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„Ich kann die Vorbehalte gegen das Landleben nicht nachvollziehen“

25.03.2020 Mein Engagement
RAE Ausgabe 4/2020

Rheinisches Ärzteblatt

Heft 4/2020

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Dr. Manfred Wolter ist seit 31 Jahren in Kall im Kreis Euskirchen mit eigener Praxis niedergelassen. © Vassiliki Latrovali
Neben ihrem Beruf engagieren sie sich ehrenamtlich für ihre Kolleginnen und Kollegen: die Kreisstellenvorsitzenden der Ärztekammer Nordrhein. Doch welche Eigenschaften machen einen Vorsitzenden eigentlich aus und wie begeistert man die junge Ärztegeneration für das Ehrenamt? Diese Fragen stellten wir Dr. Manfred Wolter, Vorsitzender der Kreisstelle Euskirchen, in unserer Reihe „Mein Engagement“.

RhÄ: Stellen Sie sich vor, Sie sitzen in der Straßenbahn und möchten Ihrem Sitznachbarn erklären, was die Ärztekammer ist. Was würden Sie sagen?
Wolter: Die Ärztinnen und Ärzte in Nordrhein werden von zwei Institutionen vertreten. Zum einen von der Kassenärztlichen Vereinigung und eben der Ärztekammer, die sich um die Weiterbildung, die Qualitätssicherung, berufsrechtliche Angelegenheiten und Patientenbeschwerden kümmert. Sie fungiert auch als Vermittler zwischen Ärzteschaft und Politik bei berufspolitischen Themen und unterstützt die Ausbildung der Medizinischen Fachangestellten im Kammergebiet. Ferner organisiert die Kammer zahlreiche Informationsveranstaltungen für Mitglieder und Patienten – manchmal in Kooperation mit anderen Institutionen des Gesundheitswesens. Unsere Kreisstelle unterstützt die gut besuchte Reihe der Euskirchener Gespräche.

RhÄ: Welche Eigenschaften sollte ein Kreisstellenvorsitzender Ihrer Meinung nach mitbringen?
Wolter: Als Vorsitzender muss man seine Zeit sehr gut aufzuteilen wissen. Ein offenes Ohr für alle Angelegenheiten ist auch wichtig. Dann sollte man kompromissfähig sein und eine gewisse Art von Idealismus an den Tag legen. Im Vorstand der Kreisstelle Euskirchen kommen niedergelassene sowie stationär und in der Gesundheitsverwaltung tätige Kolleginnen und Kollegen zusammen. Da findet ein sehr guter Austausch in allen Bereichen statt, jeder darf sein Leid klagen(lacht). Gemeinsam werden dann Ideen entwickelt, um eventuelle Probleme zu lösen. Gelegentlich kommt auf einen Vorsitzenden auch die Arbeit mit der Presse zu, beispielsweise beim Thema Grippeimpfung.

RhÄ: Was möchten Sie als Kreisstellenvorsitzender in Euskirchen bewirken?
Wolter: Wir sind eine überschaubare Region. Die Zusammenarbeit zwischen Krankenhäusern, Niedergelassenen, dem Gesundheitsamt, Pflegeheimen und Sozialarbeitern funktioniert bei uns sehr gut. Das möchten wir natürlich weiter ausbauen. Denn auf dem Land ist diese Vernetzung enorm wichtig. Ende März werde ich meine Praxis aufgeben, bis dato habe ich leider keinen Nachfolger gefunden. Noch sind wir in der Region medizinisch ordentlich aufgestellt, aber der Ärztemangel wird uns einholen. Wir haben diesbezüglich sehr viele Gespräche geführt, um alle Beteiligten auf dieses Problem aufmerksam zu machen. Klar ist, es wird nicht die eine Lösung geben. Die Landarztquote wird sich ja erst in einigen Jahren bemerkbar machen. Zudem muss die Niederlassung attraktiver gestaltet und entstaubt werden. Die nicht von der Hand zu weisende Bürokratie-Last der Niedergelassenen sollte auch endlich anders gestaltet werden. 

„Als Vorsitzender muss man seine Zeit sehr gut aufzuteilen wissen.“

RhÄ: Welchen Rat würden Sie Ärztinnen und Ärzten geben, die heute in den Beruf starten?
Wolter: Man sollte sich möglichst breit aufstellen und durchhalten. Vor allen Dingen sollte man dankbar sein, dass man so einen Beruf ausüben darf und nicht einem Job ausgeliefert ist, den man nur macht, weil man muss. Der Drang der jungen Menschen in die Stadt ist sicherlich unübersehbar, ob nun aus beruflichen oder privaten Gründen. Aber das Leben in der Stadt wird auch für sehr viele Menschen immer weniger bezahlbar, man kämpft mit Verkehrschaos. Da müssten die ländlichen Regionen eigentlich wieder an Attraktivität gewinnen. Das sollte man als junge Ärztin und junger Arzt ausnutzen. Ich kann die Vorbehalte gegen das Landleben nicht nachvollziehen, aber ich habe sie durch die Aufgabe meiner Praxis am eigenen Leib zu spüren bekommen.

RhÄ: Wie würden Sie die junge Ärztegeneration davon überzeugen, sich ehrenamtlich in der Ärztekammer zu engagieren?
Wolter: Ich bin schon davon überzeugt, dass man dort, wo es möglich ist, selber handeln sollte. Das deutsche Kammerwesen ist außergewöhnlich. Dadurch bieten sich einem zahlreiche Möglichkeiten, und diese gilt es zu verteidigen. Wir Ärzte haben uns die Selbstbestimmung über die Jahre erhalten, dass sollte man nicht aussterben lassen. Auch die Kreisstellenvorsitze werden Nachfolger brauchen. Ich bin bereits seit 2001 in Euskirchen tätig. In einigen Jahren werden die jüngeren Ärztinnen und Ärzte nachrücken, und das ist auch gut so.

Das Interview führte Vassiliki Latrovali.

Dr. Manfred Wolter lebt seit seiner Geburt im Jahr 1952 in Kall im Kreis Euskirchen. Im Jahr 1989 ließ er sich in seinem Elternhaus mit eigener Praxis nieder. Seit 2001 ist er im Vorstand und als Vorsitzender der Kreisstelle Euskirchen tätig.