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Praxis - Arzt und Recht

Berufsausübungsfreiheit und Fortbildungspflicht

16.07.2019 Seite 20
RAE Ausgabe 8/2019

Rheinisches Ärzteblatt

Heft 8/2019

Seite 20

Die Berufsausübungsfreiheit ist grundgesetzlich geschützt. Einer Einschränkung dieses Grundrechts durch Regelungen zur Fortbildung sind Grenzen gesetzt.

von Katharina Eibl und Dirk Schulenburg

Ärztinnen und Ärzte sind in größerem Umfang als andere Berufsgruppen zur Fortbildung verpflichtet, um eine Patientenversorgung auf dem Stand der Wissenschaft sicherzustellen. Diese Verpflichtung muss sich am Recht auf freie Berufsausübung messen lassen.
Nach § 12 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland (GG) ist nicht nur die Freiheit der Berufswahl, sondern auch die Freiheit der Berufsausübung grundgesetzlich geschützt und kann nur durch Gesetz eingeschränkt werden (sogenannter Gesetzesvorbehalt).
Ein solches Gesetz ist nur verfassungsgemäß, wenn es geeignet ist, einen verfassungsrechtlich legitimen Zweck zu erfüllen und unter mehreren gleich geeigneten Maßnahmen diejenige ist, die am wenigsten in das Grundrecht eingreift.

Grundrecht der Berufsfreiheit

Das Grundrecht der Berufsfreiheit beinhaltet das Recht,
•    den Berufs-, Arbeits- und Ausbildungsplatz frei zu wählen (= Berufswahlfreiheit) 
und das Recht
•    den Beruf frei auszuüben (= Berufsausübungsfreiheit).
Allerdings kann sowohl die Berufsausübung als auch die Berufswahl durch Gesetze, insbesondere im Interesse der Allgemeinheit, eingeschränkt werden. Es unterliegt dabei die Berufswahl einem stärkeren Schutz als die Berufsausübung. 

Gesetzesvorbehalt

Reine Berufsausübungsregelungen können durch „vernünftige, zweckmäßige Gründe des Gemeinwohls“ gerechtfertigt werden (einfacher Gesetzesvorbehalt Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG). Zu den Berufsausübungsregelungen für Ärzte gehören beispielsweise die Regelungen des Heilberufsgesetzes NRW (HeilBerG), welches unter anderem die Pflichtmitgliedschaft in den Heilberufskammern regelt, und die auf dem HeilBerG beruhenden Regelungen der Berufsordnung für die nordrheinischen Ärztinnen und Ärzte (BO).

Regelungen zur Fortbildungsverpflichtung

Die Berufsausübungsfreiheit wird mit dem Ziel der Qualitätssicherung und des Patientenschutzes eingeschränkt durch die Verpflichtung der Ärztinnen und Ärzte zur Fortbildung. Diese Verpflichtung ergibt sich sowohl aus berufsrechtlichen Vorschriften (§ 4 BO) als auch aus dem Sozialgesetzbuch (§ 95 d SGB V für Vertragsärzte und § 137 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. §135 a Abs. 2 SGB V für Krankenhausärzte). 
Regelungen zur Art und Weise der Fortbildung sind an Art. 12 Grundgesetz zu messen. Sie müssen geeignet sein, einen legitimen Zweck in verhältnismäßiger Art und Weise zu erreichen.
Der Inhalt, den eine Fortbildungsveranstaltung haben muss, damit der Arzt durch die Teilnahme seiner Fortbildungsverpflichtung nachkommt, ist in § 2 der Fortbildungsordnung für die nordrheinischen Ärztinnen und Ärzte (FO) eingeschränkt. Danach hat die Fortbildung inhaltlich die neuen wissenschaftlichen Erkenntnisse und medizinischen Verfahren zu berücksichtigen. 

Fortbildungsinhalte vor Gericht

Das Verwaltungsgericht Berlin hat in einem Urteil vom 19.04.2013 (Az.: 9 K 159/11) entschieden, dass die Zertifizierung der Veranstaltung mit dem Thema „Stress – Burnout – depressive Störung“ und dem Inhalt von Phytotherapie, Akupunktur, Laserlicht, Qi-Gong und Stoffwechseloptimierung zur Energiegewinnung zu Recht von der Kammer als nicht dem aktuellen Stand der Medizin und Wissenschaft entsprechend abgelehnt wurde. 
Grundsätzlich könnten zwar auch Themen, die aktuell in der wissenschaftlichen Diskussion stünden und medizinisch partiell noch ungeklärt seien, unter bestimmten Bedingungen Gegenstand zertifizierter Fortbildungsveranstaltungen sein. In der Veranstaltung müsse dann allerdings zu Beginn umfassend der aktuelle Sachstand in der Medizin dargestellt werden.
Das Verwaltungsgericht Hamburg hat in einem Urteil vom 21.01.2009 (Az.: 17 K 1915/08) entschieden, dass die Fortbildungsinhalte Patientenbezug haben müssen, um den Anforderungen an die ärztliche Fortbildung zu genügen. Die örtliche Kammer lehnte nach Auffassung des Gerichts zu Recht ab, die Veranstaltung „Praxiswerbung – wer nicht wirbt, der stirbt!“ als fachliche Fortbildungsmaßnahme anzuerkennen. Die Fortbildung müsse der Weiterentwicklung der beruflichen Kompetenz dienen und dies sei nur dann der Fall, wenn ein Bezug zur ärztlichen Patientenversorgung bestehe, was bei einer Veranstaltung zum Praxismarketing regelmäßig nicht der Fall sei.

Fazit

Die Freiheit der Berufsausübung ist grundgesetzlich geschützt. Die Freiheit der Berufsausübung kann nur durch Gesetz zulässig eingeschränkt werden. Dieses Gesetz muss einen legitimen Zweck verfolgen und muss verhältnismäßig sein, darf den Arzt also nicht in unzumutbarer Weise einschränken. Die Regelungen zu Art und Inhalt der Fortbildungsveranstaltungen sind Einschränkungen, die verfassungsgemäß sind, da sie den oben genannten Vorgaben entsprechen. 

Dr. iur. Dirk Schulenburg, MBA, MHMM, ist Justiziar der Ärztekammer Nordrhein, Katharina Eibl, Fachanwältin für Medizinrecht, ist Referentin der Rechtsabteilung.