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Verfahrensordnung der Gutachterkommission für ärztliche Behandlungsfehler bei der Ärztekammer Nordrhein


vom 21. März 2020

Die Kammerversammlung vom 21. März 2020 hat in schriftlicher Abstimmung am 31. März 2020 (Abstimmungszeitraum 21. März 2020 bis 31. März 2020) folgende Verfahrensordnung der Gutachterkommission für ärztliche Behandlungsfehler bei der Ärztekammer Nordrhein beschlossen.

Sie tritt am 1. Dezember 2020 in Kraft.

  • § 1 Errichtung der Gutachterkommission

    Die Ärztekammer Nordrhein hat eine Kommission zur Begutachtung von Vorwürfen ärztlicher Behandlungsfehler errichtet. Diese führt die Bezeichnung „Gutachterkommission für ärztliche Behandlungsfehler bei der Ärztekammer Nordrhein“.

  • § 2 Aufgabe und Zielsetzung

    Aufgabe der Gutachterkommission ist es, eine zeitnahe, unabhängige und neutrale Begutachtung einer ärztlich verantworteten Behandlung durchzuführen und aufgrund eines behaupteten Gesundheitsschadens eine unverbindliche Bewertung der Haftungsfrage dem Grunde nach abzugeben. Ziel ist die Förderung einer einvernehmlichen außergerichtlichen Streitbeilegung.

  • § 3 Unabhängigkeit

    Die Mitglieder der Gutachterkommission sind bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben unabhängig und an Weisungen nicht gebunden. Sie sind allein ihrem Gewissen und ihrer fachlichen Überzeugung verantwortlich.

  • § 4 Zusammensetzung, Ehrenamt

    (1) Mitglieder der Gutachterkommission sind Ärztinnen und Ärzte mit abgeschlossener Facharztweiterbildung sowie Juristinnen und Juristen mit Befähigung zum Richteramt. Sie verfügen über die erforderliche berufliche Erfahrung und werden berufen. Wer dem Vorstand der Ärztekammer angehört oder als Angestellter für die Ärztekammer Nordrhein oder die Kassenärztliche Vereinigung Nordrhein tätig ist, darf nicht Mitglied der Gutachterkommission sein; Tätigkeiten in anderen mit Unabhängigkeit ausgestatteten Ehrenämtern (z.B. einer Ethikkommission) stehen einer Berufung nicht entgegen.

    (2) Die Mitglieder werden vom Vorstand der Ärztekammer auf die Dauer einer Amtsperiode von fünf Jahren berufen. Ersatzberufungen nach Ausscheiden eines Mitgliedes und Neuberufungen werden für die laufende Amtsperiode ausgesprochen.

    (3) Vorsitzende/r ist eine Juristin oder ein Jurist mit Befähigung zum Richteramt. Für sie oder ihn ist mindestens eine Vertretung zu bestellen. Die juristischen Mitglieder sollen über langjährige Erfahrung im Richteramt verfügen.

    (4) Die ärztlichen Mitglieder sollen über langjährige Erfahrung in ihrem Beruf verfügen und mit dem Gutachterwesen vertraut sein.

    (5) Das Amt als Mitglied der Gutachterkommission ist ein Ehrenamt. Die Mitglieder der Gutachterkommission erhalten bei ihrer Tätigkeit Reisekosten und Sitzungsgeld sowie eine Aufwandsentschädigung nach der Entschädigungsordnung der Ärztekammer Nordrhein in der jeweils geltenden Fassung.

  • § 5 Vorsitz, Geschäftsführendes Kommissionsmitglied

    (1) Die oder der Vorsitzende wahrt den ordnungsgemäßen Ablauf des Verfahrens der Gutachterkommission. Sie/er ist befugt, der Geschäftsstelle fachliche Weisungen zu
    erteilen.

    (2) In Verfahrensfragen und juristischen Fragen der Auslegung des Statuts entscheidet die oder der Vorsitzende.

    (3) Zur Bearbeitung der ärztlich-medizinischen Fragen, die sich aus den Anträgen ergeben, überträgt der Vorstand der Ärztekammer einem ärztlichen Mitglied der Kommission die Geschäftsführung (Geschäftsführendes Kommissionsmitglied). Für dieses ist mindestens eine Vertretung zu bestellen.

    (4) Das Geschäftsführende Kommissionsmitglied entscheidet, welchem ärztlichen Mitglied die Bearbeitung des Antrags übertragen wird, sofern es diese nicht selbst übernimmt. Zur Bearbeitung des Antrags gehören die Einholung von Stellungnahmen der Beteiligten und von Gutachten sowie die Erörterung des Sachverhaltes mit weiteren Mitgliedern der Gutachterkommission.

