Weiterführende Informationen und Differentialdiagnostik zur Zertifizierten Kasuistik "Patientin mit symptomatischem Herzstolpern "
von Georg von Bodman
Inhaltsübersicht
Informationen, Erläuterungen und Differentialdiagnostik
Informationen, Erläuterungen und Differentialdiagnostik
Ruhe-EKG und Langzeit-EKG des vorliegenden Falles zeigten eine mäßig ausgeprägte ventrikuläre Extrasystolie (VES) bei einer VES-Last von circa 12 Prozent. Der vermutete Ursprung der im Ruhe-EKG dokumentierten ventrikulären Extrasystolen lag im Bereich des rechtsventrikulären Ausflusstraktes (RVOT). Ein Anhalt für eine koronare oder strukturelle Herzerkrankung fand sich in der nicht-invasiven Diagnostik nicht. Echokardiographisch und ergometrisch zeigten sich jeweils altersentsprechend unauffällige Befunde. Laborchemisch konnte eine Elektrolytentgleisung ausgeschlossen werden. Myokardmarker, Infektparameter sowie TSH zeigten sich normwertig. Nach einem frustranen medikamentösen Therapie-Versuch mit einem Beta-Blocker (Bisoprolol) wurde die Indikation zur Ablation gestellt.
Am Tage der stationären Aufnahme zur geplanten Ablation bot die Patientin allerdings nurmehr eine minimale VES-Last von circa 1 Prozent. Eine Induktion der VES durch Belastung (Ergometrie) oder eine medikamentöse Provokation (Orciprenalin) gelang nicht. Bei einer wenige Tage später wieder massiven VES-Last erfolgte eine neuerliche Aufnahme. Ein elektroanatomisches Mapping (Abbildung 6) des RVOT wurde durchgeführt und es konnte ein Focus anterolateral und superior im RVOT lokalisiert werden. Bei einer zudem > 98 prozentigen Übereinstimmung der Morphologie der klinischen VES und der QRS-Morphologie bei Stimulation im Bereich dieses Fokus, erfolgten hier fraktionierte Energieabgaben mit einem gekühlten Ablationskatheter (CoolFlex, SJM/Abbott, 30 Watt,). Anschließend konnten lediglich noch vereinzelte polymorphe VES dokumentiert werden. Mehrere Langzeit-EKGs im Verlauf zeigten, passend zur vollständigen Regredienz der Klinik, nahezu keine VES mehr (Abbildungen 1) bei einer VES-Last von stabil < 1 bis 3 Prozent.
Ventrikuläre Extrasystolen können ein harmloser Befund, jedoch auch das erste Anzeichen einer kardialen Erkrankung sein (z. B. rechtsventrikuläre oder hypertrophe Kardiomyopathie). Daher sollte neben einer ausführlichen Anamnese (Familienanamnese, Schwindel, Angina pectoris, Dyspnoe, Präsynkopen und Synkopen) stets zumindest eine nicht-invasive Diagnostik mittels 12-Kanal-EKG, Ergometrie, Langzeit-EKG, Echokardiographie und Labor erfolgen. Gegebenenfalls kann diese Diagnostik durch ein Kardio-MR oder eine Koronarangiographie sowie eine Laevokardiographie des rechten und/oder linken Ventrikels ergänzt werden.
Im Falle einer nur gering ausgeprägten ventrikulären Extrasystolie (VES-Last < 10 Prozent aller QRS-Komplexe) besteht bei fehlender kardialer Grunderkrankung lediglich bei entsprechenden Beschwerden eine symptomatische Therapieindikation. Von prognostischer Relevanz sind VES dann nicht.
Langzeit-EKG (Ausschnitt) vor (links) und nach der Ablation (rechts)
Abbildung 1: links: LZ-EKG (Ausschnitt) vor Ablation, rechts Langzeit-EKG (Ausschnitt) nach Ablation Quelle: Benedictus Krankenhaus, Tutzing
Eine Ausnahme dieser Regel stellt die reproduzierbare Häufung von ventrikulären Extrasystolen unter Belastung dar. Als Ursache kommen dann auch gefährliche, primär elektrische Erkrankungen, zum Beispiel das Long QT 1 Syndrom oder das seltene Krankheitsbild der katecholaminergen polymorphen ventrikulären Tachykardie (CPVT) in Betracht (1).
