Am 1. Juli 2020 tritt voraussichtlich die neue Weiterbildungsordnung (WBO) in Kraft. Mit dem eLogbuch, der Orientierung an Kompetenzen statt Zahlen und Zeiten und mehr Transparenz für den ärztlichen Nachwuchs geht die WBO neue Wege.
von Sven Dreyer und Karl-Dieter Menzel
In seiner Februarausgabe (Heft 2/2020 S. 12–14) stellte das Rheinische Ärzteblatt die Grundzüge der neuen Weiterbildungsordnung (WBO) vor. In einem zweiten Teil werden nun unter anderem die wesentlichen Veränderungen bei den Weiterbildungszeiten erläutert.
Auch zukünftig setzt eine Weiterbildung eine Zulassung der Weiterbildungsstätte, eine personengebundene Befugnis oder einen vorab genehmigten Weiterbildungskurs voraus. Inhalte müssen von einem qualifizierten Arzt beziehungsweise einer qualifizierten Ärztin vermittelt werden. Eine ärztliche Tätigkeit zum Beispiel in eigener Praxis oder im Krankenhaus reicht allein nicht aus. Diese durch die gesetzlichen Grundlagen vorgegebenen Tatbestände sind auch beim Erwerb von Kompetenzen zu berücksichtigen.
Facharztkompetenzen und Schwerpunkte
Einmal erworbene Inhalte sind auch bei einem Gebietswechsel oder bei einer Spezialisierung anrechenbar, sie verringern allerdings nicht die Pflichtweiterbildungszeiten. Weiterhin werden die bisher vorrangig zeitlich definierten Befugnisse um die erwerbbaren Inhalte ergänzt.
Befugnisse werden nur noch ausgesprochen, wenn Antragsteller mit einer Veröffentlichung ihres Weiterbildungsangebotes einverstanden sind. Der Nachwuchs benötigt bei einer inhaltlichen Ausrichtung den Hinweis, welche Kompetenzen erworben werden können. Dabei muss auch erkennbar sein, in welchem zeitlichen Mindestumfang die Inhalte vermittelt werden können. Insofern ist beides darzustellen. Hinsichtlich des zeitlichen Rahmens wird eine bundeseinheitliche Lösung angestrebt.
Die bisherigen allgemeinen Inhalte wurden in das Kapitel Facharztkompetenzen integriert. Damit sind sie Pflichtinhalte bei allen Facharztqualifikationen und müssen dementsprechend auch nachgewiesen werden. Es sind sowohl Kenntnisse als auch Erfahrungen und Fertigkeiten zu erwerben. Gebietsspezifische Aspekte sind zu beachten. Eine gesonderte Befugnis wird hierfür allerdings nicht vergeben. Die Dokumentation erfolgt im eLogbuch.
Auch weiterhin sind alle Facharzt- und Schwerpunktkompetenzen im Kapitel B definiert. Die Kopfteile beinhalten – wie bisher – die Gebietsdefinitionen und die Pflicht-Mindestweiterbildungszeiten und Pflicht-Weiterbildungsabschnitte. Des Weiteren sind auch Abschnitte aufgeführt, die angerechnet werden können. Die Anrechnungsfähigkeit von ambulanten Weiterbildungszeiten wird deutlich erweitert. Dies muss im Vorfeld über die Befugnisse abgebildet werden.
Die bisherigen Grundweiterbildungszeiten (Basisweiterbildungen oder „common trunk“) werden abgeschafft. Gleichwohl gibt es in größeren Gebieten gemeinsame Inhalte, die auch bei einzelnen Befugten des Gebietes erworben werden können.
Schwerpunkte oder Zusatz-Weiterbildungen bauen auf den Facharztqualifikationen auf. Mit dem Beginn der Weiterbildung in diesen Spezialisierungen kann grundsätzlich erst ab der zweiten Hälfte der Facharztweiterbildung begonnen werden. Dies war bereits bisher eine Interpretation des § 2 der WBO durch die Weiterbildungskommission der Ärztekammer Nordrhein, der diese auch bei der neuen WBO folgen wird.
Bei vielen Fachärzten wie in der Chirurgie und bei bestimmten Internisten werden die Grundlagen zum Erwerb einer Fachkunde im Strahlenschutz gefordert. Die Richtlinien der Ärztekammer Nordrhein schreiben vor, welche Fachkunde erworben werden muss. Eine Kopie der Fachkunde reicht als Nachweis bei der Prüfungszulassung zum Facharzt aus.
In der Allgemeinmedizin wird ein drittes Gebiet Pflicht. Die stationäre Weiterbildungszeit in der Inneren Medizin verringert sich auf zwölf Monate.