  • § 6 Verfahrensbeteiligte, Antragsberechtigung

    (1) Berechtigt, den das Verfahren einleitenden Antrag zu stellen, sind

    a) die Patientin oder der Patient, die / der das Vorliegen eines Behandlungsfehlers und einen dadurch verursachten Gesundheitsschaden vermutet, im Falle ihres / seines Todes die Erben, und
    b) die / der in Anspruch genommene Ärztin / Arzt.

    (2) Beteiligte und zu Verfahrensanträgen berechtigt sind ferner

    c) die Behandlungseinrichtung (z.B. Krankenhaus, Medizinisches Versorgungszentrum, sonstige ärztlich geleitete Einrichtung), für welche die Ärztin / der Arzt tätig geworden ist;
    d) die Haftpflichtversicherung der Ärztin / des Arztes oder der Behandlungseinrichtung, für welche die Ärztin oder der Arzt tätig geworden ist.

    (3) Die Beteiligten können sich vertreten lassen.

  • § 7 Verfahrensvoraussetzungen, Verfahrenshindernisse

    (1) Das Verfahren findet auf Antrag nach Zustimmung aller Beteiligten statt. Die Zustimmung kann nur mit Einverständnis der anderen Beteiligten zurückgenommen werden. Die Rücknahme der Zustimmung eines Verfahrensbeteiligten ist gegenüber den anderen Verfahrensbeteiligten in geeigneter Weise zu begründen. Wenn begründete Aussicht für eine Förderung der Streitbeilegung entsprechend dem Ziel des Verfahrens (§ 2) besteht, kann die Gutachterkommission nach pflichtgemäßem Ermessen das Verfahren auch durchführen, wenn in Anspruch genommene Beteiligte nicht zustimmen und die Behandlungsdokumentation vorliegt.

    (2) Die Gutachterkommission nimmt kein Verfahren auf,

    a) solange ein Zivilprozess wegen des zur Begutachtung gestellten Sachverhaltes anhängig ist und nicht gemäß §§ 251, 278 der Zivilprozessordnung ruht,
    b) wenn ein Zivilgericht bereits rechtskräftig über den zur Begutachtung gestellten Sachverhalt entschieden hat oder wenn der Streitgegenstand durch gerichtlichen oder außergerichtlichen Vergleich erledigt wurde,
    c) solange ein staatsanwaltschaftliches Ermittlungsverfahren oder ein strafgerichtliches Verfahren wegen derselben Tatsachen anhängig ist.

    (3) Wenn der behauptete Behandlungsfehler bei Antragstellung länger als 5 Jahre zurückliegt, kann die Gutachterkommission das Verfahren unabhängig vom Zeitpunkt der Kenntnis des Antragstellers ablehnen.

    (4) Tritt ein Verfahrenshindernis gemäß Absatz 2 nach Anrufung der Gutachterkommission ein oder kommt ein Beteiligter seinen Mitwirkungspflichten nach § 8 nicht nach, ist das Verfahren in der Regel einzustellen.

  • § 8 Mitwirkungspflichten der Verfahrensbeteiligten

    Die Beteiligten sind zur Unterstützung der Gutachterkommission bei der Aufklärung des Sachverhalts verpflichtet, insbesondere die erforderlichen Informationen zur Verfügung zu stellen und Schweigepflichtentbindungserklärungen zu erteilen. Auf Anforderung der Gutachterkommission ist die vollständige Behandlungsdokumentation in einer für die Begutachtung geeigneten Form kostenfrei zur Verfügung zu stellen.

  • § 9 Verfahrensgrundsätze

    (1) Das Verfahren ist schriftlich. Die Kommission kann den Sachverhalt mit den Beteiligten mündlich erörtern.

    (2) Eine Zeugen- oder Parteivernehmung findet nicht statt.

    (3) Die Behandlung wird auf der Grundlage der beigezogenen Behandlungsdokumentation geprüft. Die Prüfung ist umfassend und nicht durch Anträge beschränkt.

    (4) In der Regel wird ein Sachverständigengutachten eingeholt. Die medizinische Behandlung wird fachgebietsgleich beurteilt. Die Beauftragung mehrerer Sachverständiger ist möglich und erfolgt nach pflichtgemäßem Ermessen.

