Die Weltgesundheitsorganisation hat am 11. März dieses Jahres den Ausbruch des Coronavirus zur Pandemie erklärt. In Europa wie in Deutschland steigen die Zahlen der Infizierten täglich. Die rasante Ausbreitung des neuartigen Coronavirus mit dem Namen Sars-CoV-2 stellt uns Ärztinnen und Ärzte, die Medizinischen Fachangestellten in unseren Praxen, die Pflegekräfte in den Kliniken und alle an jeder Stelle im Öffentlichen Gesundheitsdienst vor immense physische und psychische Herausforderungen. Wir alle stehen derzeit an vorderster Front, sowohl was die Abwehr und Eindämmung der Pandemie angeht, als auch was den Schutz der eigenen Person und unseres Personals betrifft.
Aufgrund der dynamischen Entwicklung werden bis zum Erscheinungsdatum dieser Ausgabe die Herausforderungen, die diese Infektion mit sich bringt, noch stärker spürbar sein. In einem Land, in dem wir daran gewöhnt sind, ständig alles just in time beschaffen zu können, erleben wir von jetzt auf gleich eine nicht eingeplante Knappheit wichtigster Güter. Ich hoffe inständig, dass wir beim Erscheinen dieses Textes durch die zentrale Beschaffung von Schutzkleidung überall wenigstens wieder ausreichend für die Sicherheit der Beschäftigten in Praxen und Kliniken sorgen können. Denn mit dem Auftreten des Sars-CoV-2 rückt in Europa eine Situation in den Fokus, auf die wir in den letzten Jahren immer wieder mahnend hingewiesen haben: Unsere Abhängigkeit von Medizinbedarf, Medizinprodukten und Arzneimitteln, die häufig nur noch in China, Indien und in anderen Billiglohnländern produziert werden. Nach der Krise werden wir diesen Missstand unbedingt beheben müssen.
Doch jetzt müssen wir unsere gesamte Energie darauf verwenden, alles zu tun, um den Ausbruch des Krankheitsgeschehens zu verlangsamen. Wir müssen unseren Kliniken Zeit verschaffen, um die notwendigen Vorkehrungen zur Versorgung der zu erwartenden Covid-19-Patienten zu treffen, und das nicht auf Kosten unserer anderen schwerkranken Patienten. Wir nutzen die Zeit, um in den Regionen mobile Diagnose- und Behandlungszentren einzurichten. Wir nutzen die Zeit für den Aufbau von Informationssystemen, die uns schnell zeigen, in welchen Regionen Krankenhauskapazitäten vorhanden sind. Wir müssen die vulnerable Bevölkerung noch weiter aufklären. Wir nutzen die Zeit, um Kolleginnen und Kollegen, die aktuell nicht an der medizinischen Versorgung teilnehmen, für die Beratung der Bevölkerung zu gewinnen. In dem Zusammenhang möchte ich all jenen Ärztinnen und Ärzten aus dem aktiven Ruhestand danken, die sich in den letzten Tagen bei uns gemeldet und sich zur Mithilfe bereit erklärt haben. Wir brauchen diese Art der Solidarität untereinander in einer für uns alle besonderen Situation.
Auch der Vorstand der Ärztekammer Nordrhein hat überlegt, was zur Eindämmung des Virus und zur Unterstützung unserer Mitglieder vor Ort getan werden kann. So haben wir gemeinsam mit dem Vorstand der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein (KVNo) beschlossen, die Fortbildungsveranstaltungen von Kammer und KVNo für die nächste Zeit abzusagen. Nur noch Veranstaltungen, die der Bewältigung der aktuellen Infektsituation dienen, finden unter Anwendung entsprechender Vorsichtsmaßnahmen und Hygieneregeln weiterhin statt. Wir haben ebenfalls die Kammerversammlung, die am 21. März stattfinden sollte, abgesagt, um Ärztinnen und Ärzte, die derzeit in der Patientenversorgung gebraucht werden, zeitlich zu entlasten und eine ungewollte Infektverbreitung zu vermeiden.
Enden möchte ich an dieser Stelle mit einem Dank an alle Ärztinnen und Ärzte und ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, ob im Öffentlichen Gesundheitsdienst, in der Praxis oder Klinik oder in der Beratung, die sich in dieser Krise ohne Rücksicht auf eigene Pausen und Risiken für die gute Versorgung ihrer Patientinnen und Patienten einsetzen. Ihnen gebührt unser Respekt, sie sind in meinen Augen die stillen Helden dieser Krise.
Rudolf Henke, Präsident der Ärztekammer Nordrhein