Im Gebiet Anästhesiologie bleibt es bei einer zwölfmonatigen Weiterbildungszeit für Intensivmedizin. Wie bisher verringert sich dadurch die Weiterbildungszeit für die Zusatz-Weiterbildung Intensivmedizin um bis zu sechs Monate, wenn die Weiterbildung bei einem Befugten für Intensivmedizin abgeleistet wurde. Dies gilt analog für alle Gebiete, wenn im Rahmen der Weiterbildung mehr als sechs Monate in der Intensivmedizin absolviert werden.
Angehende Arbeitsmediziner müssen sich zukünftig mindestens 36 Monate im Gebiet weiterbilden. Die Fremdanrechnung wird auf 24 Monate reduziert.
In den Chirurgischen Fächern sind weiterhin jeweils sechs Monate Notfallaufnahme und sechs Monate Intensivmedizin Pflicht. Bis zu zwölf Monate können in anderen Gebieten absolviert werden.
Die Weiterbildungszeiten in den Schwerpunkten des Gebietes Frauenheilkunde und Geburtshilfe verringern sich auf 24 Monate, die aber zusätzlich abgeleistet werden müssen. Eine Anrechnung auf die Facharztweiterbildung entfällt. Dies gilt auch für die Schwerpunkte in anderen Gebieten.
Bei den Facharztkompetenzen des Gebietes Innere Medizin sind zukünftig neben den sechs Monaten Intensivmedizin auch sechs Monate Notfallaufnahme gefordert. Damit den gebietsübergreifenden Aspekten Rechnung getragen wird, sind bei allen Qualifikationen 24 Monate Weiterbildung in mindestens zwei anderen Facharztkompetenzen des Gebietes gefordert. Damit wird die bisherige Basisweiterbildung de facto beibehalten. Alle Befugten, die bisher eine gemeinsame Befugnis für die Basisweiterbildung besitzen, sollten sich deshalb auch zukünftig über feste Rotationen absprechen. Beim Facharzt für Innere Medizin mit einer Weiterbildungszeit von fünf Jahren können 18 Monate wieder ambulant abgeleistet werden.
Wie schon lange gefordert, wird beim Facharzt für Mund-Kiefer-Gesichtschirurgie eine zwölfmonatige Anrechnung der zahnmedizinischen Weiterbildung in Oralchirurgie ermöglicht und damit akzeptiert, dass die Inhalte dieser Weiterbildung teilweise deckungsgleich sind.
Sowohl beim Facharzt für Neurologie als auch beim Facharzt für Psychiatrieund Psychotherapie verbleibt es bei der zwölfmonatigen Weiterbildung im Gegenfach. Wie bei allen anderen Facharztkompetenzen auch stehen die geforderten Inhalte im Logbuch der zu erwerbenden Qualifikation und müssen vom entsprechenden Befugten separat bewertet werden.
Zusatz-Weiterbildungen
Die größten zeitlichen und inhaltlichen Veränderungen ergeben sich in den Zusatz-Weiterbildungen (ZWB). Insbesondere dort, wo nur Kursweiterbildungen gefordert werden, muss sichergestellt sein, dass alle in der WBO geforderten Inhalte über einen genehmigten Weiterbildungskurs angeboten und abgedeckt werden. Dies trifft auch auf praktische Teile zu, die zwischen mehreren Kursblöcken zu absolvieren sind. Hier müssen die Kursanbieter entsprechend aktiv werden. Es muss klar sein, dass durch Vorlage einer entsprechenden Teilnahmebescheinigung keine weiteren Dokumentationen erforderlich sind. Dies muss insbesondere bei einzeln angebotenen Modulen im Rahmen der Kursgenehmigung geprüft und gegebenenfalls als Auflage bei der Genehmigung eingefordert werden. Klarheit dürften die zurzeit von der Bundesebene entwickelten (Muster-)Kursbücher bringen.
Die ZWB Ärztliches Qualitätsmanagement, Notfallmedizin und Sportmedizin sind auch zukünftig schon nach zwei Jahren ärztlicher Weiterbildung erwerbbar; die Medizinische Informatik schon nach zwei Jahren ärztlicher Tätigkeit. Alle anderen ZWB setzen eine Facharztanerkennung voraus. Mit der Weiterbildung kann schon früher begonnen werden. Eine Prüfungszulassung setzt die Vorlage der Facharzturkunde voraus.
Bei einigen ZWB ist im Kopfteil nur noch der Erwerb der Inhalte unter Befugnis an zugelassenen Weiterbildungsstätten gefordert. Das bedeutet, dass die bisher geforderte zusätzliche ganztägige Weiterbildung entfällt. Dies trifft zum Beispiel auf die Allergologie, die Schlafmedizin oder die spezielle Viszeralchirurgie zu. Bei Rehabilitationswesen und Sozialmedizin sind zusätzlich noch Kursweiterbildungen zu absolvieren.
