Natürlicher Weise lernt man im Laufe des Medizinstudiums problemlösend zu denken und zu handeln. In einer Notfallsituation beispielsweise gibt es ein Problem, das man finden und beheben muss. Dabei helfen Schemata, wie das ABCDE-Schema, auf der Suche nach akuten Gefahren für das Leben des Patienten. Scores, wie die Glasgow-Coma-Scale, erleichtern, die Situation einzuschätzen und eine Entscheidung zu finden. Diese Abläufe haben sich mir eingeprägt.
Umso ungewohnter war für mich das Blockseminar in Palliativmedizin. Eine Woche lang redeten wir viel über den Tod: mit Angehörigen, Ehrenamtlern, Ärzten, Schauspielpatienten und untereinander. Unter anderem musste jeder Student ein zehnminütiges Gespräch mit einem Schauspielpatienten führen. In meinem Gespräch verkörperte ich die Rolle der Stationsärztin der Palliativstation. Der Schauspieler mir gegenüber schlüpfte in die Rolle von Herrn Müller. Herr Müller war 60 Jahre alt und hatte vor einem halben Jahr die Diagnose Bronchialkarzinom erhalten. Vor zwei Tagen war ihm eröffnet worden, dass die weitere Therapie rein palliativ sein würde. Auf meinem Informationsblatt stand weiterhin: Frage nach Hospiz besprechen. Doch dazu kamen wir nicht. Herr Müller war sehr aufgewühlt. Er könne es noch gar nicht fassen. Ob es sicher keine kurativen Therapien mehr für ihn gäbe. Sein ganzes Leben habe er gearbeitet und sich jetzt auf seinen Ruhestand gefreut. Wie es denn mit seiner Frau weitergehen solle. Um diese Fragen drehte sich das Gespräch, ohne dass ich das Gefühl hatte, auch nur eine befriedigende Antwort geben zu können. Also versuchte ich, einfach möglichst beruhigend zu sprechen. Als die zehn Minuten vorbei waren, hatte ich den Eindruck, das Gesprächsziel verfehlt zu haben. Doch in der Besprechung erläuterte die Dozentin, es sei vor allem darum gegangen, die Situation aushalten zu können. Ein ungewohntes Gefühl.
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