Düsseldorf, Bilk. Unweit der Haltestelle Karolingerplatz befindet sich das Walter-Eucken Berufskolleg. Seit über 50 Jahren lassen sich hier jährlich rund 3000 Schülerinnen und Schüler, von 120 Lehrkräften, in elf Berufen ausbilden. Dr. Barbara Schweickert unterrichtet angehende Medizinische Fachangestellte.
An diesem Mittwochmorgen unterrichtet Dr. Barbara Schweickert die Turboklasse des Walter-Eucken-Berufskollegs im Fach Medizin. Diese Klasse der Mittelstufe verkürzt die sonst dreijährige duale Ausbildung um ein halbes oder ganzes Jahr. Gebildet wird sie aus den besten Schülerinnen und Schülern einer Unterstufe. Nach den Osterferien werden die etwa 20 Schülerinnen im Alter von 17 bis 43 Jahren bereits den Lernstoff der Oberstufe aufgreifen. Das Thema heute: Lernfeld 8 – Anatomie, Funktion und Erkrankungen männlicher Genitalorgane. Mit Beamer, Leinwand und Laptop geht es an die Hausaufgaben. Schweickert gibt Hinweise zu prüfungsrelevanten Themen. Die gebürtige Essenerin entschied sich 1991 ihre Stelle als Anästhesistin im Evangelischen Krankenhaus in Wesel am Niederrhein aufzugeben und sich beruflich neu zu orientieren: „Damals war meine zweite Tochter zur Welt gekommen und es gab für Frauen mit Kindern keine familienfreundlichen Teilzeitstellen. Das Angebot meines damaligen Arbeitgebers kam für mich nicht in Frage, also schaute ich mich nach Alternativen um und stieß per Zufall über die Ärztekammer Nordrhein auf die Stelle als Ärztin, die Medizinische Fachangestellte unterrichtet und prüft. Erst in Teilzeit und nach dem dritten Kind bin ich dann hauptsächlich als Lehrkraft und Dozentin – auch in der Altenpflege – tätig geworden. Bis heute bereue ich meine Entscheidung nicht, ich übe diesen Beruf einfach unheimlich gerne aus“, erzählt Schweickert.
Die Klasse ist motiviert, die Stimmung ist entspannt. Wissen und Witz halten sich im Unterricht der dreifachen Mutter die Waage: „Ihr wisst vielleicht, dass männliche Leistungssportler vor wichtigen Turnieren ihre Frauen oder Freundinnen nicht sehen dürfen“, erklärt Schweickert, „das liegt daran, dass der Testosteronspiegel beim Mann nach dem Geschlechtsverkehr abfällt. Vor wichtigen Spielen wollen Trainer natürlich, dass die Spieler wacher sind, vielleicht auch aggressiver, daher das Verbot. Bei Leistungssportlerinnen ist das genau anders herum, die sind danach weiterhin voller Elan, denn bei Frauen hält die Testosteronwirkung länger an.“ Die Klasse ist höchst amüsiert. Die Schülerinnen wissen aber, hinter all dem Spaß steckt der Ernst ihres späteren Berufslebens.
Ein Beruf mit Zukunft
Auf die Frage, was eine gute MFA ausmache, ist man sich am „Walter-Eucken“ einig: Empathie, Geduld und die Liebe zum Beruf. Ein gutes Arbeitsklima in der Praxis und das nötige Fachwissen runden das Paket ab, so die Klasse im Gespräch mit dem Rheinischen Ärzteblatt. „Ich würde noch Zuverlässigkeit, Ehrlichkeit und Herzlichkeit ergänzen“, sagt Schweickert und führt weiter aus: „Die Komplexität des MFA Berufes ist noch nicht in den Köpfen der Menschen verankert. Das spiegelt sich dann in der Bezahlung, aber auch im Verhalten mancher Patienten wider. In der Pflege ist es ähnlich – nach drei, vier Jahren entscheiden sich viele etwas anderes zu machen. Neben einer angemessenen Bezahlung ist eben auch die Anerkennung bedeutend, die man im Job erhält.“
„Wohlfühl-Momente“ in der Praxis
Schlechte Erfahrungen hat nur eine Schülerin gemacht: Ein Patient, der ohne Termin in die Praxis kam, wurde ihr gegenüber fast handgreiflich. Doch berichten alle von Patienten, die manchmal viel einfordern und sich im Ton vergreifen. Für die Frauen ist die Lösung dazu relativ simpel: Wer Spaß an seiner Arbeit hat, den kann so schnell nichts aus der Ruhe bringen, so die Schülerinnen. Selbstbewusstes Auftreten könne da auch nicht schaden.
Wichtig ist es, so die Schülerinnen, eine angenehme Atmosphäre in der Praxis zu kreieren, in der sich die Patienten wohlfühlen. Oft gelinge das bei älteren Patienten, mit dem Nebeneffekt, dass diese dann am Tresen auch gern über Privates redeten und damit eine Schlange erzeugten. Im sonst eher hektischen und stressigen Alltag seien gerade solche Situationen ein wunderbarer „Wohlfühl-Moment“, sagt eine der Schülerinnen. Immerhin habe man sich für den Beruf der MFA entschieden, weil man in diesem ständig mit Menschen in Kontakt sei. Das Vertrauen der Patienten, so die Schülerinnen, sei ihnen sehr viel wert. Schweickert ergänzt: „Ich sag meinen Klassen immer, man muss Menschenfreund sein um diesen Beruf auszuüben. Man muss seine Patienten mögen.“