Bei der ZWB Betriebsmedizin sind neben dem 360-Stunden-Kurs auch 1.200 Stunden betriebsärztliche Tätigkeit unter Befugnis nachzuweisen. Wird dies berufsbegleitend zusätzlich zur eigenen Praxistätigkeit absolviert, sind nicht mehr als 13 Stunden pro Woche anrechenbar. Damit soll sichergestellt werden, dass Ärztinnen und Ärzte die Inhalte strukturiert und aufeinander aufbauend erwerben und keine „theoretischen Wochenendfallseminare“ durchgeführt werden.
Die Mindestweiterbildungszeit (MWZ) für die ZWB Intensivmedizin wird auf 18 Monate verringert. In unserer WBO wird allerdings klargestellt, dass eine verlängerte Intensivweiterbildungszeit beim Facharzt auch zu einer weiteren Verringerung der MWZ um bis zu sechs Monaten führen kann. Damit wird den inhaltlichen Überschneidungen Rechnung getragen.
Es werden einige neue Zusatz-Weiterbildungen eingeführt. Hier wird insbesondere auf die Einführung der Klinischen Akut- und Notfallmedizin verwiesen. Damit wird auch dem Umstand Rechnung getragen, dass der Gemeinsame Bundesausschuss diese Qualifikation für die Besetzung der Notfallaufnahmen fordert und hier ansonsten Abschläge für die Kliniken drohen.
Auch zukünftig sind einige ZWB integraler Bestandteil einer Facharztkompetenz. Dies ist bei der entsprechenden ZWB vermerkt, so ist die Betriebsmedizin integraler Bestandteil der Weiterbildung zum Facharzt für Arbeitsmedizin. Ein voll befugter Arbeitsmediziner darf diese Inhalte ebenfalls vermitteln. Er muss dies aber vorab der Kammer anzeigen. Bei Teilbefugnissen muss die Vermittlung im Vorhinein bei der Kammer beantragt und leistungsmäßig belegt werden.
Spruchpraxis derWeiterbildungskommission
Die Weiterbildungskommission (WBK) hat in den vergangenen Jahren zu vielen Einzelfragen Stellung genommen und richtungsweisende Beschlüsse gefasst. Viele dieser Grundsatzbeschlüsse gelten weiter. Es werden auch zukünftig pro Person nur maximal zwei Befugnisse zugewiesen. Neben einer Facharztbefugnis ist eine weitere für einen Schwerpunkt oder eine Zusatz-Weiterbildung möglich. Weiterbildungskurse bedürfen auch zukünftig einer Vorabgenehmigung durch die Ärztekammer. Sowohl die Qualifikation der Dozenten als auch die Kursinhalte werden hierzu geprüft.
Die bisherigen Entscheidungen zu inhaltlichen Anrechnungsmöglichkeiten werden deutlich vereinfacht; gleichzeitig wird jedoch eine Berücksichtigung von „Fachfremden-Zeiten“ schwieriger. Pflicht-Zeiten sind grundsätzlich einzuhalten. Weiterhin sind die Rahmenvorgaben der EU-Richtlinien zur Anrechnungsfähigkeit von bereits erworbenen Qualifikationen und die Vorgaben des Heilberufsgesetzes zu berücksichtigen.
Weiterbildungsabschnitte von drei Monaten in Vollzeit werden anrechnungsfähig, dabei wird berücksichtigt, dass in einigen Fällen in dieser kurzen Zeit von keiner geregelten Weiterbildung gesprochen werden kann. Da der oder die Weiterzubildende zukünftig alle erworbenen Inhalte belegen muss, könnte sich das Konfliktpotential zwischen Weiterbilder und Weiterzubildenden erhöhen. Hier empfiehlt die Kommission eine regelmäßige Leistungsdokumentation und eine bessere Kommunikation zwischen Weiterbilder und Weiterzubildendem. Die Dokumentation soll über das eLogbuch erfolgen. Der Weiterbilder ist auch zukünftig frei in seiner Bewertung und gibt weiterhin eine subjektive Einschätzung zur fachlichen Eignung ab. Im Gegensatz zum jetzigen Logbuch wird eine fachliche Entwicklung erkennbar. Weiterhin können vom Weiterzubildenden die Leistungsangebote eingefordert werden, die der Weiterbilder bei seinem Antrag auf Befugnis angegeben hat.
Befugnisse weiterhin befristet
Im Rahmen der Übergangsbestimmungen hat jede gegenwärtig in Weiterbildung befindliche Person die Möglichkeit, diese nach der bisherigen WBO in bestimmten Fristen abzuschließen. Ein Umstieg auf die neue WBO ist selbstverständlich auch möglich. Hierzu müssen alle nach der neuen WBO geforderten Zeiten und Inhalte nachgewiesen werden. Für einen Start der Weiterbildung ab dem 1. Juli 2020 gilt grundsätzlich die neue WBO.
Dr. Sven Dreyer ist 1. Vorsitzender der Weiterbildungskommission und Mitglied des Vorstandes der Ärztekammer Nordrhein. Karl-Dieter Menzel ist Leiter der Weiterbildungsabteilung.