    (5) Vor Beauftragung der / des Sachverständigen erhalten die Beteiligten die Gelegenheit, sich zu der Person und zu den vorgesehenen Beweisfragen zu äußern.

    a) Für die Ablehnung eines Sachverständigen oder eines Mitglieds der Kommission gelten die Bestimmungen der Zivilprozessordnung entsprechend. Es entscheidet die / der Vorsitzende oder ihre / seine Vertretung.
    b) Die Beteiligten können zur Fragestellung an die Sachverständigen Anregungen vortragen. Die Abfassung des endgültigen Gutachtenauftrages obliegt der Gutachterkommission. Hierbei ist dafür Sorge zu tragen, dass das Gutachten sich mit dem Vorbringen der Beteiligten auseinandersetzt und auf die haftungsrechtlich relevanten Gesichtspunkte bei der Beurteilung eingeht.

     
  • § 10 Verfahren nach Eingang des Gutachtens

    (1) Das eingehende Gutachten wird zunächst dem zuständigen juristischen Mitglied vorgelegt. Hiernach erhalten es die Beteiligten mit der Gelegenheit zur Stellungnahme. Entscheidet die Kommission ohne Einholung eines Sachverständigengutachtens allein auf Grundlage interner Meinungsbildung, so erhalten die Beteiligten vorab die Möglichkeit, hierzu Stellung zu nehmen.

    (2) Einwendungen gegen das Gutachten können durch Antrag auf abschließendes Gutachten erhoben werden. Der Antrag muss innerhalb einer Frist von einem Monat nach Zustellung des Gutachtens eingehen; die Frist zur Begründung des Antrags kann verlängert werden. Wird ein solcher Antrag gestellt oder hält die Gutachterkommission dies selbst für angezeigt, wird eine abschließende Bewertung durch eine aus einem ärztlichen und einem juristischen Mitglied bestehende Kommission abgegeben. Diese kann weitere ärztliche oder juristische Mitglieder nach ihrem pflichtgemäßen Ermessen hinzuziehen.

    (3) Die Bewertung ist medizinisch und juristisch begründet und berücksichtigt die Stellungnahmen der Beteiligten. Sie enthält Feststellungen über das Vorliegen eines Behandlungsfehlers sowie eines hierdurch verursachten Gesundheitsschadens. Sie enthält keine Feststellung zur Höhe einer etwaigen Entschädigung oder einen entsprechenden Vorschlag.

    (4) Den Beteiligten wird eine Ausfertigung dieses abschließenden Gutachtens übersandt.

  • § 11 Datenschutz

    Die gesetzlichen Grundlagen zum Datenschutz sind zu beachten. Vom Patienten ist eine den gesetzlichen Vorgaben entsprechende Schweigepflichtentbindungserklärung einzuholen.

  • § 12 Statistik, Berichtspflicht

    (1) Die Gutachterkommissionen und Schlichtungsstellen erfassen die Ergebnisse ihrer Arbeit statistisch in anonymisierter Form. Diese Ergebnisse gehen in eine bundesweite Auswertung ein und werden zum Zwecke der Aus-, Fort- und Weiterbildung sowie zur Fehlerprophylaxe verwendet.

    (2) Die Gutachterkommission erstattet der Kammerversammlung jährlich einen Tätigkeitsbericht.

  • § 13 Patientenvertretung

    Der oder dem Patientenbeauftragten der Landesregierung ist Einblick in verfahrensorganisatorische Abläufe der Gutachterkommission zu gewähren, soweit Patientenrechte berührt sein können.

  • § 14 Kosten

    (1) Das Verfahren ist für Patientinnen und Patienten kostenfrei.

    (2) Die Beteiligten tragen ihre eigenen Kosten, einschließlich der Kosten ihrer Vertretung, selbst.

    (3) Der Haftpflichtversicherer beteiligt sich im vereinbarten Umfang an den Kosten des Verfahrens.

  • § 15 Rechtsweg, Verfahrensrecht

    (1) Durch das Verfahren der Gutachterkommission wird der Rechtsweg nicht^ausgeschlossen.

    (2) Soweit sich aus dieser Verfahrensordnung nichts anderes ergibt, finden ergänzend die Vorschriften der Zivilprozessordnung, hilfsweise des Verwaltungsverfahrensgesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen Anwendung.

  • § 16 Inkrafttreten, Übergangsregelung

    Diese Verfahrensordnung der Gutachterkommission für ärztliche Behandlungsfehler bei der Ärztekammer Nordrhein tritt am 01.12.2020 in Kraft und findet auf ab diesem Zeitpunkt neu eingehende Verfahren Anwendung.

Verfahrensordnung

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