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Mail aus Bonn

15.03.2019 Seite 10
RAE Ausgabe 3/2019

Rheinisches Ärzteblatt

Heft 3/2019

Seite 10

Marie Noëlle Engels © privat

Das vierte klinische Semester beendet man in Bonn unter anderem mit einer mündlichen Prüfung in den Fächern Orthopädie, Chirurgie, Anästhesie und Urologie. Vier Studierende sitzen dabei vier Prüfern gegenüber. Während ich schon in Chirurgie geprüft wurde, betrat der Orthopäde den Prüfungsraum. Es war ein anderer Arzt als eingetragen, was mir zuerst allerdings nicht auffiel. Lassen sich schließlich auffallend viele der Orthopäden, die ich in diesem Semester kennengelernt habe, als blond, groß, breit gebaut und braun gebrannt beschreiben.

In der ersten orthopädischen Prüfung forderte der Arzt den Studenten auf, sich in die Rolle eines Assistenz arztes zu versetzen. In seiner Ambulanz seien vier Untersuchungszimmer. Im ersten sitze Lukas Podolski, im zweiten Boris Becker, im dritten Lukas Podolskis Frau mit dem neugeborenen Sohn und im vierten Lukas Podolskis Oma. Zu wem wolle er gehen? Der Kommilitone entschied sich für die Oma und diagnostizierte ihr eine Coxarthrose. Die nächste Kommilitonin entschied sich für die Mutter mit Kind. Wie sich herausstelle, litt das Kind an einer Hüftdysplasie. Der dritte Prüfling entschied sich für Lukas Podolski, was mir einen leisen Seufzer entlockte. Mit Boris Beckers Tennisverletzungen wollte ich mich wirklich nur ungern beschäftigen. Ein potentieller Kreuzbandriss erschien mir im Vergleich als dankbarere Thematik. Lukas Podolski, führte der Orthopäde allerdings aus, sei 2009 bei Bayern München für ein halbes Jahr ausgefallen. Er sei in seinen tiefer gelegten Mansory Stallone gestiegen und nicht mehr herausgekommen. Außerdem habe sein Zeh gekribbelt. Ein Bandscheibenvorfall? Gefragt nach der weiteren Therapie, sprach sich der Kommilitone für ein konservatives Vorgehen aus: Lukas Podolski müsse schließlich schnell wieder fit werden. Eine weitere Überraschung zum Schluss: Als ich schließlich an der Reihe war, erklärte der Orthopäde, ich würde nun das vierte Untersuchungszimmer betreten, doch Boris Becker sei verschwunden. Stattdessen würde ich einem Zwölfjährigen mit Hüftbeschwerden gegenüberstehen.

Wie erlebt Ihr das Studium der Humanmedizin? Schreibt mir an medizinstudium(at)aekno.de.