Das Landgericht München hatte unlängst einen Fall zu entscheiden, in dem es nicht um Negativbewertungen eines Arztes in einem Bewertungsportal ging, sondern um den Anspruch des Arztes auf Wiederveröffentlichung von zuvor durch das Portal gelöschten Positivbewertungen.
von Dirk Schulenburg und Katharina Eibl
Seit Jahren beschäftigen sich die Gerichte mit Nutzerbewertungen auf Internetbewertungsportalen, bei denen es zum Teil möglich ist, dass Patientinnen und Patienten Bewertungen über Ärztinnen und Ärzte anonym abgeben.
Kein Anspruch auf Löschung des Profils
Ein erstes Grundsatzurteil hat der Bundesgerichtshof (BGH) im Jahr 2014 (Az.: VI ZR 358/13) gesprochen. Er stellte fest, dass Ärzte es sich grundsätzlich gefallen lassen müssen, auf Bewertungsportalen bewertet zu werden.
Die Erhebung, Speicherung und Übermittlung von personenbezogenen Daten auf Bewertungsportalen ist laut Urteil zulässig, weil die Kommunikationsfreiheit das Recht des Arztes auf informationelle Selbstbestimmung als Teil des allgemeinen Persönlichkeitsrechts überwiege.
Dieses Urteil hat der BGH mit einem Urteil aus dem Jahr 2018 zumindest ein wenig eingeschränkt. Das Bewertungsportal musste in dem Fall das Profil einer Ärztin löschen, weil es seine Rolle als neutraler Informationsvermittler verlassen hatte. Es hatte auf dem Profil der Ärztin mit den kostenpflichtigen Profilen anderer Ärzte geworben und dadurch wirtschaftliche Interessen vorangestellt (Az.: VI ZR 30/17).
Löschen von Negativbewertungen
Im Anschluss an dieses Grundsatzurteil hat die Rechtsprechung konkrete Vorgaben für das Vorliegen eines Löschungsanspruchs bei negativen Bewertungen entwickelt.
Im Jahr 2016 äußerte sich der BGH umfassend zu dem Prüfungsaufwand der Betreiber eines Bewertungsportals (Az.: VI ZR 34/15 „Jameda II“). Ein Arzt hatte die Löschung eines Kommentars gefordert mit der Begründung, der Bewerter sei nicht Patient von ihm gewesen.
Der BGH stellte in seinem Urteil fest, dass das Bewertungsportal zwar keine Prüfpflichten beim „Hochladen“ der Bewertung habe, wohl aber bei der Beanstandung durch den betroffenen Arzt.
Der BGH bejahte in dem Fall die Löschungspflicht, weil ein notwendiger Behandlungskontakt nicht hinreichend nachgewiesen werden konnte.
Liege der Bewertung kein Behandlungskontakt zugrunde, ergebe die Abwägung zwischen den widerstreitenden Rechten der Parteien, dass die Interessen des betroffenen Arztes überwiegen, denn ein berechtigtes Interesse, eine tatsächlich nicht stattgefundene Behandlung zu bewerten, bestehe nicht. Der Betreiber des Portals ist bei einem konkreten Hinweis eines betroffenen Arztes auf einen fehlenden Behandlungskontakt somit zur Prüfung des Sachverhalts verpflichtet.
Liegt allerdings ein Behandlungsverhältnis vor und die Bewertungen haben keinen beleidigenden Inhalt, ist es an dem Arzt, nachzuweisen, dass die vom Patienten behaupteten Tatsachen unzutreffend sind.
Löschen von Positivbewertungen
Der umgekehrte Fall, das heißt ein Anspruch auf Wiederveröffentlichung gelöschter Positivbewertungen gegen den Portalbetreiber, wurde in der Rechtsprechung bislang nicht behandelt. Die Löschung einer positiven Bewertung durch den Betreiber eines Bewertungsportals kann allerdings gleichermaßen belastend sein wie das Einstellen einer negativen Bewertung. Beides beeinflusst die Gesamtnote auf dem Profil des betroffenen Arztes negativ.
Dem Urteil des Landgerichts München (Az.: 33 O 6880/18) lag ein Sachverhalt zugrunde, bei dem der klagende Zahnarzt sein beim Bewertungsportal abgeschlossenes „Premiumpaket Gold“ kündigte. Kurze Zeit später löschte das Bewertungsportal ohne Ankündigung und Begründung sowie ohne dem Kläger Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben, zehn zu Gunsten des Arztes abgegebene Bewertungen aus dessen Portal.
Das Bewertungsportal bestritt, dass dies im Zusammenhang stehen würde mit der Kündigung des „Premiumpakets Gold“.
In konsequenter Umkehrung der bisherigen Rechtsprechung des BGH zu Löschungsansprüchen betroffener Ärzte hat das Landgericht entschieden, dass ein Anspruch auf Wiederveröffentlichung gelöschter Positivbewertungen dann bestehe, wenn der Arzt die Echtheit der Bewertungen darlegt und beweist. Denn nur im Falle der Löschung einer tatsächlich echten Bewertung handelt es sich nach Ansicht des Landgerichts um einen betriebsbezogenen Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb des betroffenen Arztes.
Echtheit der Angaben ausschlaggebend
Der Frage, ob ein Praxisbesuch des Bewertungsverfassers tatsächlich stattgefunden hat, kommt damit sowohl für den Anspruch auf Löschung als auch für einen Anspruch auf Wiederveröffentlichung positiver Bewertungen eine entscheidende Rolle zu.
Kann der Bewertende den behaupteten Behandlungskontakt nicht hinreichend belegen, ist die Äußerung, auf der die Bewertung aufbaut, unwahr. Es überwiegt das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Bewerteten, in der Folge ist die Internetbewertung also durch den Portalbetreiber zu löschen. Spiegelbildlich dazu besteht nach Ansicht des Landgerichts kein Anspruch auf Wiederveröffentlichung einer gelöschten positiven Bewertung des Arztes, sobald dieser einen tatsächlichen Behandlungskontakt nicht nachweisen kann.
Das Gericht spricht somit den bewerteten Ärzten grundsätzlich einen Anspruch auf Wiederveröffentlichung gelöschter Bewertungen zu. Inwiefern es dem Arzt allerdings tatsächlich möglich sein wird, im Rahmen von Bewertungsportalen, die von ihrer Anonymität leben, einen solchen Nachweis zu erbringen, lässt das Gericht offen.
Dr. iur. Dirk Schulenburg, MBA, MHMM, ist Justiziar der Ärztekammer Nordrhein und Katharina Eibl, Fachanwältin für Medizinrecht, ist Referentin der Rechtsabteilung.