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Weiterführende Informationen und Differentialdiagnostik zur Zertifizierten Kasuistik: 76-jähriger Patient mit permanentem Vorhofflimmern und Hb-relevanten Hämoptysen unter oraler Antikoagulation


Folge 80 der Reihe Zertifizierte Kasuistik

von Heyder Omran

 

Anamnese

Bei dem Patienten liegt permanentes Vorhofflimmern vor. Das jährliche Risiko eines Schlaganfalls oder einer Embolie kann mit dem CHA2DS2VASC Score abgeschätzt werden; ab einem score ≥ 2 ist bei Männern eine orale Antikoagulation indiziert (1). In dem vorliegenden Fall liegt bei dem Patienten das Risiko bei circa 4 Prozent pro Jahr. Der HAS-BLED Score dient der individuellen Einschätzung des Blutungsrisikos und ist auch in diesem Fall mit vier Punkten deutlich erhöht. Das jährliche Risiko großer Blutungen liegt zwischen 7 und 10 Prozent. Aufgrund der lebensbedrohlichen Hämoptysen war eine umfassende pneumologische Abklärung und Therapie erfolgt. Eine dauerhafte Beseitigung der Blutungsquelle war aber nicht möglich. Daher war die Indikation zu einem Vorhofohrverschluss gestellt worden, um eine orale Antikoagation zu vermeiden.

Vorgehen

Nachdem mit Hilfe der transösophagealen Echokardiographie ein Thrombus im linken Vorhofohr ausgeschlossen wurde (Abbildung 1) und bestätigt werden konnte, dass die Anatomie des Vorhofohres für einen Okkluder geeignet war, wurde die Möglichkeit eines Vorhofohrverschlusses mit dem Patienten besprochen.

Die Vor- und Nachteile des Verfahrens wurden erläutert. Das interventionelle Risiko liegt bei circa drei Prozent für größere Komplikationen wie Tod, Schlaganfall, Blutung oder Perikarderguss. Die häufigste Komplikation ist die lokale Blutung (2). Im Vergleich dazu liegt das jährliche Risiko für eine große Blutung unter einer oralen Antikoagulation bei rund ein bis zwei Prozent und ist bei Zustand nach Blutung nochmals erheblich höher. Insgesamt kann das Risiko für Embolien nach einem Vorhofohrverschluss um circa 70 Prozent gesenkt werden, wobei nach Vorhofohrverschluss auf eine dauerhaft orale Antikoagulation verzichtet werden kann.

Das Verfahren wurde vor mehr als 20 Jahren eingeführt und ist technisch ausgereift.

Die Indikation zum Eingriff bleibt aber eine individuelle Entscheidung, da große Studien, die die Effektivität und Sicherheit des Vorhofohrverschlusses im Vergleich zur oralen Antikoagulation untersuchen, noch nicht abgeschlossen sind.    
Unter Berücksichtigung dieser Informationen hat sich der Patient für einen Vorhofohrverschluss entschieden.

Da der Patient wiederholt relevant geblutet sowie verschiedene orale Anti-koagulationen nicht vertragen hat, wurde auf eine perinterventionelle Therapie mit Clopidogrel verzichtet und nur Acetylsalicylsäure in Vorbereitung des Eingriffs verordnet.
Um eine denkbare pulmonale Blutung beherrschen zu können, wurde in dem vorliegenden Fall eine Vollnarkose mit Intubation durchgeführt. Die transseptale Punktion erfolgte unter transösophagealer echokardiographischer Kontrolle. Alternativ kann dieser Eingriff auch in Analgosedierung durchgeführt werden.

Nachdem der Eingriff ohne Komplikationen erfolgreich durchgeführt werden konnte, erhielt der Patient postinterventionell zusätzlich Clopidogrel, um Thrombusbildungen auf dem implantierten Okkluder zu vermeiden. Üblicherweise wird diese duale antithrombozytäre Therapie zwischen ein und drei Monaten gegeben.

Mit Hilfe einer transthorakalen Echokardiographie wurde die korrekte Lage des Okkluders bestätigt und ein Perikarderguss ausgeschlossen (Abbildung 2).

Da in seltenen Fällen auch sogenannte späte Perikardergüsse entstehen können, wurde der Patient 2 Tage klinisch überwacht.

Nachsorge

Späte Komplikationen nach einem Vorhofohrverschluss sind selten. Der Patient wurde gebeten, in der ersten Woche keine schweren Gegenstände zu heben und starke körperliche Anstrengungen zu vermeiden. Auf eine Endokarditisprophylaxe in der Einheilungsphase von rund sechs Monaten wurde hingewiesen und vorsorglich ein Implantationsausweis ausgehändigt.

Üblicherweise wird nach rund drei Monaten eine transösophageale Echokardiographie durchgeführt, um die korrekte Position und eine optimale Einheilung des Geräts zu dokumentieren. In seltenen Fällen kann sich trotz antithrombozytärer Therapie auf dem Gerät ein Thrombus bilden (3). Daher ist eine Nachsorge aus diesen Gründen sinnvoll.

Das Absetzen der oralen Antikoagulation ist ein erheblicher Vorteil für den Patienten. Es kann auf eine bridging Therapie verzichtet werden und operative oder interventionelle Eingriffe haben ein geringeres Risiko für Blutungen. Ferner lassen sich größere Blutungen oder Verletzungen leichter behandeln.

Fazit

Der Vorhofohrverschluss ist ein interventionelles Verfahren zur Embolieprophylaxe bei Vorhofflimmern und ist eine Alternative zur oralen Antikoagulation bei Unverträglichkeit einer Antikoagulation, rezidivierenden Schlaganfällen trotz oraler Antikoagulation oder schweren Blutungen unter Antikoagulantien.

Patienten sollten über diese Alternative zur oralen Antikoagulation informiert werden.


Literatur

  1. Hindricks G, Potpara T, Dagres N. et al. 2020 ESC Guidelines for the diagnosis and management of atrial fibrillation developed in collaboration with the European Association for Cardio-Thoracic Surgery (EACTS): The Task Force for the diagnosis and management of atrial fibrillation of the European Society of Cardiology (ESC) Developed with the special contribution of the European Heart Rhythm Association (EHRA) of the ESC. Eur Heart J 2021; 42: 373-498 DOI: 10.1093/eurheartj/ehaa612
  2. Lakkireddy D, Thaler D, Ellis C. et al. Amplatzer Amulet Left Atrial Appendage Occluder Versus Watchman Device for Stroke Prophylaxis (Amulet IDE). Circulation 2021; 144: 1543-1552 DOI: 10.1161/CIRCULATIONAHA.121.057063
  3. Dukkipati S, Kar S, Holmes D. et al. Device related thrombus aufter left atrial appendage closure. Incidence, Predictors, and Outcome. Circulation 2018; 138: 874-885 DOI: 10.1161/CIRCULATIONAHA.118.035090