringere Zahl an Behandlungsfällen zurückzuführen sein. „Wir sind hier mit den Krankenkassen zu einem akzeptablen Ergebnis gekommen“, sagte KVNO-Vorstandsvorsitzender Dr. Frank Bergmann, „welches die Liquidität der Praxen sichern kann.“ Die VV-Delegierten stimmten dem geänderten Honorarverteilungsmaßstab einstimmig bei wenigen Enthaltungen zu.
Schutzschirm schnell umsetzen
Die Grundlage für den Schutzschirm liefert das „Covid-19-Krankenhausentlastungsgesetz“, in das der Gesetzgeber nach erfolgreicher Intervention der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) und der KVen die Grundlage für die finanzielle Unterstützung der Niedergelassenen aufgenommen hat. Der Schutzschirm endet spätestens mit dem 4. Quartal 2020, gilt aber bereits für das 1. Quartal 2020. Heißt: Schon mit der Restzahlung des 1. Quartals im Juli gibt es eine Ausgleichszahlung für betroffene Praxen. „Es ist gut, dass wir den Schutzschirm im Interesse der Kolleginnen und Kollegen jetzt schnell und unbürokratisch umsetzen können“, sagte Bergmann.
Wie wichtig die Ausgleichszahlungen sind, zeigen die Zahlen einer repräsentativen Befragung der KVNO. Die Umfrageergebnisse belegen, dass die Pandemie in fast allen Praxen zu Umsatzverlusten geführt hat: Die Fallzahlen und Leistungsmengen sind fachgruppenübergreifend um rund ein Viertel zurückgegangen. In fast allen Fachgruppen gibt es vereinzelt Praxen mit einem Rückgang von über 50 Prozent. Die größten Fallzahlenrückgänge verzeichnen Augenärzte, HNO-Ärzte und Orthopäden, sowie Kinder- und Jugendärzte und Chirurgen. Die stärksten Rückgänge bei den Leistungen sehen wir bei Vorsorge- und Früherkennungsuntersuchungen sowie operativen Eingriffen.
Ausgleichzahlungen ab dem ersten Quartal – ohne Antrag
Die Ausgleichszahlungen erhalten alle Praxen, die gegenüber dem Vorjahresquartal Honorareinbußen in Höhe von mindestens zehn Prozent des Gesamthonorars sowie zusätzlich einen Fallzahlrückgang in Folge der Pandemie aufweisen. Jede Praxis, die diese beiden Kriterien erfüllt, erhält automatisch die Ausgleichszahlung. Es ist kein Antrag notwendig. Bei der Ermittlung der Höhe der Ausgleichszahlung gibt es einige weitergehende Regelungen und Ausnahmen:
- Die Zahlung ist auf 90 Prozent des Gesamthonorars des Vorjahresquartals begrenzt.
- Voraussetzungen sind wie oben erwähnt ein Honorarrückgang von mindestens 10 Prozent und ein Fallzahlrückgang gegenüber dem Vorjahresquartal. Fälle mit ausschließlich telefonischem Kontakt bleiben dabei unberücksichtigt. Bei Psychotherapeuten wird ein Rückgang der Behandlungszeit als Fallzahlrückgang gewertet.
- Ausgleichsfähig sind alle Leistungen des Einheitlichen Bewertungsmaßstabs (EBM) und Honorare, die auf gemeinsamen und einheitlichen Vereinbarungen beziehungsweise inhaltsgleichen oder inhaltsähnlichen Verträgen mit allen Krankenkassen beruhen (zum Beispiel die Disease-Management-Programme).
- Nicht ausgeglichen werden etwaige Kosten (mit Ausnahme von Radionukliden), Honorare von sonstigen und besonderen Kostenträgern sowie Schutz- und Satzungsimpfungen. Beim Ausgleich von Kataraktverträgen wird noch eine Kostenpauschale in Höhe von 200 Euro abgezogen.
- Sofern eine Praxis finanzielle Hilfen von anderen gesetzlichen Stellen (Entschädigungen nach dem Infektionsschutzgesetz, finanzielle Soforthilfen des Landes oder Bundes, Kurzarbeitergeld für das Praxispersonal) erhalten hat, werden diese mit der Ausgleichszahlung verrechnet. Hierbei wird aber die Entschädigungszahlung nur mit dem Anteil berücksichtigt, der durch die Ausgleichszahlung der KV abgedeckt wird.
- Jede Praxis, die einen Ausgleich erhalten hat, ist verpflichtet, den Erhalt von Entschädigungen anzugeben sowie zu bestätigen, dass eine Versorgung im regulären Umfang angeboten wurde und/oder die Praxis nicht in wesentlich geringerem zeitlichem Umfang wegen Krankheit, Urlaub oder sonstigen Gründen geöffnet war. Ein entsprechender Vordruck liegt den nächsten Abrechnungsunterlagen bei.
Weitere Informationen unter www.kvno.de
Carsten König verwies auf die Resolution der Vertreterversammlung der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) vom 12. Juni, die klarstellte, dass Versäumnisse der gematik nicht auf dem Rücken der Praxen ausgetragen werden dürfen. Den Praxen dürften weder organisatorische noch finanzielle Aufwände bei der Behebung der Störung entstehen.
Zeitweise konnten rund 70 Prozent der nordrheinischen Praxen wegen den Konnektor-Problemen keinen Versichertenstammdatenabgleich vornehmen. Kurz vor der Sitzung meldete die KBV, dass die gematik mit den IT-Dienstleistern ein Verfahren zur Behebung der Störung und zu deren Finanzierung abgestimmt habe – die Ärzte und Psychotherapeuten werden keine Rechnung erhalten und müssen sich auch nicht um die Erstattung der Kosten kümmern.
Hausbesuche besser vergüten
Als „Ärgernis“ bezeichnete König die nach wie vor ausstehende Einigung zu Hausbesuchsdiensten im Rahmen der Reform des Einheitlichen Bewertungsmaßstabs (EBM). „Die derzeitige Bewertung von Hausbesuchen, die aus dem Jahr 2011 stammt, ist nicht ausreichend und muss dringend angepasst werden – sie deckt in keiner Weise den Aufwand der Kolleginnen und Kollegen ab, die gerade in der Coronakrise großen Einsatz bei Besuchen von Patienten gezeigt haben“, sagte König.
Aktuelle Infos unter coronavirus.nrw
Dr. Heiko Schmitz leitet den Bereich Presse und Medien der KV Nordrhein.