Im Falle einer bleibend massiven Häufung ventrikulärer Extrasystolen (VES-Last > 10-20% aller QRS-Komplexe) ist im Langzeitverlauf die Entwicklung einer linksventrikulären Funktionsstörung wahrscheinlich (2, 3, 4, 5, 6) und es besteht infolgedessen auch bei fehlender Symptomatik und bei fehlender kardialer Grunderkrankung eine prognostische Therapieindikation.
Bleibt ein medikamentöser Therapieversuch (z.B. mit Beta-Blocker oder Ca-Antagonisten vom Verapamil-Typ) einer ventrikulären Extrasystolen erfolglos, sollte eine Ablation erfolgen (7). Dies gilt aufgrund hoher Erfolgsraten bei gleichzeitig geringen Raten prozedural bedingter Komplikationen insbesondere im Falle einer ventrikulären Extrasystolie mit vermutetem Ursprung im RVOT.
Der Ursprung einer monomorphen VES kann mittels 12-Kanal-EKG eingegrenzt werden. Hinweis auf einen Fokus im links- oder rechtsventrikullären Ausflußtrakt (LVOT bzw. RVOT) geben QRS-Morphologie (Linksschenkelblockmorphologie), R/S-Umschlag in den Brustwandableitungen (V3/4) und Lagetyp (inferiore Achse) der VES. Die Differenzierung zwischen einem Ursprung in LVOT versus RVOT sowie die exakte Lage des Fokus im RVOT lassen sich durch Algorithmen (siehe Abbildungen 3 und 4) mit hoher Wahrscheinlichkeit vorhersagen. Die Erfolgsrate einer Ablation ventrikulärer Extrasystolen mit Ursprung im RVOT beträgt 85-100 Prozent (8, 9).
Der aufgezeigte Fall ist ein Beispiel für eine symptomatische und aufgrund der intermittierend hohen VES-Last trotz fehlender kardialer Grunderkrankung prognostisch relevanten ventrikulären Extrasystolie aus dem ROVT, die nach einem frustranen medikamentösen Therapieversuch mittels Ablation komplikationslos und kurativ behandelt werden konnte.
Algorithmen zur Differenzierung einer ventrikulären Extrasystolie aus rechts- und linksventrikulärem Ausflusstrakt (Abbildung 3) und der horizontalen und vertikalen Orientierung im RVOT (Abbildung 4) sowie klinische VES in 12-Kanal-EKG (Abbildung 5) und 3D-Mapping (Abbildung 6):
Abbildung 2: Algorithmus zur Differenzierung einer ventrikulären Extrasystolie aus rechts- und linksventrikulärem Ausflusstrakt. LSB = Linksschenekblock; LV = linker Ventrikel; LVOT = linksventrikulärer Ausflußtrakt; RVOT = rechtsventrikulärer Ausflusstrakt; * Sicherheit hier nur circa 50 Prozent (50% der ventrikullären Extrasystolen aus LVOT, Pulmonalarterie oder epikardialen Ursprungs). Modifiziert nach (10). Quelle: Dr. Georg von Bodman in Anlehnung an 10
Abbildung 3: Algorithmus zur Differenzierung der horizontalen und vertikalen Orientierung einer ventrikulären Extrasystolie aus dem RVOT = rechtsventrikulärem Ausflußtrakt. Modifiziert nach (10). Quelle: Benedictus Krankenhaus, Tutzing
Abbildung 4: Klinische VES des aktuellen Falles mit Ursprung im RVOT, anterior (anterolateral) und superior. Quelle: Benedictus Krankenhaus, Tutzing
Abbildung 5: Anterolaterale und superiore Lokalisation des Fokus im RVOT (+) visualisiert mittels 3D-Mapping (Ensite NavX, Abbott). Quelle: 10
Literatur
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- Mountantonakis, S. E., Frankel, D. S., Gerstenfeld, E. P., Dixit, S., Lin, D., Hutchinson, M. D., Riley, M., et al. (2011). Reversal of outflow tract ventricular premature depolarization-induced cardiomyopathy with ablation: effect of residual arrhythmia burden and preexisting cardiomyopathy on outcome. Heart rhythm : the official journal of the Heart Rhythm Society, 8(10), 1608–1614. doi:10.1016/j.hrthm.2011.04.026
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- Pytkowski M, Maciąg A, Sterliński M, Jankowska A, Kowalik I, Farkowski M, Kuteszko R, Zając D, Firek B, Chmielak Z, Szwed H. Novel algorithm for arrhythmogenic focus localization in patients with right ventricular outflow tract arrhythmias. Cardiol J 2014; 21, 3: 284–292)