RhÄ: Was steht auf Ihrem Schreibtisch?
Groß: Mein Schreibtisch steht zu Hause und ist voll mit Papierkram. Viel Platz für dekorative Dinge habe ich daher nicht, aber in Sichtweite steht eine Statue der Hygeia (griechische Göttin der Gesundheit).
RhÄ: Wie war das damals, als Sie sich entschieden, Medizin zu studieren?
Groß: Ich wusste schon seit der siebten Klasse, dass ich Medizin studieren wollte. Nach dem Abitur musste ich letztendlich sechs Jahre auf einen Studienplatz warten, war dann 30 Jahre alt, als ich das Staatsexamen in der Tasche hatte. Zwischenzeitlich habe ich eine Ausbildung zur Medizinisch-technischen Assistentin absolviert und habe auch während des Studiums weiter gearbeitet. 1982 bin ich nach Nordrhein gekommen. Mein Praktisches Jahr habe ich in Wuppertal absolviert, da hatte ich schon mein erstes Kind. Damals war es sehr schwer, Familie und Beruf zu vereinbaren.
RhÄ: Was hat Sie dazu bewegt, sich ehrenamtlich in der Ärztekammer zu engagieren?
Groß: Alles begann 1997 vor der Kammerwahl. Ein Kollege rief mich an und sagte: „Christiane, wir brauchen eine Frau!“ Ich hab natürlich die typischen Fragen gestellt, die Frauen mir heute auch stellen, wenn ich sie gerne auf einer Wahlliste haben möchte: Was bedeutet das für mich? Was genau muss ich da machen? Wie viel Zeit nimmt die Arbeit in Anspruch? Er versicherte mir also damals, dass ich einen Listen-Platz bekäme, bei dem mir nichts „passieren“ könne. Dem war allerdings nicht so: Ich wurde gewählt und kam in den Vorstand der Kreisstelle Wuppertal, und an dieser Position habe ich auch festgehalten. Getreu dem Motto: „Ihr wolltet eine Quotenfrau, jetzt habt ihr sie!“ (lacht) Heute kämpfe ich an allen Stellen für mehr Frauen und insgesamt mehr junge Leute in der Ärztekammer.
RhÄ: Mit welchen Themen befassen Sie sich typischerweise in einer Sitzung Ihrer Bezirksstelle?
Groß: Meine Hauptaufgabe ist die Beteiligung an der Krankenhausplanung. Zwei der klassischen Themen, die lokale ärztliche Fortbildung und die Ausbildung der Medizinischen Fachangestellten, übernehmen hier die Kreisstellen. Das wiederum gibt mir mehr Zeit, mich mit meinen weiteren Herzens-Themen zu befassen. Dies ist in erster Linie die Umsetzung einer vernünftigen, arzt- und patientengerechten Digitalisierung im Gesundheitswesen.
„Heute kämpfe ich an allen Stellen für mehr Frauen und insgesamt mehr junge Leute in der Ärztekammer.“
Außerdem liegen mir die Belange der Ärztinnen sehr am Herzen. So müssen beispielsweise bei der Umsetzung der neuen Mutterschutzgesetzgebung effiziente Lösungen gesucht werden, die es den Frauen ermöglichen, ihren Beruf weiter auszuüben. Für junge Ärztinnen sollten Schwangerschaft und Kinder nicht den Karriereknick bedeuten. Wir müssen uns neue Arbeits- und Arbeitszeitmodelle einfallen lassen, die zeitgemäß sind.
RhÄ: Was überwiegt in Ihrem Amt als Bezirksstellenvorsitzende: Pragmatismus oder Idealismus?
Groß: Ohne Idealismus kann man keine ehrenamtliche Arbeit leisten.
RhÄ: Was verbinden Sie mit dem Bergischen Land?
Groß: Eine neue Heimat. Ich finde gerade das Bergige und Grüne an der Region so schön. Das breite und kulturelle Angebot und die Lage der Städte gefallen mir besonders – es gibt größere Ortsteile mit mehr Trubel und kleinere mit mehr Idylle. Ich finde die drei Bergischen Städte in ihrer jeweiligen eigenen Besonderheit spannend und attraktiv. Als Wuppertalerin freue ich mich darüber, dass das Bewusstsein, dass Wuppertal eine Stadt mit sehr schönen und liebenswerten Ecken ist, wieder deutlich zunimmt.
Das Interview führte Vassiliki Latrovali.
Dr. med. Christiane Groß M.A. wurde in Westfalen geboren, wuchs in Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg auf. Seit 1984 ist die Allgemeinmedizinerin und Psychotherapeutin Mitglied der Ärztekammer Nordrhein. Die zweifache Mutter ist seit 1997 im Vorstand der Kreisstelle Wuppertal und seit 2001 im Vorstand der Bezirksstelle Bergisches Land aktiv. Außerdem engagiert sie sich unter anderem in den Ausschüssen „E-Health“, „Ärztliche Tätigkeitsfelder“, „Frauen in der Berufspolitik“ und „Arzt-Patienten-Kommunikation“. Groß ist seit 2001 Delegierte der nordrheinischen Kammerversammlung und seit 2004 regelmäßig Delegierte der Deutschen Ärztetage. Von 2005 bis 2014 und wieder ab 2017 ist sie Mitglied im Vorstand der Ärztekammer Nordrhein. Sie ist außerdem Präsidentin des Deutschen Ärztinnenbundes.